neu im club

Material, Licht, Raum

Marc Hehn und Christian Pohl, hehnpohl architektur BDA, Münster

2008 haben Marc Hehn und Christian Pohl nach einer gemeinsamen Zeit bei Dejozé & Dr. Ammann Architekten ihr eigenes Büro in Münster gegründet. Kennengelernt haben sich die beiden in Münster ausgebildeten Architekten bereits neun Jahre zuvor als studentische Mitarbeiter bei Christoph von Hausen.

hehnpohl architektur BDA, Haus im Geistviertel, Münster 2006 – 2008, alle Abb. und Fotos: HPA

Bereits mit den ersten realisierten Projekten konnte das neuformierte Büro einiges Renommee sammeln. Das im Jahr der Bürogründung fertiggestellte Wohn- und Atelierhaus im Geistviertel etwa wurde 2011 mit dem Fritz-Höger-Preis für Backsteinarchitektur ausgezeichnet. Der Entwurf folgt der einfachen Idee, mittels Subtraktion und Addition eines bestehenden Volumens bestimmte Raumkompartimente zu definieren. Wo für den Eingang eine Ecke des zweigeschossigen Baukörpers in der Erdgeschosszone geometrisch präzise ausgeschnitten ist, wird auf der diagonal gegenüberliegenden Gebäudeecke das Volumen um eine Ausstülpung ergänzt, die den Wohnbereich im Innern erweitert und gleichzeitig die rückwärtige Terrasse räumlich fasst. Auch das Oberlicht, das die zum Obergeschoss führende Treppe belichtet, ist als solcher Einschnitt konzipiert. Etwa im Verhältnis 2:3 ist hier die Länge des Obergeschosses raumhoch verglast. Da sich die Glasflächen auch auf das Dach erstrecken, wird der Gedanke des subtraktiven Vorgehens unterstützt: Wo sich bei Tageslicht ein einfacher Materialwechsel darstellt, wird dieses Bild bei Dunkelheit durch die Belichtung des Treppenhauses noch einmal überdeutlich.

hehnpohl architektur BDA, Haus im Geistviertel, Münster 2006 – 2008, alle Abb. und Fotos: HPA

Bereits in diesem Projekt finden sich einige Themen, die die Qualität der Architektur von hehnpohl ausmachen. Der Umgang mit den Materialien etwa – hier der Backstein – oder die feinfühlige Ausbildung von Treppendetails, gezielte Lichtführung und klar gegliederte Grundrisse. Dehnungsfugen etwa werden dankenswerterweise und konsequent in jedem Projekt im Verband ausgeführt, Fensterlaibungen immer wieder zu Sitzgelegenheiten erweitert und Treppenläufe in das Raumgefüge amalgamiert, so dass Stufen aus Wänden, Vorsprüngen oder Bänken zu erwachsen scheinen.

hehnpohl architektur BDA, Haus am Kapuzinerkloster, Münster 2015 – 2017, Foto: HPA

Um das zu verdeutlichen, könnte man beliebige Häuser aus dem inzwischen gut angewachsenen Œuvre der beiden gebürtigen Münsterländer herauspicken. Klar wird es aber unter anderem am just an die Bauherren übergebenen Haus am Kapuzinerkloster: Für die vierköpfige Familie entstand in zweiter Reihe der Peter-Wust-Straße ein Haus, bei dem der Bereich der Kinderzimmer langfristig abgetrennt und zu einer Einliegerwohnung umgewandelt werden sollte. Auf diese beiden Nutzungsanforderungen, gepaart mit dem Bedarf von Flächen für Garage und Abstellräumen, reagierten die Architekten mit drei klar definierten Gebäudeteilen, die sich von Nord nach Süd immer weiter gen Westen staffeln. Durch diesen Schachzug – die funktional bedingten Unterschiede des Hauses sich auch im Äußeren ausdrücken zu lassen – gelingt dem Team von hehnpohl eine außenräumliche Fassung des Areals: Die Flucht der Garage als südlichstem Körper des dreigeteilten Gebäudevolumens nimmt die Raumkanten des südlichen Nachbarn auf und begrenzt so einen Vorhof, der das Haus deutlich mit seinen Nachbarn verbindet.

hehnpohl architektur BDA, Haus am Kapuzinerkloster, Münster 2015 – 2017, Foto: HPA

Die asymmetrisch geneigten Satteldächer, deren Firstlinie von Gebäudeteil zu Gebäudeteil wechselseitig verspringt, und der verwendete dünnformatige, schwarz-rote Wasserstrichziegel machen das Haus deutlich zu einem Kind des Ortes. Sowohl die Dachkonfiguration als auch das Baumaterial finden sich an den überwiegend in den 1950er- und 1960er-Jahren entstandenen Wohnhäusern der Umgebung immer wieder – darunter auch das Wohnhaus von Harald Deilmann.

hehnpohl architektur BDA, Haus am Kapuzinerkloster, Münster 2015 – 2017, Foto: HPA

hehnpohl architektur BDA, Haus am Markt, Beckum 2015 – 2016, alle Abb. und Fotos: HPA

