der schöne gebrauch

Storytelling: BMW und der Versuch, das Auto der Zukunft zu bauen

Produkte sind nicht immer gleich gut. Es gibt legendäre Serien, die sich trotz ihrer überlegenen Qualität nicht gegen ihre Konkurrenz durchsetzen konnten. Aus fast jedem Produktsegment gibt es solche Anekdoten. Ein Grund für so ein Scheitern ist oft das Fehlen einer guten Geschichte, die durch das Ding an sich transportiert wird. Stimmt die Geschichte, verkauft sich das Produkt – und dabei ist fast egal, wie gut es technisch oder gestalterisch tatsächlich ist. Diese Story wiederum kann auf unterschiedlichste Weise erzählt und ausgeschmückt werden.

Apple ist dies über Jahre hinweg gelungen: man stilisierte sich als das Unternehmen, das trotz der Monopolstellung des scheinbar übermächtigen Konkurrenten Microsoft eisern am Ideal der guten Gestalt festhielt – und das ein stabiler laufendes Betriebssystem für grafikintensive Anwendungen bot. Seitdem Microsoft den Apple-Ideologen als Feindbild aus verschiedenen Gründen abhanden gekommen ist, wenden sich die einst treuen Jünger von der Marke mit dem Apfel ab.

Eine neue Geschichte muss her. Am besten eine, in der eine saubere und ethisch korrekte Produktion eine Rolle spielt. Das niederländische start-up Fairphone setzt ganz auf eine solche Geschichte, versucht auf unwegsamem Gelände ein möglichst fair produziertes smartphone herzustellen und scheint, obschon das Gerät den direkten Konkurrenten technisch unterlegen ist, damit Erfolg zu haben.

Nimmt man die bisherige Rezeption als Maßstab, so scheint auch BMW mit seinem „i“-Label auf der Erfolgsspur zu sein. Zwei Elektroautos wollen die Münchner mit dem vorangestellten Kleinbuchstaben – der sich als Träger der Hipness schon bei Apple bewährt hat und in Science-Fiction-Filmen für das Kommende steht – in der näheren Zukunft auf den Markt bringen. Zunächst den Kleinwagen i3, später dann den Sportler i8. Schon fast unheimlich ist dabei, welch großes Echo die Bayern damit erzielt haben. Selbst ‚Tagesthemen’ haben über die Präsentation des i3 berichtet – illustriert mit einer Collage, auf der der Wagen mit Gras bewachsen schien. Ein grünes Auto!

BMW i3, Foto: BMW

BMW i3, Foto: BMW

Und tatsächlich: Im Gegensatz zu anderen E-Mobil-Herstellern ist es BMW mit der i-Reihe schon jetzt gelungen, eine schlüssige Geschichte um das Produkt zu ranken. Hier, so der Tenor, handelt es sich nicht einfach nur um ein Auto, das statt mit einem Otto- oder Dieselmotor flugs mit einem elektrischen Antrieb versehen wurde. Nein! BMW hat, so das Bekunden der Firma, keine Kosten und Mühen gescheut, um ein wirklich ökologisches Auto zu produzieren. Die Prokuktionsstätten werden teilweise mit Windkraft betrieben, Energieversorgung und Wasserverbrauch, Lösungsmittelemissionen und Abfallaufbereitung spielen ebenfalls eine Rolle. Diese Zielsetzung erstreckt sich auf alle Standorte im BMW i Produktionsnetzwerk und umfasst die Herstellung des kohlefaserverstärkten Kunststoffs in Moses Lake im US-Bundesstaat Washington sowie die Weiterverarbeitung zu textilen Gelegen in Wackersdorf. Beide Standorte betreibt ein joint venture aus der BMW und der SGL Group.

Auch den Autos selbst sieht man an, dass es sich um „neue“ Typen handelt. Erstaunlich ist nämlich zudem, dass sich der Hersteller, neben der Mühe, die es kostet, eine völlig neue Produktionsstraße umzusetzen, auch um eine sich von der Formensprache der übrigen Modelle deutlich abhebende Gestalt gekümmert hat, ohne dabei die ästhetischen Ideale des Mutterkonzerns vollends über Bord zu werfen. Sowohl das Leuchtendesign wie das unumgängliche Symbol der sogenannten „Doppelniere“ zeigen die Abstammung von i3 und i8 an. Letztere ist ein beredtes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, an bestimmten markentypischen Signets festzuhalten: Einst Teil des Kühlergrills, ist die Doppelniere inzwischen als Logo ebenso stark wie die blau-weiß kreisenden Rotorblätter des eigentlichen Markenzeichens.

BMW i8, Foto: BMW

BMW i8, Foto: BMW

Völlig neue Wege beschreiten die Designer jedoch bei der Flächenbehandlung der beiden Wagen. Die Materialität mit ihren kohlefaserverstärkten Kunststoffen (CFK) wird auch formalästhetisch am Äußeren der Autos ablesbar. Dieses CFK wird, vereinfacht dargestellt, in drei Schritten produziert. Zunächst wird die eigentliche Kohlefaser hergestellt, die dann in unterschiedlicher Orientierung zu textilen Gelegen gefügt wird. Dann werden diese sogenannten stacks in einem zweiten Schritt zugeschnitten und mit einem Heizwerkzeug in ihre Form gebracht. Abschließend bekommen die Formrohlinge unter Hochdruck Harze injiziert, was ausgehärtet zu den hervorragenden Steifigkeitseigenschaften des Materials führt. Schon bei der Herstellung der Kohlefasern in Moses Lake wird die Produktionsenergie, laut Herstellerangaben, ausschließlich regenerativ aus lokal verfügbarer Wasserkraft gewonnen.

Fast ebenso interessant wie diese technischen Komponenten der Produktion ist, dass diese Stofflichkeit einen formalen Ausdruck im Karosseriedesign gefunden hat. Vermeintlich mehrere textile Schichten scheinen um das Chassis gewirkt. Besonders deutlich wird diese Zwiebeltechnik mit verschiedenen Lagen im Bereich der Kotflügel und dort, wo Autos einst Stoßstangen hatten – also an den vorderen und hinteren Wagenabschlüssen. Offenkundig hat die Möglichkeit, den Automobilen ein zumindest in Ansätzen innovatives Äußeres geben zu können (oder zu müssen), die Gestalter um BMW i Chefdesigner Benoit Jacob jedoch etwas zu sehr beschwingt. Einige Kurven und Schwünge weniger hätten den beiden Modellen eher gut getan. Sehr deutlich wird das in den Seitenansichten beider Typen – und hier vor allem in der unteren Fensterlinie des kleinen i3 und den überzeichneten Linien zwischen Tür, Kotflügel und Bodenabschluss des i8.

Trotz der immens hohen Preise könnte BMW mit beiden i-Modellen also auf dem richtigen – sprich erfolgreichen – Weg sein. Die Geschichte stimmt. Und für gute Geschichten, die die nötige Identifikation stiften, haben sich schon immer Leute begeistern können. Ob das Auto aber überhaupt das geeignete Transportmittel für die Stadt der Zukunft ist, das wiederum ist eine ganze andere Geschichte.

David Kasparek

Fotos: BMW

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