neu im club

Stadtbildpflege

Christina Jagsch, Jagsch Architekten BDA, Kaiserslautern

Zwischen den Fußballkneipen „Rote Teufel“ und „Stammhaus Zur Walterelf“ öffnet sich der Blick auf den Betzenberg mitsamt des legendären Stadions, das für die Dritte Liga, in die der 1. FC Kaiserslautern abgerutscht ist, doch etwas überdimensioniert wirkt. Neben der „Walterelf“, dem Geburtshaus von Fritz und Ottmar Walter, befindet sich das Büro von Jagsch Architekten. Das Gespräch mit Inhaberin Christina Jagsch kommt unweigerlich auf die Stadt Kaiserslautern zu sprechen. Die ehemalige Industriehochburg der Pfalz hat sich inzwischen zum Wissenschafts- und IT-Standort entwickelt, doch hinterlässt solch ein Strukturwandel bekanntermaßen nicht nur positive Spuren. Die Probleme im Stadtteil Kalkofen, der als sozialer Brennpunkt gilt, lockten vor einigen Jahren ein Fernsehteam, deren Dokumentation ein Quotenerfolg wurde und das öffentliche Bild der Stadt prägte. Hinzu kommt, dass die Auftritte auf der großen Fußballbühne mittlerweile der Vergangenheit angehören: „Früher hatten wir alle zwei Wochen eine andere Großstadt zu Gast“, erinnert sich Jagsch.

Jagsch Architekten BDA, Pluspunkte, mit Stadtverwaltung Kaiserslautern, 2009 und 2017, Foto: JA

Jagsch Architekten BDA, Pluspunkte, mit Stadtverwaltung Kaiserslautern, 2009 und 2017, Foto: JA

Geboren in Kaiserslautern, wollte sie eigentlich zum Architekturstudium nach Darmstadt oder Aachen gehen. Die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze jedoch wies ihr einen Platz an der durchaus renommierten Technischen Universität ihrer Heimatstadt zu. Nach dem Studium zog sie dann nach Berlin, um sich loszueisen – fand Anfang des Jahrtausends allerdings trotz überzeugenden Diploms keine Stelle auf dem leergefegten Arbeitsmarkt. Zur gleichen Zeit ergab sich die Möglichkeit, für Bekannte ein Haus in Kaiserslautern zu bauen. So kehrte sie zurück und schloss ihren Frieden mit einer Zukunft in ihrer Heimatstadt: „Jeder kann weggehen – aber zu bleiben und hier was zu machen, ist etwas anderes. Es liegt ja auch an uns, was hier passiert.“ So hat sie beispielsweise das Projekt „Pluspunkte“ initiiert, bei dem sie mit Wegmarken in Form von Pluszeichen auf besondere Orte in strukturschwachen Stadtteilen hinwies, um die Identifikation der Bewohnerinnen und Bewohner mit ihrem Viertel zu stärken.

Jagsch Architekten BDA, Gedenkstätte St. Christoph, Mainz 2018, Abb.: JA

Jagsch Architekten BDA, Gedenkstätte St. Christoph, Mainz 2018, Abb.: JA

Bevor sie sich 2011 mit Jagsch Architekten selbstständig machte – ein Büro, das aktuell sechs Personen umfasst –, gründete sie mit ihrem langjährigen Kollegen Hannes Fröhlich eine Architekturabteilung im Bauingenieurbüro ihres Vaters. Diese führten sie eigenständig: „Es war kein Selbstläufer. Wir haben Klinken geputzt, uns überall vorgestellt und erstmal kleine Projekte bekommen, zum Beispiel haben wir in einem öffentlichen Gebäude die WCs im Keller umgebaut.“ Hinter diesem Vorgehen steckte Methode: „Wir wollten erst einmal bauen, um zeigen zu können: Wir haben Erfahrung; wir wissen, wie es geht.“ Dabei wuchs die Komplexität der Bauvorhaben stetig. Daneben bleiben für Wettbewerbe seit jeher nur wenige Kapazitäten, obwohl Jagsch gerne regelmäßiger teilnehmen würde. Und als sie sich jüngst am Wettbewerb für eine Gedenkstätte anstelle des kriegszerstörten Turmhelms einer Mainzer Kirche beteiligte, erhielt sie einen ersten Preis.

Jagsch Architekten BDA, Industriehalle mit Sozialtrakt, Eisenberg 2007, Foto: JA

Jagsch Architekten BDA, Industriehalle mit Sozialtrakt, Eisenberg 2007, Foto: JA

Noch mehr als das innerstädtische Bauen interessieren Christina Jagsch die peripheren Lagen der Gewerbegebiete: „Ich finde es gut, da zu bauen, wo man Architektur nicht erwartet – wo andere denken: ‚Ist es dort so wichtig?‘ Ich finde es gerade dort wichtig.“ Als sie noch im Ingenieurbüro arbeitete, wurde sie gebeten, ihre Perspektive als Architektin in einige Projekte einzubringen. So entwarf sie unter anderem den Sozialtrakt einer Industriehalle als gemauertes und orange verputztes „Haus im Haus“, das sich nach außen deutlich gegen die silberne Metallfassade der Halle absetzt. Die Gestaltungshoheit lag von vornherein bei ihr: „Mein Vater hat sich nicht eingemischt, er hat uns einfach machen lassen. Er hat sehr gut unterschieden zwischen seiner Kompetenz und unserer.“ Und auch von Seiten der Bauherren kamen keine Nachfragen angesichts der aufwendigeren Lösung: „In der Industrie ist es nicht so klassisch wie mit den Bauherren von Einfamilienhäusern. Mit denen trifft man sich ja sehr oft und redet über jede Kleinigkeit. Dort war es so, dass wir beim Bauantrag einmal gezeigt haben, dass wir das Ding orange machen, und es wurde nicht groß darüber diskutiert. Dann war das halt so.“ Ihre Aufgabe innerhalb des Büros war eindeutig: „Die Ingenieure haben Hallen gebaut und dann hieß es an uns: ‚Macht die mal besser.‘ Wir hatten immer das Gefühl, wir müssten etwas retten. Das hat uns gefallen.“

