Daniel Magel im Gespräch mit David Kasparek

325 for life

Das Projekt Hood Training in Bremen

Daniel Magel (*1982) kam 1995 mit seinen Eltern aus Kasachstan nach Deutschland. Als Spätaussiedler lebte die Familie in Tenever, einem Stadtteil im Osten der Hansestadt Bremen mit der Postleitzahl 28 325. Nach dem Besuch der Oberschule an der Koblenzer Straße machte er 2002 Abitur und studierte Lehramt an der Universität Bremen. Mit Freunden gründete er zunächst eine private Initiative „Hood Work Tenever“, aus der in Folge und mit Unterstützung der Stiftung des Vereins „Aktion Hilfe für Kinder“ in Bremen „Hood Training“ wurde. Darin finden sich sowohl die Begriffe Training als auch die verkürzte Version des englischen „Neighbourhood“, das „Hood“, das Viertel, die unmittelbare Nachbarschaft wieder. Magel arbeitet hauptamtlich als Sozial- und Streetworker – unter anderem in der Jugendvollzugsanstalt Bremen. Mit einem ehrenamtlich engagierten Team wirkt Daniel Magel seit 2010 unter dem Label „Hood Training“ mit Kindern und Jugendlichen in Tenever. Anstatt die Kids sich selbst zu überlassen, wird im „Hood Training“ gemeinsam Sport getrieben – solange es die Temperaturen zulassen im Freien, ansonsten in der Halle. Zur Finanzierung von Workshops, Events und Training haben Daniel Magel und seine Mitstreiter jüngst das eigene Label „Barwarrior“ gegründet, dessen Kleidungsstücke im Internet zum Verkauf stehen.

David Kasparek: Beim „Hood Training“ betreiben Sie „Calisthenics“. Das sind letztlich Sport- und Fitnessübungen, die im öffentlichen Raum durchgeführt werden. Man braucht nicht viel mehr als eine Art Reckstange. Wie sind Sie mit dem Sport in Berührung gekommen?
Daniel Magel: Seit ich mich erinnern kann, haben wir zuhause in Kasachstan Sport gemacht. Wir hatten eine Klimmzugstange im Garten, mein Vater ist gejoggt, hat Klimmzüge gemacht und mit Kugelhanteln trainiert. Sport spielte eine große Rolle.

Wie war das nach dem Umzug nach Deutschland?
Dort, in Kasachstan, war alles klein und übersichtlich, hier plötzlich alles groß und unübersichtlich. In Tenever habe ich dann mit dem Boxen angefangen. Es gab eine Phase, in der ich Sport gemacht und geboxt habe, und dann wieder eine Zeitlang nicht, sondern war eher mit Quatsch beschäftigt, ich hatte Ärger mit der Polizei und den Lehrern, und so weiter… Fitness habe ich trotzdem immer gerne gemacht.

Dann haben Sie 2001 Hood Work Tenever gegründet?
Genau, zusammen mit ein paar Freunden. Das war für uns die Chance, miteinander abzuhängen, ohne Sozialarbeiter aus dem Jugendclub, und selbstverwaltet einen kleinen Clubraum zu betreiben und dort zu trainieren.

Wie lange gab es diese Initiative, wie war die Außenwirkung?
Als Initiative gab es uns bis 2005. Wir haben es geschafft, ein bisschen Geld zu akquirieren, mit dem wir Hip Hop Jams organisieren konnten. Wir waren sehr aktiv damals. Dann kam für die einen das Studium, für die anderen die Bundeswehr oder die Ausbildung.

Wann haben Sie mit Hood Training angefangen?
Ich habe während meines Studiums in Freizeitclubs und Vereinen geboxt. Und in einem dieser Freizeitclubs habe ich dann selbst eine Trainingsgruppe übernommen, und zwar gefördert vom Land Bremen. Die Förderung lief natürlich irgendwann aus, ich hatte aber Lust, weiter zu machen – und mit Hilfe des Landessportbundes haben wir dann eine Halle bekommen und konnten ab Sommer 2010 dort trainieren. Das Projekt brauchte nur noch einen Namen: Im ‚Hood‘ war es immer noch, mein Part war das Training, also ‚Hood Training’.

