studioinges bauen am Darmstädter Saladin-Eck

Schlüssig auf legendärem Terrain

Groß war der Aufschrei in Darmstadt, als vor gut fünf Jahren verkündet wurde, dass in der Holzstraße anstelle des Eckhauses von „Elektro-Saladin“ – inzwischen zur Institution geworden – ein Hotel mit 120 Betten entstehen sollte. Mit Hotelbauten mit geringem gestalterischen Anspruch hatte man in Darmstadt, wie in anderen Städten auch, erst in jüngster Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht: In unmittelbarer Nähe zu Staatsarchiv und Schloss hatte sich eine Hotelkette mit einem Neubau recht prominent im Stadtraum positioniert. Keine 500 Meter Luftlinie von dieser Stelle, so die Befürchtungen vieler, drohe nun das gleiche Schicksal. Auch der lokale BDA trat für einen offenen Wettbewerb anstelle dieser Planungen ein.

Genau ein solches Verfahren hat es in Folge des breiten Protests schließlich gegeben und das im September veröffentliche Ergebnis ist einmal mehr die Bestätigung für die Richtigkeit des Wettbewerbswesens. Den Bauplatz an der Kreuzung der Straßen Holzstraße, Landgraf-Georg-Straße, Marktplatz und Schlossgraben wird das Berliner Büro studioinges beplanen. Die Ecke spielt im öffentlichen Leben der Stadt eine relevante Rolle. Das Areal gehört zu einem der wenigen erhaltenen mittelalterlichen Ensembles und bildet in seiner zentralen Lage die Kulisse für Volksfeste wie das Heinerfest oder für Events wie das Schlossgrabenfest. Legendär ist die Lage auch wegen des angrenzenden ältesten Clubs der Stadt, der „Krone“, und auch weil die Kreuzung alljährlich als Treffpunkt der Abiturienten der Stadt lahmgelegt wird.

Rein architektonisch findet sich hier ein buntes Allerlei diverser Zeiten. Die direkten Nachbarn des Baufeldes sind die schon genannte „Krone“ in barockem Kleid und die charmante Nachkriegsbebauung entlang des Marktplatzes. Vis à vis befindet sich das ebenfalls barocke Schloss, auf der anderen Seite des Schlossgrabens das hexagonale Hörsaalgebäude aus der Feder von Ernst Neufert aus den frühen 1970er Jahren sowie eine nichtssagende Investorenarchitektur an der Ecke der B26.

Die Gestalter von studioinges gehen zunächst pragmatisch vor, nehmen in ihrem Entwurf Vorhandenes auf und führen Traufhöhen und Gebäudefluchten der Nachbargebäude auf, staffeln den Gebäudekörper zur Straßenecke zu fünf Geschossen auf und versehen ihn im Blockinneren mit abtreppenden Südterrassen: Was banal klingt, ist in der Summe ein erstaunlich schlüssiges Ganzes.

Die Fassade wird verputzt, die Fenster erhalten Rahmen und Lüftungsöffnungen aus Messing. Das Erdgeschoss wird geöffnet, denkbar sind im geplanten offenen Raum sowohl die Nutzung der gesamten Fläche als auch ihre Teilung, so dass Einzelhandel, Ausstellungsflächen

oder Gastronomie hier Einzug halten könnten – die Anlieferung erfolgt über den Hof und die Durchfahrt des Nachbargebäudes. Das Aufnehmen der Geschosshöhen der angrenzenden Gebäude spiegelt sich nicht nur in den Fassaden, sondern auch im Inneren des Neubaus: Split-Level schaffen vier miteinander verbundene Büroebenen, die sich um einen zentralen Erschließungskern nach oben winden. Dennoch ist das gesamte Haus durchgängig barrierefrei und ohne benachteiligende Wegeführung konzipiert.

Statisch tragend sind nur der Kern und die Außenwände, was zu einer großen Flexibilität im Inneren führt. Die gesamte Bürofläche von mehr als 800 Quadratmetern kann zusammenhängend genutzt oder – analog zu den Geschossen – in bis zu vier Einheiten unterteilt werden. Francesca Saetti, Thomas Bochmann und Stefan Schwirtz von studioinges haben sich auch Gedanken zum Wohnungskonzept gemacht, das in den beiden oberen Geschossen angedacht ist. Hier schlagen sie eine Form des gemeinschaftlichen Wohnens vor, die großzügige, gemeinsame Wohnbereiche mit Panoramafenster und Dachterrassen durch optimierte private Bereiche ermöglicht.

Es ist der Stadt und dem Ort zu wünschen, dass der einstimmigen Empfehlung des Preisgerichts um den Juryvorsitzenden Ferdinand Heide (Architekt, Frankfurt/Main) Folge geleistet wird und die mit dem ersten Preis ausgezeichnete Arbeit der weiteren Planung zugrunde gelegt wird. Der Ort mitten in Darmstadt würde davon profitieren.

David Kasparek

 

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Ansicht Marktplatz, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Ansicht Marktplatz, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Ansicht Holzstraße, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Ansicht Holzstraße, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Schnitt CC, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Schnitt CC, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Schnitt BB, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Schnitt BB, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Schnitt AA, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Schnitt AA, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Grundriss 4. OG, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Grundriss 4. OG, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Grundriss 3. OG, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Grundriss 3. OG, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Grundriss 2. OG, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Grundriss 2. OG, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Grundriss 1. OG, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Grundriss 1. OG, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Grundriss EG, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Grundriss EG, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Lageplan, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Lageplan, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Rendering, Abb.: studioinges

studioinges, Saladin-Eck, Darmstadt 2015 ff., Rendering, Abb.: studioinges

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