Der Umgang mit bestehenden Strukturen ist ein weiterer Punkt, der sich in der Arbeit von Christian Pohl und Marc Hehn wiederfindet. Von feinen Ergänzungen wie dem Anbau an ein denkmalgeschütztes Haus 2012 in der Prälat-Diehl-Straße in Darmstadt bis hin zu denkmalgerechten Sanierungen zeigt sich auch beim Bauen im Bestand der Qualitätsanspruch der beiden Architekten. Beispielhaft dafür kann das Haus am Markt in Beckum stehen. Hier hat hehnpohl architektur 2015 ein Ensemble, bestehend aus einem Hinterhaus aus dem Jahr 1892 und einem Vorderhaus von 1910, behutsam revitalisiert. Das Hinterhaus wurde komplett entkernt, Ziermauerwerk wieder freigelegt, die Haustechnik auf den Stand der Technik gebracht. Das Erdgeschoss wird nunmehr als Café und Restaurant genutzt, die Obergeschosse nehmen Büros auf.

hehnpohl architektur BDA, Haus am Markt, Beckum 2015 – 2016, alle Abb. und Fotos: HPA

In der Buddenstraße in Münster befindet sich derzeit ein privates Wohnhaus in den letzten Zügen der Fertigstellung. Die drei Geschosse des giebelständigen und mit Backsteinfassade verkleideten Hauses sind durch einen einfachen Schachzug der Architekten außen ablesbar: Die Außenwand jeder Etage nimmt eine der am Ort relevanten Fluchtlinien auf. Das Erdgeschoss steht in der genauen Verlängerung der südlich angrenzenden Nachbarbebauung, der erste Stock bezieht sich auf die Grundstücksgrenze und der zweite Stock samt Giebel schreibt die Außenkante der nördlich angrenzenden Häuser fort. Alle drei Linien treffen sich in der nördlichsten Gebäudekante der straßenseitigen Fassade.

hehnpohl architektur BDA, Haus am Buddenturm, Münster 2016 – 2018

Wo der Bau außen mit seiner Backsteinfassade klar dem westfälischen Geist des Ortes verpflichtet ist, überrascht das Innere durch teils rohen Beton. Hinter der Tür erwartet den Besucher zunächst keine große Halle, sondern ein erstaunlich niedriges und enges Entree. Von hier weitet sich der Raum jedoch nach Osten zu einem großzügigen Bereich, der durch den das Grundstück abschließenden kleinen Hof belichtet wird. Die glatten Betonoberflächen der Wände kontrastieren schön die völlig unbehandelte Garagenrückwand des östlichen Nachbargrundstücks, die den Hof begrenzt und mit teils bemoostem Mauerwerk, bröckelndem Putz und alten Dachpappebahnen ein heterogenes Bild abgibt, das durch die großformatigen Fenster fein gerahmt wird.

hehnpohl architektur BDA, Haus am Buddenturm, Münster 2016 – 2018

Alle Wände, Treppenläufe und Brüstungen im Innern des Hauses sind betoniert, ihr Grau wird durch das warme Braun der hölzernen Einbauten für Böden, Schränke, Regale und Küche gekontert. Die Treppe ins erste Obergeschoss ist von einem bis kurz vor die Traufkante ins Dach eingelassenen Fenster belichtet. Von hier erreicht man eine offene Wohnküche, von der eine Terrasse erschlossen wird. Die der Treppe gegenüberliegende Nordwand wurde von einem Künstler gestaltet, der das auf dieser Seite des Hauses eingesetzte Thema des von oben einfallenden Tageslichts überhöht und mittels brettgeschaltem, schwarzem Stampfbeton ein Wandrelief schafft, das sich perfekt in das Gefüge des Hauses einpasst.

Einer tief in die straßenseitige Fassade eingeschnittene Fensternische folgt eine Sitzgelegenheit, die einen direkten Blick auf den Buddenturm am nördlichen Ende der gleichnamigen Straße frei gibt. Vom ersten Stockwerk führt eine weitere Treppe ins zweite, mit je einem Arbeits- und Schlafzimmer, Bad sowie einem offenen Raum, der bis unter den First reicht. Eine Wendeltreppe schließlich leitet in ein Gästezimmer unter dem Dach. In der Folge ergibt sich eine Aneinanderreihung von Räumen, die sich vom Eingang aus sukzessive nach oben hin weitet und öffnet.

hehnpohl architektur BDA, Haus am Buddenturm, Münster 2016 – 2018

Neben der Baustelle in der Buddenstraße sind derzeit elf Bauten im Entstehen. Darunter eine kleine Wohnanlage in Essen, bestehend aus einem Doppelhaus, einem kleinen Wohnhaus und einer Remise, ein Scheunenumbau im Münsteraner Umland, die Erweiterung eines kleinen Reihenmittelhauses und zwei Mehrfamilienhäuser in Münster. Die Faszination für Architektur im Spannungsfeld zwischen Bauherren, Handwerkern und sozialer Verantwortung ist es, die Marc Hehn und Christian Pohl augenfällig antreibt.
David Kasparek

www.hehnpohl.de

neu im club im DAZ-Glashaus
Talk mit Marc Hehn und Christian Pohl:
7. November 2018, 19.00 Uhr
Werkschauprojektion:
8. November 2018 bis 15. Januar 2019

www.neuimclub.de
www.daz.de
www.derarchitektbda.de

Medienpartner: www.marlowes.de

neu im club wird unterstützt von dormakaba, Erfurt und Heinze sowie
den BDA-Partnern.

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