Trainingsparcours in Bremen Tenever, Foto: Zum Friesenhof

Trainingsparcours in Bremen Tenever, Foto: Zum Friesenhof

Wer steckt hinter Hood Training?
Im Laufe der Zeit konnte ich ein Netzwerk aufbauen – mit unterschiedlichen Leuten, im Ehrenamt quasi, die mich unterstützen: beim Akquirieren von Geldern, beim Schreiben von Anträgen, beim Entwerfen von Trainingsparcours und -Anlagen, sie helfen mit, Logos und Labels für Klamotten zu entwerfen, und eben auch als Trainer. Viele davon engagieren sich sehr – parallel zu ihrem Studium.

Woher bekommen Sie finanzielle Hilfe?
Der Verein „Aktion Hilfe für Kinder“ hier in Bremen und die Stiftung des Vereins helfen uns sehr. Vor allem auf administrativer Ebene: Anträge stellen, Abrechnungen machen, was eben so dazu gehört. Wir finanzieren uns über die Stiftung und über Spenden- und Fördergelder von Krankenkassen oder aus der Privatwirtschaft.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Stiftung?
Die Stiftung hatte sich schon früher bei unseren Events finanziell engagiert. Auch der  Vorstand war schon auf einer Veranstaltung dabei. Das ist mir positiv im Gedächtnis geblieben – irgendwann habe ich sie mit der Idee zu Hood Training angeschrieben und seitdem arbeiten wir zusammen.

Was ist für die Zukunft geplant?
Wir haben unser Netz weiter gespannt und tolle Partner in Berlin und Wetzlar gewonnen, gemeinsam planen wir drei Events für das Jahr 2017. Damit wollen wir den Sport pushen und unsere Ideen populärer machen. Dazu planen wir hier in Bremen Trainingsparcours und -Anlagen in Gröpelingen, in Gronau-Düne und am Klinikum Bremen Ost.

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Daniel Magel (hinten rechts) beim Hood Training in Bremen Tenever, Foto: Stadel Photography

Das sind alles keine einfachen Pflaster. In Tenever beispielsweise leben Menschen aus über 90 Nationen, die Arbeitslosenquote liegt bei 15,6 Prozent. Das ist noch mehr als in Bremerhaven, mit 14,1 Prozent, ganz Bremen meldet 9,6 Prozent Erwerbslose. Dazu lag die Quote bei den letzten Bürgerschaftswahlen bei einer Wahlbeteiligung von nur 31,8 Prozent. 70 Prozent der Bewohner sind Migranten. Ist das eines der viel zitierten Problemviertel?
Früher ja. Aber inzwischen ist es – in meinen Augen jedenfalls – ein ganz normales Viertel in einer deutschen Stadt. Vor 2003 war es wirklich fies. Es gab viel Leerstand, manches war kaputt, alles war dreckig, viele Junkies, viel Gewalt. Jetzt ist es sauber, die Häuser sind saniert, es wurde wirklich viel gemacht…

…unter anderem vom Senat der Stadt Bremen initiiert und mit Mitteln des Bund-Länder-Programms „Stadtumbau West“ umgesetzt…
…genau. Es wurden alte Häuser abgerissen, in den sanierten Gebäuden gibt es jetzt Concierges und einiges wird videoüberwacht. Die Projektgruppe Tenever und die Gewoba haben aufgeräumt (lacht). Man weiß natürlich nicht, wer wo wohnt, und ob da Dealer dabei sind oder nicht, aber es gibt eigentlich keine sichtbare Kriminalität mehr, so wie früher. Dafür gibt es hier sehr viele Kinder.

Tenever ist der kinderreichste Stadtteil Bremens. Ein Drittel aller Bewohner ist unter 18…
…das merkt man zum Beispiel auf den Spielplätzen. Da ist immer was los.

