Houston, we have a problem

Kristallklar

+e Kita, Marburg

Denkt man an Architektur mit Photovoltaik-Anlagen, überwiegt noch immer das Bild vom Einfamilienhaus in Fertigbauoptik mit Satteldach, auf dem Solarpaneele wie unliebsame Fremdkörper appliziert sind. Doch gute Architektur hat schon immer gezeigt, dass sich die vermeintliche Not zur Tugend erheben lässt: Wie inzwischen einige Beispiele belegen, lassen sich Solarmodule auch als gestaltende Elemente in die architektonische Konzeption einbeziehen – so auch bei dem Neubau der +e Kita in Marburg, entworfen von opus Architekten BDA. Die Kindertagesstätte setzt mit ihrer eigentümlichen Fassade nicht nur energetische, sondern auch ästhetische Standards.

opus Architekten BDA, +eKita, Marburg

Mitten in einem parkähnlichen Areal liegt das Grundstück, auf dem die Stadt Marburg den Bau einer Kindertagesstätte im Plusenergiestandard initiiert hat. Ursprünglich wurde das Gelände im 19. Jahrhundert für eine psychiatrische Klinik angelegt, heute steht es als dicht begrünte Gesamtanlage mit einigen Bestandsbauten unter Denkmalschutz. Der nun realisierte, zweigeschossige Neubau setzt daher vor allem auf die Integration der Umgebung durch raumhohe Verglasung in beiden Geschossen. Im Obergeschoss, das über die Erdgeschossebene hinausragt und somit unten für notwendige Verschattung sorgt, ist die Fassade gleichsam neoexpressionistisch und kristallartig aufgefaltet. Die geschlossenen Flächen der Faltung sind bündig mit Solarpaneelen verkleidet, wodurch sich interessante Reflexionseffekte der umliegenden Bäume auf der dunkel spiegelnden Oberfläche ergeben.

Auch die Holzmöbel der Innenraumgestaltung thematisieren das Überwinden der Grenzen von außen und innen: naturbelassen oder in unterschiedlichen Grüntönen gefasst, schaffen sie nicht nur einen Bezug zur umgebenden Natur, sondern eine heitere, kindgerechte Atmosphäre, ohne schreiend bunt zu sein. Die hohen Einbaumöbel untergliedern den offenen Gesamtraum in vielfältige kleinere Raumsegmente, das gestalterische Gewand fasst dabei sowohl Funktionsbereiche wie auch Orte des Spielens zusammen.

opus Architekten BDA, +eKita, Marburg

Das Nachhaltigkeitskonzept der +e Kita beginnt zunächst mit möglichst unaufwendigen Strategien: Als Baumaterial wurde Holz gewählt, das Gebäudevolumen ist möglichst kompakt gehalten und durch optimale Ausrichtung der transparenten Flächen sind thermische Verluste reduziert. Die Fassade bietet zudem einen hohen Wärmeschutz, wodurch weniger geheizt werden muss. Doch auch die aktiven Strategien orientieren sich an größtmöglicher Effizienz: Die Heizung ist in die Fußböden integriert (wobei die Leistung über die anlagentechnische Trennung von Warmwasser und Heizung optimiert wird), die Lüftung ist mit Wärmerückgewinnung ausgestattet und der Strombedarf wird über die Photovoltaikanlage gedeckt, die sowohl über die Fassade als auch die Dachflächen hinweg verbaut wurde und deren solare Gewinne durch ihre Ausrichtung gesteigert werden.

Nach Angaben der Architekten kann sich das Gebäude durch all dies mit der gesamten Energie, die in die Herstellung geflossen ist, bereits nach 16 Jahren energetisch amortisieren – eine schöne Vorstellung, dass die Baukultur in Zukunft in größerem Maße zur Entlastung unserer Umwelt beitragen könnte.
Elina Potratz

Neubau +e Kita, Marburg 2015
Auftraggeber: Magistrat der Universitätsstadt Marburg
Architekten: opus Architekten BDA, Darmstadt
Tragwerksplanung: osd – office for structural design, Frankfurt am Main
Elektroplanung: Schaub & Kühn – Ingenieurbüro Elektrotechnik, Marburg
Landschaftsplanung: Köhler Landschaftsarchitekten, Fernwald
Status: realisiert

weitere Projekte aus dem Call for Projects „Houston, we have a problem“ können Sie in der Übersicht hier einsehen.

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