Festival in Leipzig-Grünau

Kunst im und am Plattenbau

Leipzig wächst, Mieten steigen, Wohnraum wird knapper. Wie in vielen ehemaligen DDR- Städten rückt der Fokus auf die Großwohnsiedlungen, auch Plattenbausiedlung oder „Platte“ genannt. Die Idee entsprang der Moderne – und die als Tafelbauweise bekannt gewordene Konstruktionsmethode wurde durch den Wohnungsmangel der Nachkriegszeit schnell zum Patentrezept. Entgegen dem klassisch europäischen Stadtwachstum wurden diese Großwohnsiedlungen vielerorts großmaßstäblich aus dem Boden gestampft. Leipzig-Grünau war nach der Erbauung in den 1970er und 1980er Jahren mit über 80.000 Einwohnern eine der größten Siedlungen dieser Art in Ostdeutschland. Danach ging die Entwicklung jedoch abwärts: schrumpfende Einwohnerzahlen, Überalterung und Zuzug mehrheitlich einkommensschwacher Familien. Um der Entstehung eines sozialen Brennpunkts entgegenzuwirken, wurden seit 1993 mit dem Programm Weiterentwicklung großer Neubaugebiete öffentliche Mittel in Grünau investiert und 2007 die Entwicklungsstrategie Grünau 2020 beschlossen.

Jetzt rückt die Siedlung Grünau und mit ihr der Plattenbau in den Fokus der Kunst. Zum 40-jährigen Jubiläum der Grundsteinlegung veranstaltet der D21 Kunstraum Leipzig e. V. das Festival RASTER:BETON. Es betrachtet aus der Perspektive zeitgenössischer Kunst das soziale und gebaute Umfeld vor Ort. Als Werkzeug dienen eine Ausstellung, lokale Kunstaktionen und ein zweitägiges Symposium sowie ein Rahmenprogramm aus Filmreihen, Workshops, Stadtspaziergängen und Satelliten-Projekten.

Künstler aus Deutschland und Frankreich präsentieren in der Ausstellung durch Foto- und Videoarbeiten sowie Installationen ihre Sicht auf Großwohnsiedlungen, den Plattenbau und das Erbe der Moderne. Seit Mai dieses Jahres wohnen zudem Künstler aus Deutschland, Frankreich und Österreich vor Ort: Sie verwirklichen mit Bewohnern Projekte wie ein Klubhaus auf der Wiese und eine Freiluftausstellung mit begleitenden öffentlichen Tänzen. Höhepunkt des Festivals ist das Symposium Grünau 40 – Von hier aus betrachtet. An zwei Tagen sollen die Auswirkungen der seriellen Fertigung auf das Wohnen und das Überleben des sozialistischen Grundgedankens der Großwohnsiedlungen diskutiert werden. Der erste Tag steht dabei im Zeichen der Kunst. Die residierenden Künstler stellen in Stadtspaziergängen ihre Projekte vor und diskutieren am Abend auf dem Podium.

Der zweite Tag ist geprägt durch Vorträge von diversen nationalen und internationalen Experten wie Ines Weizman von der Bauhaus-Universität Weimar und Annie Fourcaut vom Zentrum für Sozialgeschichte des 20. Jahrhundert der L’Université Paris 1. Mehrere Diskussionsrunden und eine abschließende Podiumsdiskussion zum Thema Kunst und Stadtentwicklung – Mögliches und Unmögliches runden das Symposium ab. Ergänzt wird das Programm durch kooperierende Gruppen und Initiativen, die zeitgleich künstlerische und kulturelle Angebote mit Stadtteilbezug durchführen.

Robert Bauer

RASTER : BETON – Internationales Festival für Kunst und Architektur
Veranstalter: D21 Kunstraum Leipzig e. V.
Zeit: 17. Juni bis 31. Juli 2016
Mehr unter: www.raster-beton.de

 

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