neu im club

Mehr als Basics

Wir sind in einer ruhigen Nebenstraße eines Wohnviertels im Stuttgarter Westen. Inmitten der gründerzeitlichen Bebauung steht ein mehrgeschossiges Haus, das mit seiner Fassade aus gewelltem Stahlblech und einem filigranen Gerüst aus Stahlstreben deutlich herausfällt. Ein Blickfang in der sonst so homogenen Umgebung. Hier sind wir zu Gast bei fmb-architekten – das sind Norman Binder und Andreas-Thomas Mayer, die uns herzlich und gut gelaunt in ihrem Büro im Erdgeschoss empfangen. Der langgezogene Büroraum mutet mit den vielen Schreibtischen und Bildschirmen wie ein Büro für ein größeres Team an. Doch schon zu Anfang klären die beiden energisch, und nicht ohne einen gewissen Stolz, dass sie hier meist zu zweit arbeiten: „Wir machen im Moment alles allein. Wir können alles!“, sagt Norman Binder lachend.

Ende der Neunziger lernten sich Norman Binder und Andreas-Thomas Mayer im Büro Lederer Ragnarsdóttir Oei kennen, nachdem sie beide, jedoch zeitversetzt, an der HFT Stuttgart studiert hatten. Norman Binder war zu dem Zeitpunkt schon Mitarbeiter, Andreas-Thomas Mayer Praktikant. Bereits hier überlegten die beiden in der Kaffeepause, sich irgendwann einmal zusammen selbständig zu machen. Aber einige Jahre sollte es schließlich noch dauern, bis es dazu kam. Während Binder zunächst ein eigenes Büro in Pforzheim gründete, machte sich Mayer in Bürogemeinschaft mit Dieter Faller selbständig, sodass sich die zwei Architekten erst 2007 als f m b architekten, in Kooperation mit Dieter Faller, in Stuttgart zusammentaten.

f m b architekten, Das rote Haus, Bruchsal, 2014-2016, Foto: Andreas-Thomas Mayer

Nach dem Wettbewerbserfolg für das Altenpflegeheim in Stuttgart entwarfen sie vor allem Interieurs für Geschäfte, darunter den Flagshipstore der Kosmetikmarke „La Biosthétique Paris“ im Zentrum von Paris. „Wir waren dann eine Zeit lang größtenteils mit Innenarchitektur beschäftigt. Irgendwann hat uns aber der Hochbau gefehlt, der schlichtweg langlebiger ist als eine Raumausstattung, die nach einigen Jahren oft wieder ausgetauscht wird“, sagt Norman Binder. Aus der Innenausbau-Schublade konnte das Architektenduo jedoch erfolgreich entkommen. Allein in den letzten fünf Jahren planten fmb mehrere Wohnhäuser, ihr letztes Projekt ist die Zentrale der Firma Greiner in Pleidelsheim, die unter anderem mit der Hugo-Häring-Auszeichnung 2017 des BDA Baden-Württemberg geehrt wurde.

f m b architekten, Das rote Haus, Bruchsal, 2014-2016, Foto: Andreas-Thomas Mayer

Typus, Topos und Tektonik sehen die beiden als selbstverständliche Voraussetzungen ihrer Entwurfsarbeit an: „Das sind die Basics“, meint Andreas-Thomas Mayer, „viele Architekten sprechen über die gleichen Sachen, aber trotzdem sehen die Bauten am Ende ganz anders aus.“ Was die beiden Stuttgarter jedoch darüber hinaus bewegt, ist eine starke Prägnanz der Bauten, die sich mit einer guten räumlichen Fügung und ausgefeilten Details verbindet. Diese Vorstellungen werden unter anderem im „roten Haus“ in Bruchsal deutlich, einer Doppelhaushälfte, die durch die ochsenblutrote Farbe, die sich über Fassade und Dach zieht sowie große, horizontale Fenster – die im Kontrast zum schmalen Schlitz des Eingangsbereichs stehen – aus der recht banalen Umgebungsbebauung herausfällt. Der Kamin an der Giebelseite bringt eine auffällige Stufung in die Fassade und verleiht dem Baukörper eine skulpturale Eigenheit. „Die Mittel sind hier insgesamt denkbar einfach“, betont Norman Binder: „Das Gebäude lebt von den Details und die muss man sorgfältig machen“.

Im Innern steht die Materialität im Vordergrund: Die Klarheit und Kühle von Sichtbetonwänden und -treppen, der weißen Küche und den hellgrauen Holzfenstern wird durch den warmen Ton des Eichenparketts gebrochen. Das Treppenhaus durchschneidet ein Edelstahlgewebe, das ein Geländer ersetzt, im Wohnzimmer sind die unschönen Teile des Kamins hinter einer Tür aus rohem Stahlblech verborgen. Alle Werkstoffe sind präzise zueinander gefügt. Um den knappen Grundriss optimal auszunutzen, wurde das niedrig liegende und hochwassergefährdete Erdgeschoss so ausgeführt, dass es komplett abgedichtet werden kann; Schiebetüren und Einbauschränke schaffen zusätzlichen Raum.

