Neu im Club: Bayr Glatt Guimaraes Architekten BDA, Augsburg

Variable Räume für die Zukunft

Mitten in der Augsburger Altstadt, auf halber Strecke zwischen Rathaus und Augsburger Puppenkiste, direkt am rauschenden Altstadtkanal des Schwalllech, haben Bayr Glatt Guimaraes Architekten ihren Bürositz in einem unscheinbaren Gebäude aus den 1950er-Jahren. In den Räumlichkeiten befand sich einst eine Pathologie – als Relikt aus dieser Zeit gibt es noch einige für die damalige Zeit typische Holzwandschränke. Bei unserem Besuch befindet sich das Büro inmitten von Bauarbeiten: Es wird gerade an einer neuen Heizungsverblendung aus Holz gearbeitet, um der 50er-Jahre-Büroatmosphäre etwas Zeitgemäßes hinzuzufügen. Tatsächlich sind die Architekten hier selbst am Werk, denn Manuel Guimaraes ist gelernter Schreiner.

Michael Bayr, Lukas Glatt, Manuel Guimaraes, Bayr Glatt Guimaraes Architekten

So kommen wir heute nicht im Besprechungsraum zusammen, sondern im gemeinsamen Arbeitszimmer der drei Büroinhaber. Von hier aus hat man einen guten Blick auf die Altstadtkulisse und auf Teile der ehemaligen Stadtmauer. Dass sich die drei ein Büro teilen, hat gewissermaßen Tradition: Schon im Studium in Augsburg saßen sie immer zu dritt in einem Arbeitsraum und erarbeiteten gemeinsam Projekte. „Wir hatten sogar eine Türschelle, auf der ‚BGG‘ für ‚Bayr Glatt Guimaraes‘ stand. Das mussten wir aber wieder wegmachen, aus brandschutztechnischen Gründen“, erzählt Michael Bayr lachend.

„Wir haben schon im Studium gemerkt, dass wir alle eine ziemliche Leidenschaft mitbringen“, erinnert sich Manuel Guimaraes: „Man konnte sehr schnell feststellen, wer mit Euphorie dabei ist und dafür brennt… und mit wem man sich zusammen tut, um die beste Arbeit hinzubekommen.“ Es sind aber nicht nur die Gemeinsamkeiten, sondern auch die Unterschiede, die für sie verbindend wirkten: „Insgesamt schätzen wir es, dass wir alle drei ziemlich verschieden sind. Da hat jeder so seine Vorteile oder seine Kompetenzen“, meint Guimaraes. Auf die Frage hin, wie sie sich innerhalb des Dreiergefüges charakterisieren würden, fällt ihnen die Antwort jedoch schwer. Nur Michael Bayr muss grinsend zugeben: „Es gibt strukturierte Leute. Ich bin keiner davon.“

Gerade die Unterschiede bereicherten zudem den Entwurfsprozess, beschreibt Lukas Glatt: „Wie bei einem Wettbewerb im Großen, wo es verschiedene Lösungen gibt, die man im Preisgericht diskutiert, praktizieren wir das hier im Büro auch im Kleinen. Gemeinsam mit den Mitarbeitern werden die Vorschläge, die jeder einbringt, diskutiert und gegeneinandergestellt, um zu prüfen, was besser ist und welche Tendenzen es gibt. Das dient auch dazu, ein belastbares Ergebnis zu erarbeiten.“ Ergänzend meint Manuel Guimaraes: „Das Haus kann am Ende unterschiedlichst aussehen, aber es ist trotzdem ein gutes Haus, wenn es konzeptionell gut gemacht ist. Und was das betrifft, haben wir schon die gleiche Haltung.“

Bayr Glatt Guimaraes Architekten, Haus S, Friedberg 2021, Foto: Lukas Glatt

Auch an zahlreichen Wettbewerben „im Großen“ nehmen Bayr Glatt Guimaraes seit ihrer Gründung teil. Anfangs bewarben sie sich auf bis zu 50 Wettbewerbe im Jahr, so Guimaraes: „Dann durften wir vielleicht fünf machen, in die wir reingelost wurden.“ Bis heute habe sich das prinzipiell nicht verändert, „nur, dass wir heute nicht mehr so viele Bewerbungen rausschicken, weil wir jetzt manchmal eingeladen werden.“

Bayr Glatt Guimaraes Architekten, Haus S, Friedberg 2021, Foto: Lukas Glatt

Die Startbedingungen in Augsburg beschreiben die drei als eher schwierig: „Seit wir hier arbeiten, ist mir nicht aufgefallen, dass die Stadt irgendeinen Wettbewerb ausgeschrieben hat“, so Michael Bayr. Aber auch insgesamt sei mittlerweile deutlich spürbar, dass es immer weniger Wettbewerbe gebe. „Und dann gibt es ja noch das große Feld der Verhandlungsverfahren, da kommen wir mit unseren eigenen Referenzen bei überhaupt gar keinem Verfahren hinein, egal welche Bauaufgabe“. Dass sie fast das einzige junge Büro in der Region sind, sehen sie durchaus nicht als Vorteil, sondern als Ausdruck einer dramatischen Entwicklung: „Diese Hürden sind einfach nicht gut für die Berufslandschaft. Und letztendlich auch nicht gut für das, was gebaut wird“, meint Lukas Glatt.

