Workshop am Schloss Solitude

Zitiereren und Kopieren

Wolfgang Beltracchi wollte seine Arbeit als genuin künstlerische verstanden wissen. Er beherrschte den malerischen Duktus eines Max Pechsteins, eines Max Ernsts und eines Heinrich Campendonks derart gut, dass er selbst gestandene Kunsthistoriker von der Originalität seiner Replikate überzeugte. Interessant an seinem – inzwischen in seiner Verurteilung gemündeten – Kasus ist, dass auch gänzlich neue Werke erfand. Er setzte sie aus Versatzstücken mehrerer Vorlagen zusammen und kreierte so Gemälde, die die Kunstwelt begeisterten, da es sich offenbar um verschollene Werke der Künstler handeln musste.

Ist Beltracchi deshalb ein Künstler? Das nicht, schließlich ging er in betrügerischer Absicht vor und täuschte seine Käufer vorsätzlich. Er schaffte ein ganzes Lügen-Narrativ, indem er eine fiktive Sammlung („Sammlung Werner Jäger“) erfand und die Aufkleber des angeblichen Galeristen fälschte. Wäre er ehrlicher und vor allem mit lauteren Absichten vorgegangen, hätte er sich in eine künstlerische Tradition eingereiht, die eine uralte ist und seit der Mitte des 20. Jahrhunderts von den Künstlern der Pop Art bis zu den Konzeptkünstlern, unter Filmemachern, Malern und Skulpteuren offensiv diskutiert wird: die der Appropriation, der Aneignung. Appropriation steht für das bewusste Kopieren von Kunstwerken, wobei die Künstler die Handlung des Kopierens als eigenständige künstlerische Arbeit verstehen. Künstler wie Elaine Sturtevant, Sherrie Levine oder Gus van Sant etwa bedienen sich dieser Praxis. Dabei sind die Vorgehensweisen sehr verschieden – die Techniken gehen von der Nachahmung bis ins kleinste Detail bis hin zur Anreicherung mit eigenen Statements oder Neuordnung des vorhandenen Materials.

Ein Workshop an der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart beschäftigt sich mit diesem Konzept, das entscheidende Kategorien der Kunstwelt wie etwa der Autorenschaft, der Originalität und Kreativität infrage stellt. Am 19. und 20. Februar stellen sich Experten aus den Computer- und Geisteswissenschaften und der Architektur sowie Künstler aus den Bereichen Literatur, Musik und Film der Debatte, die insbesondere im Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit neue Fahrt aufgenommen hat. Denn nicht zuletzt geht es bei diesem Thema um Urheberschaft und damit auch um den Marktwert. Oder, um es mit Michaelis Pichler zu formulieren: „Intellectual Property is the oil of the 21st century“.

Juliane Richter

Quotes & Appropriation
Workshop in englischer Sprache
19. – 20. Februar 2015
Eintritt frei
Download des Programms

Teilnehmer: Ted Wheeler (Schriftsteller, Omaha, NE/USA), Darren Keen (Musiker, Brooklyn, NY/USA), Femke Snelting (Künstlerin und Designerin, Brüssel/Belgien), Fabrizio Gallanti (Architekt, Montreal/Kanada), Holger Lund (Professor für Mediendesign, Duale Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg), Amie Siegel (Künstlerin, New York City, NY/USA), David Quigley (Professor für Kulturtheorie, Merz Akademie, Stuttgart), Denis Grünemeier (Kunsthistoriker, Kurator und Kunstkritiker, Berlin), Jens Meinrenken (Kunsthistoriker, Berlin), Tomislav Medak (Verfechter freier Software und Kultur, Philosoph und Performer, Zagreb/Kroatien)

Um Anmeldung wird bis zum 13. Februar 2015 gebeten:
Franziska Ziegler, fz@akademie-solitude.de

Akademie Schloss Solitude
Solitude Haus 3
70197 Stuttgart

Abb.: Akademie Schloss Solitude

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