Aufgrund ihrer Detailsorgfalt ist fmb-architekten auch die Kontrolle über die Phase der Bauleitung wichtig, die sie beim „roten Haus“ aufgrund der räumlichen Distanz nicht übernehmen konnten. Glücklicherweise fand sich jedoch vor Ort ein Architekturbüro, das sich mit ähnlichem Herzblut wie die beiden Stuttgarter den Einzelheiten angenommen hat. „Ohne das architektonische Fingerspitzengefühl kann auch viel an Detail verloren gehen. Zudem planen wir Dinge oft an der Grenze des Machbaren, was Toleranzen und das Fügen von Bauteilen betrifft“, meint Andreas-Thomas Mayer. Wie sein Partner ergänzt, muss hierbei vor allem gegenüber den Handwerkern Überzeugungsarbeit geleistet werden: „Das ist eine Frage der Wertschätzung und der handwerklichen Mühe. In der Schweiz und in Österreich ist das selbstverständlicher“, beklagt Norman Binder.

f m b architekten, „Das kleine Schwarze“, Weil der Stadt 2013-2014, Fotos: Andreas-Thomas Mayer

Eine ebenso simple Grundform wie im „roten Haus“ findet sich auch im „kleinen Schwarzen“ in Merklingen bei Weil der Stadt, ebenfalls ein Einfamilienhaus, das als dunkler Kubus mit schmalen Fensteröffnungen und einer aus dem Volumen herausgeschnittenen Terrasse in der offenen württembergischen Landschaft steht. „Wenn sich erst einmal aus der Analyse der Entwurfsaufgabe und der Funktion eine Form entwickelt hat, dann sind die Details eine logische Weiterentwicklung, um diese Form zu unterstützen und zu inszenieren“, erklärt Mayer. Die geometrische Strenge des kubischen Baus wurde in Taktung und Bündigkeit der Fenster sowie in den schlanken Attikabedeckungen weitergeführt. Jedoch heben beide Architekten hervor, dass die Entwicklung von Solitären vor allem dann naheliegt, wenn der Ort und die vorhandene Bebauung mit ihren Typologien und Materialien kein Anknüpfen anbieten. Binder erläutert: „Bei unseren bisherigen Projekten war der Kontext immer relativ schwach. Aber es muss nicht sein, dass wir immer so entwerfen.“

f m b architekten, Büro- und Ausstellungsgebäude Firma Greiner, Pleidelsheim 2014-2016, Foto: Brigida González

Der jüngste Bau des Büros ist das in Pleidelsheim gelegene Büro- und Ausstellungsgebäude der Firma Greiner, einem Hersteller hochwertiger Sitze und Liegen. Der Baukörper ist ein kubisches Volumen aus Sichtbeton mit großen geschlossenen Flächen, das zur Ortsdurchfahrt hin mit weiten Schaufenstern Einblick in den Showroom des Unternehmens bietet. Auf der Eingangsseite wird das große Schaufenster wieder aufgegriffen, ansonsten ist die Fassade nur durch ein aus dem Baukörper hervorkragendes, streckmetall-ummanteltes Volumen gegliedert, das den darunter liegenden Eingang markiert. Der Eintretende kommt hier zunächst in einen niedrigen Raum und wird nach einer Wendung nach links in die Eingangshalle umso mehr von dem hohen Luftraum überrascht, in dem eine rostrote Wendeltreppe wie ein Kunstobjekt inszeniert erscheint. Die Beleuchtung erfolgt tagsüber über runde Oberlichter und abends über ein Raster von kleinen Lampen, die in die Sichtbetonwand der Eingangsseite eingelassen sind.

Während von der Eingangshalle aus der Showroom und ein Besprechungsraum zugänglich sind, befindet sich im Obergeschoss die Verwaltungsebene mit offenen und geschlossenen Büroräumen sowie einer großzügigen und lichten Personalküche. Die Erschließung erfolgt neben der Wendeltreppe über ein weiteres Treppenhaus und einen Aufzug, die vor allem vom Personal der Firma genutzt werden. Im zweiten Obergeschoss öffnet sich ein Konferenzraum zur großen Dachterrasse hin, die unter anderem Platz für Firmenfeiern bietet. Zudem wurde durch das „Ausschneiden“ der Terrasse aus dem Gebäudevolumen die Massivität des Baukörpers gegenüber dem Stadtraum reduziert.

f m b architekten, Büro- und Ausstellungsgebäude Firma Greiner, Pleidelsheim 2014-2016, Foto: Brigida González

Wie Binder und Mayer erklären, war ihnen beim Bau auch Flexibilität der Nutzungen wichtig. Die Tragstruktur besteht im Bürogeschoss daher nur aus zwei parallel angeordneten Scheiben, die unterschiedliche Büroformen – von Einzelkabinen über ein halboffenes Raumgefüge bis hin zu einem komplett offenen Großraumbüro – zulassen. Auch das Erdgeschoss wurde so ge-plant, dass es für Veranstaltungen genutzt werden kann, die Schauobjekte werden dann ins Untergeschoss verfrachtet. Wie der Bauherr am nächsten Tag bei einem Besuch bestätigt, werden diese flexiblen Nutzungsmöglichkeiten auch wahrgenommen. Dieser zeigt sich hochzufrieden über seine Firmenzentrale: „Der Bau ist nicht nur architektonisch toll, er funktioniert auch einfach sehr gut“ – eine Aussage, die angesichts der Leidenschaft, mit der die Architekten bei der Arbeit sind, nicht verwundert.
Elina Potratz

www.fmb-architekten.de

neu im club im DAZ-Glashaus
Talk mit Norman Binder
und Andreas-Thomas Mayer:
3. Juli 2019, 19.00 Uhr
Werkschauprojektion:
4. Juli bis 25. August 2019

www.daz.de
www.neuimclub.de

Medienpartner: www.marlowes.de
neu im club wird unterstützt von
dormakaba, Erfurt und Heinze sowie
den BDA-Partnern.

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