Gespräche mit Susanne Wartzeck

Im Gewächshaus

Vor der BDA-Bundesvorstandssitzung, die im März im Eiermann-Bau in Apolda stattfand, trafen sich BDA-Präsidentin Susanne Wartzeck und Die Architekt-Chefredakteurin Elina Potratz in einem der darin stehenden Gewächshäuser, die von der Stiftung Baukultur Thüringen als Büro- und Besprechungsräume genutzt werden. Das Raum-im-Raum-Konzept wurde im Rahmen der 2023 abgeschlossenen IBA Thüringen ersonnen, um die großen Räumlichkeiten des ehemaligen Industriebaus niedrigschwellig nutzen und klimatisieren zu können. Im Gespräch ging es dabei um die Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum, bei der Reformbedarf nicht nur aus Sicht von Architektinnen und Architekten besteht.

Elina Potratz: Wenn wir über das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen, ist es eigentlich schade, dass wir das als zwei Frauen tun. Denn es gibt oft die Tendenz, dass dies als „Frauenthema“ gesehen wird – dabei betrifft es ja Eltern insgesamt.

BDA-Präsidentin Susanne Wartzeck, Foto: Klaus Hartmann

Susanne Wartzeck: Das stimmt. Man kann aber zum Glück feststellen, dass sich zunehmend auch junge Männer in das Thema einbringen. Es ist ja eine gesellschaftliche Frage: Wer betreut die Kinder, wer macht die Care-Arbeit? Es braucht jedoch eine gewisse Zeit, bis hier eine spürbare Veränderung eintritt. Wenn es um die unternehmerische Perspektive geht, erinnere ich mich noch an die Denkweise meines Vaters, der Personalchef war. Bei einer Mitarbeiterin, die zwischen 25 und 40 war, wurde immer mitgedacht: Wie lange bleibt sie noch hier? Wann bekommt sie ein Kind? Das betraf nur Frauen – heutzutage ist das im Wandel begriffen, aber es ist eben noch deutlich häufiger ein Frauenthema.

Wie ist es aus Ihrer persönlichen Perspektive? Sie haben mit Ihrem Mann parallel eine Familie und ein Büro gegründet.
Wir haben im Grunde das Büro gegründet, weil ein Kind unterwegs war und keiner von uns beiden sich vorstellen konnte, nicht mehr zu arbeiten. Also haben wir entschieden, dass wir beide zu Hause bleiben und gemeinsam unsere ersten Projekte bearbeiten. Wir waren uns nicht sicher, ob wir damit überhaupt Geld verdienen können, auch insgesamt war die Situation 1994 / 95 auf dem Arbeitsmarkt schwierig, und wir hatten nicht wirklich eine große Chance auf einen gut bezahlten Job.

Wären Sie aber angestellt gewesen, hätte sich eine Person entscheiden müssen, zu Hause zu bleiben?
Ja, so waren die Rahmenbedingungen auf dem Land. Bei uns gab es keine Kita, beziehungsweise erst ab drei Jahren. Man wäre also andernfalls darauf angewiesen gewesen, privat eine Person zur Betreuung zu finden.

Eiermannbau mit Gewächshausbüro, Apolda, Foto: Elina Potratz

Ihre Selbstständigkeit hat Ihnen die Situation also erleichtert?
Genau, es war eine bessere Alternative, weil wir flexibel waren. Wir konnten uns abwechseln, wir konnten schauen, wer gerade was projektbezogen tun musste. Man konnte einander den Rücken freihalten.

Gab es auch negative Aspekte?
Wir haben dann beide noch das Architekturstudium begonnen, denn wir waren bis dahin Innenarchitekten und wollten das Architekturstudium nachholen. Rückblickend war es nicht einfach: gleichzeitig Bürogründung, Kind und Studium. Doch wir hatten immer den Anspruch, dass wir im Falle einer Trennung beide eine Grundlage für unser Leben haben sollten und keine Person wegen des Kindes zurückstecken muss. Das hätten wir als unfair empfunden und ich glaube immer noch, dass es richtig war, so zu handeln – obwohl es in Bezug auf äußere Umstände, wie etwa steuerliche Angelegenheiten, besser gewesen wäre, wenn eine Person bei der anderen angestellt gewesen wäre.

Welche Probleme oder Herausforderungen sehen Sie bei anderen Inhaberinnen und Inhabern von Architekturbüros?
Es dreht sich gerade in der Gründungsphase immer wieder um dasselbe Thema: Wie bekomme ich alles zeitlich bewerkstelligt? Das ist eine regelrechte Kunst des Zeitmanagements. Selbst wenn es inzwischen mehr Entlastung gibt, ist man immer noch an die Öffnungszeiten der Kita gebunden. Aber es stellt sich natürlich auch ab und an die Frage, was es kostet, weniger zu arbeiten und ob man diese Mehrkosten mit einem kleinen Unternehmen überhaupt erwirtschaften kann. Dann gibt es noch den Aspekt, dass nicht jede Schwangerschaft glatt verläuft, und nicht jedes Kind als kleiner Strahlemann zur Welt kommt – vielleicht bekommt man einen kleinen Schreihals, der volle Aufmerksamkeit braucht. Womöglich fällt man dann über längere Zeit aus. Damit verbunden ist die Frage: Kann ich genug für meine Rente einzahlen? Kann ich genug zurücklegen? Das sind alles Aspekte, die erst einmal nachteilig sind, ganz egal, ob sie die Frau oder den Mann betreffen. Die biologischen Aspekte sind zwar zunächst auf Seiten der gebärenden Person, aber wenn das Kind auf der Welt ist, kann es durchaus auch den Partner oder die Partnerin betreffen.

Eiermannbau, Apolda, Foto: Thomas Müller, Stiftung Baukultur Thüringen / IBA Thüringen

Der Bundesverband der Freien Berufe BFB, in dem auch der BDA Mitglied ist, hat eine Initiative angestoßen, in der es um die Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum aus Sicht der Gesamtheit der freien Berufe geht. Was sind dort die Themen, die man angehen möchte?
Es geht hier zum einen um die Frage der Absicherung, die für einen Freiberufler ganz anders ist als für jemanden, der in einer gesetzlichen Krankenversicherung und einer gesetzlichen Rentenversicherung ist. Hinzu kommt, dass man meist noch jung ist und am Anfang der Karriere steht. Eine Familie zu gründen, stellt also ein höheres Risiko dar und wirkt sich, auf lange Sicht gesehen, nachteilig aus, etwa was die Rentenerwartung betrifft.

Dann gibt es ja noch das Thema des Mutterschutzes, diese Phase kurz vor und nach der Geburt. Man müsste eigentlich meinen, dass dieser Schutz automatisch für alle gilt, aber das ist nicht der Fall – für selbstständig Tätige gilt er nicht.
Früher habe ich immer gesagt: Ich bin doch nur schwanger und nicht krank. Doch das ist eben von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Zum anderen ist es natürlich ein ganz besonderer Moment, so jemand Neues auf dieser Welt zu haben. Um diese Neugeborenen schwebt ja noch so etwas ganz Besonderes und es wäre schade, das einfach zu übergehen und sich dafür nicht die Zeit zu nehmen. Die Forderung nach einem Mutterschutz für Selbstständige ist also sehr wichtig. Es sollte eine Regelung geben, die staatliche Unterstützung bietet oder die über die Versicherung abgesichert ist. Und es wäre entscheidend, dass dieser grundlegende Schutz gewährleistet ist, ohne dass Selbstständige bereits im Voraus vorsorgen müssen, um sich ihn leisten zu können.

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