Buch der Woche: Eine Werkschau von Helmut Jahn

Viertlböck, Betsky, Jahn

Über die Qualitäten postmoderner Architektur wurde in letzten Monaten viel geschrieben. Eine Art Wiederentdeckung dieser Epoche mit fast begeisterten Freudenbekundungen vor allem jüngerer Architekten und Architekturinteressierter fand in der jüngsten Vergangenheit statt, die letztes Jahr ihren vorläufigen Höhepunkt in der Ausstellung „MISSION: POSTMODERN – Heinrich Klotz und die Wunderkammer DAM“ im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt fand. Begleitet wird das Phänomen „Wiederentdeckung der PoMo“ seitdem von einer stetig wachsenden Gruppe im Sozialen Netzwerk Facebook, wo unter dem Titel „Postmodernism Appreciation Society“ Bilder postmoderner Bauten geteilt und diskutiert werden. Da erscheint es nur logisch, dass das Gesamtwerk eines Architekten, der wohl seine kreativste Phase in eben jener Epoche hatte, nun eine fulminante Würdigung erfährt. Das im Münchner Verlag Schirmer/Mosel erschienene Buch „Helmut Jahn Buildings 1975-2015 Photographs Rainer Viertlböck“ feiert das Gesamtwerk des 1940 in Franken geborenen Architekten auf mehr als 200 Seiten. Der Fotograf Rainer Viertlböck hat dafür alle Bauten des Œuvres auf 184 Fototafeln in Farbe und Duotone zusammengetragen.

Man muss die Bauten aus der Feder des umtriebigen Architekten nicht unbedingt lieben, um die Qualität der Fotos zu erkennen und Freude an dieser Publikation zu haben. Entsprechend kann man sich das Buch als Gemeinschaftsprojekt zweier Menschen vorstellen, die einander kennen und schätzen, was sich in den Fotografien des Münchners Viertlböck niederschlägt. Helmut Jahn selbst hatte das einst trefflich umschrieben: „Rainer Viertlböck war der erste Photograph, dem ich nicht sagen musste, welche Photos er machen soll oder aus welchem Winkel. Durch seine photographische Interpretation bekam ich einen neuen Blick auf die frühen Bauten.“

Die Bedeutung des architektonischen Werks von Helmut Jahn wird einem spätestens bewusst, ruft man sich vor Augen, dass er neben den beiden Pritzker-Preisträgern Gottfried Böhm und Frei Otto, sowie Meinhard von Gerkan im Juli dieses Jahres zu einer Matinée zu Ehren der Architektur ins Schloss Bellevue eingeladen und Ehrengast war. Der Text von Aaron Betsky, der dem Buch – neben dem Vorwort der Herausgeberin Nicola Borgmann – vorangestellt ist, macht das deutlich. Klugerweise sieht Betsky seinen Beitrag hier auch nicht als Beschreibung der Fotos, sondern vielmehr als einen bewusst gesetzten Kontrapunkt zu ihnen. Der Text ist insofern bemerkenswert, als dass Betsky ein noch nicht abgeschlossenes architektonisches Werk klug in seine bauliche Historie einordnet und sich nicht mit bloßen Umschreibungen des Gesehenen zufrieden gibt. Sein Text macht das Buch zu mehr als einem „Coffee Table Book“ – und dieses Mehr lohnt ebenso wie Viertlböcks Fotografien.

Helmut Jahn, der 1967 in das Architekturbüro C. F. Murphy Associates von Charles Murphy (1890–1985) eintrat, übernahm 1983 die Leitung des Büros, das bereits seit 1979 den Namen Murphy/Jahn trug. Seit Ende Oktober 2012 heißt die Firma nur mehr JAHN und wird von Helmut Jahn und Francisco Gonzalez-Pulido geführt. Das Buch macht seinen illustrierten Aufschlag im Jahr 1971, mit dem ersten von Jahn im Büro C. F. Murphy Associates verantworteten Bau. Der McCormick Place entstand in Chicago gemeinsam mit Gene Summers. Das Ende bilden jene „neueren Container“ (Betsky), die Jahn nach seinen elaborierten geometrischen Versuchen der 1980er und -90er Jahre zu einer Marke der globalisierten Architekturwelt haben werden lassen. Beeindruckend ist hier einmal mehr die gestalterische Metamorphose eines Architekten in seiner jeweiligen Zeit. Die Architekturgalerie in der Münchner Türkenstraße zeigt noch bis zum 24. Oktober 2015 die Ausstellung „Helmut Jahn Bauten 1975-2015. Photographien von Rainer Viertlböck“, die genau diese Wandlung abbildet.

David Kasparek

Nicola Borgmann (Hrsg.): Helmut Jahn Buildings 1975-2015 Photographs Rainer Viertlböck, mit einem Text von Aaron Betsky, 232 S., 184 Tafeln in Farbe und Duotone, deutsch/englisch, SCHIRMER/MOSEL VERLAG, München 2015, 68,– Euro, ISBN 978-3-8296-0723-0

Helmut Jahn, Sony Center, Berlin 2000, Foto: © Rainer Viertlböck / courtesy Schirmer/Mosel

Helmut Jahn, Sony Center, Berlin 2000, Foto: © Rainer Viertlböck / courtesy Schirmer/Mosel

Helmut Jahn, Messeturm und Messehalle, Frankfurt am Main 1991, Foto: © Rainer Viertlböck / courtesy Schirmer/Mosel

Helmut Jahn, Messeturm und Messehalle, Frankfurt am Main 1991, Foto: © Rainer Viertlböck / courtesy Schirmer/Mosel

Helmut Jahn, O’Hare Airport, Passenger Tunnel, Chicago 1987, Foto: © Rainer Viertlböck / courtesy Schirmer/Mosel

Helmut Jahn, O’Hare Airport, Passenger Tunnel, Chicago 1987, Foto: © Rainer Viertlböck / courtesy Schirmer/Mosel

Nicola Borgmann (Hrsg.): Helmut Jahn Buildings 1975-2015 Photographs Rainer Viertlböck, mit einem Text von Aaron Betsky

Nicola Borgmann (Hrsg.): Helmut Jahn Buildings 1975-2015 Photographs Rainer Viertlböck, mit einem Text von Aaron Betsky

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