Jagsch Architekten BDA, Industriehalle mit Sozialtrakt, Eisenberg 2007, Foto: JA

Jagsch Architekten BDA, Industriehalle mit Sozialtrakt, Eisenberg 2007, Foto: JA

Jagsch Architekten BDA, Kundenservice, Stadtbildpflege Kaiserslautern 2017, Foto: Gürel Sahin

Jagsch Architekten BDA, Kundenservice, Stadtbildpflege Kaiserslautern 2017, Foto: Gürel Sahin

Einen entscheidenden Schritt auf ihrem Weg in die Randgebiete hat Jagsch mit ihrem bislang bekanntesten Projekt getan: dem Kundenservice der Stadtbildpflege Kaiserslautern. Hinter diesem schillernden Namen verbirgt sich der Entsorgungsbetrieb der Stadt, der zudem für die Grünanlagen zuständig ist. Zweckbauten prägen den Campus vor den Toren der Stadt. Der zweigeschossige Verwaltungsbau aus den siebziger Jahren ist mit Waschbetonplatten verkleidet, durchzogen von Fensterbändern mit Rahmen in sattem Gelb. Davor erstreckt sich nun der eingeschossige Neubau – bis auf einen Übergang leicht abgerückt, um nicht die Fenster des Bestands gänzlich zu verstellen. Bezug auf das Vorhandene nimmt er mit einem Fensterband an der Längsseite, dessen Laibungen in ihrem Verlauf von Rot nach Gelb auch den Farbton der Bestandsfenster streifen.

Jagsch Architekten BDA, Kundenservice, Stadtbildpflege Kaiserslautern 2017, Foto: JA

Jagsch Architekten BDA, Kundenservice, Stadtbildpflege Kaiserslautern 2017, Foto: JA

An diesen Auftrag gekommen sind Jagsch Architekten mit ihrer bewährten Methode. Über selbst aufgebaute Kontakte bei der Stadt konnten sie sich zuerst beim Umbau einer Kantine bewähren, bevor sie mit dem Neubauprojekt betraut wurden. In die Konzeption der Räume band der Bauherr die Belegschaft mit ein, sodass Christina Jagsch ihren Entwurf vermitteln musste: „Ich versuche, in der Kommunikation viel über Modelle zu machen. Etwas in der Hand zu haben und daran zu erklären, ist am einfachsten. Das architektonische Konzept erläutere ich nicht immer. Ich finde es wichtig, dass es das gibt, dass wir einen roten Faden haben – aber ich glaube, wenn man den Bauherren alles eins zu eins mitgibt, überfordert man sie.“ Und so arbeitete sie zum Beispiel mit Pappwänden in Originalgröße, um für die späteren Nutzerinnen und Nutzer die Raumsituation erfahrbar zu machen – und mit perspektivischen Fassadenansichten an kleinen Holzstäben im Stile von Stabfiguren im Kindertheater, um von einem bestimmten Punkt des Hofes aus die spätere Wirkung zu simulieren. Auf diese Weise konnte sie den Bauherren davon überzeugen, die Faserzementplatten in schwarz zu wählen.

Neben der Arbeit im eigenen Büro ist Christina Jagsch auch in der Lehre aktiv. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin sucht sie den Ausgleich zu den manchmal auch trockenen Alltagsaufgaben: „Dadurch kann ich mich immer wieder selbst überprüfen: Wird es noch so gemacht, wie ich es mache, oder bewegt es sich woanders hin? Wie weit will ich mitgehen, wo will ich nicht mitgehen?“

Jagsch Architekten BDA, Pavillon, Entwurf, Kaiserslautern 2018

Jagsch Architekten BDA, Pavillon, Entwurf, Kaiserslautern 2018

Unter anderem beobachtet Christina Jagsch eine Rückkehr des Ornaments, an das sie sich – eigentlich im Geist der Moderne ausgebildet – nun auch vorsichtig heranwagt. Für einen Pavillon, den ein lokaler Geschäftsmann der Stadt schenken wollte, entwarf sie eine beinahe ornamentale Konstruktion aus weiß beschichtetem Stahl. Vorerst gescheitert ist das Projekt nun allerdings, weil es nicht an der Stelle umsetzbar ist, die der Stifter zur Bedingung seiner Finanzierung machte. So droht Kaiserslautern ein attraktiver öffentlicher Veranstaltungs- und Treffpunkt zu entgehen. Noch hat Jagsch aber nicht ganz aufgegeben. Vielleicht, so ihre Hoffnung, nimmt die Stadt den Bau nach dem Rückzug des Sponsors irgendwann selbst in die Hand. Das Präsentationsmodell jedenfalls steht noch bei der Leiterin des Referats Stadtentwicklung – und mit der überzeugenden Aura von Modellen hat Jagsch ja bisher schon einige positive Erfahrungen gemacht.
Maximilian Liesner

www.jagsch.de

neu im club im DAZ-Glashaus
Talk mit Christina Jagsch:
21. Januar 2020, 19.00 Uhr
Werkschauprojektion:
22. Januar 2020 – 8. März 2020

www.daz.de
www.neuimclub.de

Medienpartner: www.marlowes.de

neu im club wird unterstützt von
Heinze sowie den BDA-Partnern.

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