Bayr Glatt Guimaraes Architekten, Haus S, Friedberg 2021, Foto: Lukas Glatt

Als Vertreter einer jüngeren Generation finden die drei deutliche Worte: „Den Nachwuchs wird es bald nicht mehr geben, weil die Situation auf dem Markt so schwierig ist. Ich verstehe alle, die darüber nachdenken, sich nicht selbständig zu machen“, meint Manuel Guimaraes. Ein Problem sehen sie auch darin, dass die gesellschaftliche Anerkennung für Architektinnen und Architekten grundsätzlich nicht sehr hoch sei. Aber auch die Architektenschaft selbst sehen sie in der Pflicht, dem Bedeutungsverlust des Berufsstands entgegenzuwirken, indem sie sich mehr in Themen einmischen, das Gespräch mit stadtgesellschaftlichen Akteuren suchen und selbst Projekte initiieren. „Eigentlich müsste man viel mehr kommunizieren, schon in einer ganz frühen Phase – und nicht immer erst abwarten“, so Guimaraes.

Momentan arbeitet das Büro an einem Wohnungsbau für eine Genossenschaft in Augsburg. Hier hat die Stadt zum ersten Mal mehrere Grundstücke über Konzeptvergaben an Genossenschaften und Baugemeinschaften vergeben, etwas außerhalb, auf einem ehemaligen Kasernengelände. Die Architekten schätzen das Genossenschaftliche und Gemeinschaftliche an dem Projekt, und ebenso, dass es ein Holzbau werden soll. Zudem hat es mit 55 Wohneinheiten eine Größenordnung, mit der man in der Stadt eine gewisse Aufmerksamkeit bekommen könnte.

Bayr Glatt Guimaraes Architekten in Arbeitsgemeinschaft mit Lattke Architekten, Genossenschaftlicher Wohnungsbau WOGENAU, Abb.: BGG

Außerdem sind die drei zurzeit an einer großen Schulsanierung beteiligt, jedoch ohne entwerferischen Anteil. „Wer fünf Wettbewerbe im Jahr machen will, muss auch Geld verdienen“, meint Guimaraes dazu pragmatisch. Auch Einfamilienhäuser sehen sie weiterhin als wichtige Aufgabe für ihr Büro, wenngleich der Bereich derzeit aufgrund der wirtschaftlichen Situationen weitgehend zum Erliegen gekommen ist. „Es ist eigentlich das einzige Feld, in das man als junges Büro hineinkommt. Und auf kleinstem Raum lässt sich hier zeigen, was man planerisch und ausführungstechnisch kann“, meint Michael Bayr.

Eines ihrer Einfamilienhausprojekte besichtigen wir im Anschluss an unser Gespräch. Es befindet sich in Friedberg im Augsburger Speckgürtel. Bayr Glatt Guimaraes haben hier zwei unabhängige Baukörper entworfen – der eine enthält eine Einliegerwohnung sowie Räumlichkeiten einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychologie der Bauherrin, der andere dient als klassisches Wohnhaus für die vierköpfige Familie. „Es ist eine hochflexible Situation, in der man sich relativ viele Szenarien ausmalen kann. Es wäre auch möglich, dass die Eltern, wenn sie später im kleineren Haus wohnen, das große verkaufen oder die Kinder dort einziehen“, erläutert Lukas Glatt. Nachhaltigkeit interpretieren die drei in diesem Zusammenhang vor allem im Sinne von Räumen, die sich in Zukunft möglichst variabel umkonfigurieren lassen.

Bayr Glatt Guimaraes Architekten, Pavillon im Park, 8. Rang von 207 Wettbewerbsbeiträgen, Realisierungswettbewerb,
Zürich 2021, Abb.: BGG

Bayr Glatt Guimaraes Architekten, Pavillon im Park, 8. Rang von 207 Wettbewerbsbeiträgen, Realisierungswettbewerb, Zürich 2021, Abb.: BGG

Durch die Aufteilung in zwei Bauvolumen entstand nicht nur ein kleiner Vorplatz zur Straße, auch nach hinten differenziert sich der Garten auf dem dreieckigen Grundstück in verschiedene Zonen aus. Sogar die Einliegerwohnung erhält auf diese Weise einen privaten Außenbereich, der, wie auch der Garten des Haupthauses, von der stark befahrenen Straßenseite abgeschirmt ist. Das Nadelholz der Fassade ist inzwischen gleichmäßig ergraut und schimmert silbrig, zur Straße bleibt sie eher verschlossen und öffnet sich vor allem nach Süden zum Garten, der von einem kleinen Bach durchzogen ist. Ganzer Stolz der Bauherren ist zudem ein großzügiger Wohnraum im Obergeschoss, von dem aus man eine wunderschöne Aussicht auf die Umgebung und die Friedberger Altstadt hat.

Lukas Glatt beschließt die Besichtigung mit einem erneuten Plädoyer: „Es wäre sinnvoll, junge Menschen die Aufgaben übernehmen zu lassen, für die sie brennen und die eng mit ihrer Lebenssituation verbunden sind. Das betrifft nicht nur Einfamilienhäuser, sondern beispielsweise auch Kitas und Grundschulen. Schließlich bringt man dort täglich die Kinder hin, man ist unmittelbar betroffen – warum sollte jemand, der 60 Jahre alt ist, das besser bearbeiten können? Das erscheint mir schlichtweg unverständlich. Meiner Ansicht nach sollte dies ganz oben auf die Tagesordnung!“
Elina Potratz

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