Ein Archiv zur Großen Bergstraße in Hamburg

Street Stories

Schön oder hässlich, modern oder muffig, kulturalisiert oder kapitalisiert, bauhistorisch wertvoll oder eindeutig abrissbedürftig? Die Meinungen über die Große Bergstraße in Hamburg-Altona gehen weit auseinander. Die einstmals kleinbürgerliche Geschäftsstraße des 19. Jahrhunderts wurde zum Teil im Zweiten Weltkrieg zerstört und war in den 1960ern mit der Fußgängerzone Neue Große Bergstraße und dem Einkaufszentrum Frappant gefeiertes Schmuckstück des Städtebaus der Nachkriegsmoderne. Schmerzhaft im Gedächtnis vieler Altonaer blieb, dass so manche Altbauten, die dort zuvor noch standen, gar nicht abrissbedürftig gewesen waren – an ihrem Erhalt allerdings damals kein Interesse bestand. Bereits in den 1980ern verödet, ging die Straße schließlich in den bekannten Kreislauf der (Rück-)Eroberung durch sogenannte Raumpioniere, Zwischennutzungen durch Künstler und Vermarktung durch große Investoren ein. Vorläufiger Höhepunkt war der Abriss des 1973 fertiggestellten Frappant-Gebäudes von Peter Neve und Partner ab 2010 und die Errichtung des 2014 eröffneten Ikeas Altona. Dort läuft mittlerweile das Geschäft mit Köttbullar und Hot Dogs besser als mit Billy und Klippandie Auslastung des Kinderparadieses ist höher als jene der Möbelabteilung. Insgesamt versammelt die Große Bergstraße einige äußerst interessante städtebauliche und stadthistorische Situationen, wie ein Text von Silvia Necker noch einmal ausführlich darlegt. Darüber hinaus ist das Sanierungs- und Stadtumbaugebiet Große Bergstraße/Nobistor derzeit Thema unter Stadtplanern und in Bürgerwerkstätten und wird innerhalb der Erstellung des Gesamtkonzepts „Integrierte Stadtteilentwicklung in Altona-Altstadt“ diskutiert.

Ein Projekt im Rahmen des Hamburger Architektursommers möchte nun die Schichten und Geschichten rund um die Große Bergstraße sichtbar machen. Die Künstlerin Johanna Klier lädt Zeitzeugen, Anwohner und Interessierte ein, zusammen mit ihr das „Archiv Große Bergstraße“ aufzubauen. „Hier werden Dinge zusammen getragen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht“, heißt es im Ankündigungstext. „Materialien wie (Zeitungs-)Artikel, Bilder, fotografische Dokumentationen sowie filmische Ausschnitte und akustische Erfahrungen im Stadtraum ergänzen den gegenwärtigen Ort Große Bergstraße um Eindrücke, Erinnerungen, Ereignisse und längst Vergessenes.“ Filmische und Audiobeiträge der Künstlerinnen Doro Carl und Sylvia Necker vervollständigen die Ausstellung. Beginnend mit dem 17. Juli soll über zehn Tage hinweg das Archiv Große Bergstraße zu einem Ort heranwachsen, „an dem Erinnerungen an Deutschlands erste großstädtische Fußgänger-Einkaufszone zusammenlaufen und so angeordnet werden, dass die gegenwärtigen Veränderungen in einen Zusammenhang gebracht werden können.“

Das Meinungsbild zur Großen Bergstraße wird hernach bestimmt nicht monochromen gemalt werden – aber vielleicht kommen zu den Komplementärkontrasten noch ein paar Zwischentöne.

Juliane Richter

Archiv Große Bergstraße
17. bis 26. Juli 2015
Eröffnung: Freitag, 17. Juli, 19.00 Uhr
Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag, 15.00 – 20.00 Uhr
Eintritt frei

Weitere Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung:
18. Juli 2015: Memory Maps / Annette le Fort
23. Juli 2015: Die Karte im Kopf. Ein Workshop zur räumlichen Orientierung in der Großen Bergstraße / Kathrin Wildner

Frappant in der Viktoria-Kaserne

Zeiseweg 9
Eingang über den Hinterhof in der Bodenstedtstraße
22765 Hamburg

Fotos: Johanna Klier

 

 

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