Denise Scott Brown als Internet-Phänomen

Scott-Brown-Meme

Als „Meme“ bezeichnet man Internet-Phänomene, wo bestimmte Inhalte sich verselbständigen  und von Usern weltweit weitergestrickt werden. Bekannte Bespiele sind die abertausenden Fotocollagen, die aus der Jubelpose des italienischen Stürmers Mario Balotelli nach dessen zweitem Tor im Fußball-EM-Halbfinale im letzten Jahr gebastelt wurden oder die ermüdend lange Reihe von Videos, die Interpretationen des sogenannten „Harlem-Shake“ auf diversen Videoplattformen im Netz zeigen.

Etwas ähnliches wiederfährt momentan der US-amerikanischen Architektin Denise Scott Brown – wenn auch nicht auf Harlem-Shake-Level. Ende März hatte sie sich im Architect´s Journal zur öffentlichen Wahrnehmung von Frauen in der Architektur geäußert: Und das durchaus kritisch, indem sie noch immer bestehende unsichtbare Barrieren beim Aufstieg auf der Karriereleiter („glass ceiling“) ansprach, die sich junge Frauen, so sie nichts über Feminismus wüssten, sogar selbst ankreiden. In diesem Kontext kam Scott Brown auch auf ihre Rolle in der gemeinsamen Arbeit mit ihrem Partner Robert Venturi zu sprechen. Die Lebens- und Büropartner waren mit ihrer praktischen wie theoretischen Arbeit ab den 1970er Jahren zu den Helden der Postmoderne geworden. Sowohl mit dem gebauten Werk von Venturi Scott Brown and Associates als auch mit dem Text „Learning From Las Vegas“ (mit Steven Izenour, 1972) setzten beide gemeinsam Maßstäbe, die bis heute Gültigkeit haben. 1991 wurde jedoch nur Robert Venturi mit dem Pritzker-Architektur-Preis ausgezeichnet. Denise Scott-Brown nennt das im Architect´s Journal „sehr schade“ und führt aus: „Sie schulden mir keinen Pritzker-Preis, aber eine ‚Pritzker-Zurechnungs-Zeremonie‘. Lasst der Idee von gemeinschaftlicher Kreativität ihre Ehre erweisen.“

Auf dem Architektur- und Gestaltungs-Blog dezeen gab es daraufhin einen Artikel, auf der online-Petition-Plattform change.org gar den konkreten Aufruf an das Pritzker-Preis-Komitee, den Anteil von Denise Scott Browns Arbeit am Werk von Robert Venturi anzuerkennen. Aktuell haben bereits über 5.000 Unterstützer diese online-Petition unterschrieben. Unter anderem auch Robert Venturi selbst: „Denise Scott Brown is my inspiring and equal partner.” Begleitet wird die Diskussion durch weitreichende Beiträge auf facebook und twitter, in denen sich diverse – auch bekannte – Architekten und Kritiker für eine solche Anerkennung stark machen.

In der Tat gab es in der Vergangenheit Fälle, in denen ausdrücklich zwei Partner eines Büros ausgezeichnet wurden. So 2001, als Jacques Herzog und Pierre de Meuron den Preis erhielten oder 2010 bei der Auszeichnung von  Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa. In einem der Beiträge auf facebook macht Peter Cachola Schmal aber auch darauf aufmerksam, dass im letzten Jahr mit Wang Shu erneut nur der Mann einer Büro- (und Lebens-) Partnerschaft prämiert wurde, nicht aber seine Frau Lu Wenyu. Und so fordert Andreas Ruby ebenfalls auf facebook nicht nur Denise Scott Brown rückwirkend zu würdigen, sondern ein für alle Mal Abstand zu nehmen vom Mythos des einzelnen genialen Egos, entstünde Architektur doch im Team und schließlich übertreffe in den meisten Architekturbüros die Zahl der Frauen ohnehin die der Männer.
David Kasparek

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