Tatort

 Hoch hinaus fürs  junge Zentrum

Gesucht wird wieder ein Bauwerk, das eine besondere Rolle in der Architekturgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielt oder gespielt hat – sei es durch eine besondere Eigenschaft, eine ungewöhnliche Geschichte oder eine spezifische Merkwürdigkeit. Lösungsvorschläge können per E-Mail (redaktion[at]die-architekt.net) eingereicht werden. Zu gewinnen gibt es wie immer ein Buch. Einsendeschluss ist der 15. Mai 2024.

Zwei Wettbewerbe hatte es bereits gegeben, um einen überzeugenden Entwurf für ein stadtbildprägendes Kulturhaus in einer durch Kriegsschäden stark zerstörten Mittelstadt zu finden. Ein großer Teil des innerstädtischen Neuaufbaus war bereits erfolgt und die Stadtmitte sollte nun ein repräsentatives Zentrum für Veranstaltungen, Ausstellungen, eine Bibliothek und weitere Nutzungen erhalten. Doch beide Male konnte kein Vorschlag die Jury begeistern. Für den dritten Anlauf wurde daher ein anderer Weg eingeschlagen: Man lud explizit junge Architektinnen und Architekten ein. Als Resultat wurde der mehrflügelige Gebäudekomplex des „Tatorts“ als umzusetzender Siegerentwurf einer Architektin gekürt, die bei seiner Fertigstellung erst 32 Jahre alt war. Ihr Entwurf arrangiert die Baukörper der einzelnen Nutzungen auf gelungene Weise zueinander, nimmt durch die gezielte Verwendung ortstypischer Backsteine historische Bezüge auf, zeigt sich aber zum großen Teil als moderner Nachkriegsbau aus Beton und Glas – und verkörpert damit die Aufbruchstimmung seiner Entstehungszeit. Als markantester Teil des entstandenen Ensembles reckt sich ein schlanker Turm mit 15 Etagen (inklusive Aussichtsplattform) fingerhaft in den Himmel. Seine Höhe ergab sich aus der Stapelung von Räumen für ortsansässige Vereine und vielfältige Hobbyzirkel. Je mehr Gruppen mit Raumbedarf die verantwortliche Architektin in der Stadt vorfand, umso höher plante sie auch den Turm. Sodass dieser schließlich zum zweithöchsten Bauwerk der Stadt wurde und in selbstbewusstem Bezug zum einzig höheren, nahe gelegenen Kirchturm steht, der zu Bauzeiten des „Tatorts“ noch als dachlose Ruine brachlag.

Foto: Christian Juhlke

Nach anfänglicher Skepsis gegenüber dem Gebäude – man fragte sich, ob solche Freizeiträume wirklich gebraucht würden – sowie gegenüber der jungen, aus Berlin stammenden Architektin, die zur offiziellen Eröffnung ihres Werks zunächst gar nicht eingeladen war, etablierte sich das Haus schnell als ein beliebtes Wahrzeichen der Stadt. Und auch die Planerin sollte noch viele Jahre prägend in der baulichen Entwicklung dieses damals stark wachsenden Orts mitwirken. Sie wurde sogar zur Inspiration für die Titelfigur eines unvollendet gebliebenen Romans, der sich mit den ideellen Konflikten und Enttäuschungen in Architektur und Städtebau der DDR befasst. Der „Tatort“ hat inzwischen einen Anbau und einige Veränderungen in seiner Nutzungsstruktur erhalten. Über dem historischen Namenszug des Gebäudes prangt heute – in etwas befremdlich erscheinendem Kontrast – das Logo eines weit verbreiteten Modeunternehmens. Wie heißt nun dieses Haus, wo und wann wurde es errichtet und von welcher Architektin stammt die ursprüngliche Planung?
Christian Juhlke

Beim Tatort aus Heft 1 / 2024 handelt es sich um die Mensa am Park in Weimar, 1982 von einem Planungskollektiv aus Professoren, Mitarbeitern und Studierenden der Hochschule für Architektur und Bauwesen unter der Leitung von Anita Bach geplant und mitgebaut. Die Kampagne „mensadebatte.de“, die aus dem akademischen Mittelbau der Bauhaus-Universität Weimar heraus initiiert wurde, führte zum Erhalt des Gebäudes und zu einer denkmalgerechten Sanierung im Jahr 2022 durch Thoma Architekten. Gewinner des Buchpreises „Gegen Wegwerfarchitektur“ ist Andreas Fink.

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