Buch der Woche: Im Gespräch mit Peter Eisenman

Wir müssen reden

Bereits in den 1970er Jahren unternahmen die Autoren John W. Cook und Heinrich Klotz den Versuch, sich berühmten Architekten und ihrem Werk über das persönliche Gespräch zu nähern. Als Produkt dieser Arbeit veröffentlichten sie 1975 eine Sammlung von Interviews mit bekannten Größen der Architekturwelt wie Philip Johnson, Louis Kahn und Robert Venturi. Der amerikanische Architekturjournalist Vladimir Belogolovsky hat sich an eine Neuaufnahme dieses Konzepts gewagt und 2015 sein Buch „Conversations with Architects – In the Age of Celebrity“ vorgelegt, das Interviews mit internationalen „Stararchitekten“ verschiedener Generationen und Strömungen umfasst. Die Gespräche mit dem amerikanischen Architekten Peter Eisenman, die er in den Jahren 2003, 2009 und 2016 führte, waren dabei offenbar so fruchtbar, dass hieraus nun eine eigene Publikation hervorgegangen ist. „Conversations with Peter Eisenman“ lautet – wenig überraschend – der Titel.

Peter Eisenman ist einer der Architekten, die ein theoretisches Konstrukt um ihr eigenes praktisches Werk gesponnen haben, was dadurch teils nur schwer zugänglich ist. Es scheint also, das Interview könnte hier eine geeignete Form bieten, um sich Eisenmans Architekturauffassungen und seinen Bauwerken zu nähern, schließlich gibt es hier die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen, Erläuterungen einzufordern sowie Sachverhalte und Argumente zu diskutieren. Um ebendiesen regen Austausch, die belebte Debatte, geht es dem Interviewer Vladimir Belogolovsky auch. Mehr als um die abschließende Beantwortung von Fragen: „I don’t believe architecture can be explained at all. Instead, it should rather be explored, experienced, interpreted, challenged, debated, and simply talked about (…).“

Es bleibt also die Frage, ob es dem Autor gelingt, Eisenman entscheidende Aussagen zu entlocken und die richtigen Nachfragen und Einwände einzubringen. In jedem Fall kann man Belogolovsky nicht vorwerfen, er habe dem Architekten gegenüber eine kritiklos affirmative Haltung: Schon im Vorwort wird deutlich, dass ihm selbst einiges an Eisenmans Bauwerken Schwierigkeiten bereitet. Etwa die, wie er sagt, plumpe Detailausprägung am Großprojekt der „Ciudad de la Cultura de Galicia“ in Santiago de Compostela (1999–2013), ein sich in sanften Hügeln an die Landschaft anschmiegender Komplex von Kulturbauten. Dabei wird deutlich, dass Vladimir Belogolovsky keine leichtfertigen Urteile fällen möchte. Er sei bei der Besichtigung der „Ciudad de la Cultura“ ob der ungelenken Ausführung der Details enttäuscht gewesen, dennoch habe er die Kraft des Bauwerks bewundert, eine andere Realität zu schaffen – wenngleich diese Realität für ihn dunkel, grausam und trist erschienen sei.

Die Interviews selbst vermögen es tatsächlich, in verdichteter Form Eisenmans Positionen zum Vorschein zu bringen. Belogolovsky traut sich hier auch, den Architekten auf Heikles oder Umstrittenes anzusprechen und kritisch nachzuhaken. Etwa in Hinblick auf die Funktionalität in Eisenmans Wohnhausprojekten oder dem von Eisenman stets abgelehnte Konzept der nachhaltigen „green architecture“. Interessant ist etwa, wie Eisenman die Vernachlässigung architektonischer Details erklärt. Die Schönheit in der Architektur sei für ihn schlichtweg nicht interessant, denn: „It misses the point. (…) If you see something beautiful, you don’t pay enough attention to it. Beauty (…) does not demand close attention.“ Ebenso spannend ist es, wie Eisenman im letzten Interview von 2016 seine eigene Entwicklung im letzten Jahrzehnt reflektiert und dabei von einer Verschiebung seiner Betrachtungsweise spricht. Sich lösend von seinem Modell von Architektur als Sprache – als eine Art Text, der gelesen und verstanden werden kann –, habe er sich zunehmend der Frage nach Architekturerfahrung, dem unmittelbaren Erleben im gebauten Raum zugewandt. Insgesamt bietet die Publikation einen lohnenswerten Einblick in das Denken und Bauen des Architekten, dies verdankt sie vor allem der Gründlichkeit, mit der Belogolovsky dem Architekten und Theoretiker nachspürt. Einen weiteren Beitrag leistet zudem der großzügige Bildteil des Buches mit zahlreichen Fotografien der wichtigsten Bauten aus zahlreichen Perspektiven sowie Grundrissen, Querschnitten und Planungsskizzen.

Elina Potratz

Vladimir Belogolovsky: Conversations with Peter Eisenman. The Evolution of Architectural Style, 160 S., 150 Abb., Softcover, englisch, 28,– Euro, DOM publishers, Berlin 2016, ISBN 978-3-86922-531-9

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