Trainingsparcours in Bremen Tenever, Foto: Zum Friesenhof

Trainingsparcours in Bremen Tenever, Foto: Zum Friesenhof

Sie starten ein weiteres Projekt in Gröpelingen, im Westen der Stadt. Da sieht es ein wenig schlechter aus als in Tenever. Wie kommt es zu Ihrem Engagement dort?
Wir wurden von einem Freizeittreff für Kinder und Jugendliche angesprochen. Sie haben Gelder erhalten und wollten etwas machen. Wir haben zusammen mit unserem Berliner Partner „Barliner Workout Berlin“ einen Kostenvoranschlag für einen Parcours- und Calisthenics-Park entwickelt. Auf dem Gelände des Gröpelinger Freizeittreffs soll der Park entstehen. Das ist öffentlich zugänglich und in unmittelbarer Nähe einer Grund- und einer Oberschule. Wir bauen das ab März nächsten Jahres zusammen mit einigen Jugendlichen vor Ort auf. Und die haben richtig Lust – das merkt man. Sie trainieren auch jetzt schon dreimal in der Woche in der dortigen Aula.

In der Wahrnehmung ist Calisthenics geprägt durch Videos, in denen durchtrainierte, meist schwarze oder hispanische Jugendliche an New Yorker Straßenecken Sport treiben, sich an Ampeln hochziehen und an Laternen sogenannte ‚human flags‘ zeigen – bei denen sich der Sportler nur an den Händen haltend, waagerecht in der Luft und parallel zum Boden hält. Erst in der jüngeren Vergangenheit sind Videos aus dem Osten, zum Beispiel aus der Ukraine, bekannt geworden…
…ich kenne Calisthenics seit den 1980ern. Aus dem Osten. Nicht aus Osteuropa, sondern aus dem Osten der damaligen Sowjetunion. In jedem Vorhof gab es damals Stangen und selbstgebaute Geräte. Aber es gab eben auch schon damals in vielen öffentlichen Parks Turngeräte aus Eisen. Und an denen haben die Leute dann trainiert. Es haben sich Cliquen getroffen und versucht, sich gegenseitig zu überbieten.

Das ist auch ein wesentlicher Punkt der Hip-Hop-Kultur: Man trifft sich, misst sich mit friedlichen Mitteln und versucht, sein Gegenüber zu überbieten. Was sowohl die Calisthenics-Videos als auch viele Rapvideos eint ist, dass viele im öffentlichen Raum gedreht wurden und mit einer gewissen „Ghetto“-Ästhetik spielen. Ist Calisthenics ein Sport der weniger Privilegierten?
Ich denke, dass die Videos aus den USA früher professioneller gemacht waren als die aus dem Osten. Da trainieren gut gebaute Menschen an Straßenecken, werden mit tollen Schnitten und dicken Beats super in Szene gesetzt – eine Ästhetik, die man hierzulande schon aus Rap-Videos kannte. Die dünnen, bleichen Jungs aus Russland kommen auf Youtube eben nicht so gut rüber. Im Osten gab es den Sport gefühlt schon immer, durch die Amerikaner ist die „Ghetto“-Ästhetik dann groß geworden. Aber ja: Der Sport wird viel draußen betrieben und das Gute ist, dass man eigentlich kein Equipment braucht. Jeder kann einfach so damit anfangen – egal wie man aussieht, oder ob man Geld hat oder nicht.

Calisthenics-Athlet am Reck, Foto: Hood Training

Calisthenics-Athlet am Reck, Foto: Hood Training

Wo trainieren Sie in Bremen?
Wir haben einen Park, aber auch eine Halle in direkter Nähe, beide in Osterholz-Tenever. Im Winter ist es einfach zu kalt, um draußen zu trainieren. Unsere Gesundheit ist uns wichtig, wir müssen darauf achten, dass wir nicht krank werden, denn wir haben alle mit unseren anderen Berufen viel zu tun.

Wer kommt zum Training?
Kinder und Jugendliche, die ich auf der Straße, an den Bushaltestellen anspreche, andere hängen auf den Parkbänken ab. Inzwischen stoßen auch einige Flüchtlinge zu uns. Dazu kommen die Leute, die über unsere Website und unseren Facebookauftritt aufmerksam werden.

Wie wichtig ist das Internet als eine Art digitaler öffentlicher Raum für Sie?
Für die Verbreitung unserer Inhalte: sehr wichtig. Aber auch für die Organisation. Wann und wo ist Training? Wer macht das Training? Wer kommt da hin? Das machen wir viel übers Netz, über Facebook, Instagram und Snapchat. Da können auch Schulen und Flüchtlingseinrichtungen gut drauf zugreifen, und jeder Einzelne ohnehin.

Ihre „Kunden“ sind genau die Kids, die oft an der Bushaltestelle rumhängen, kiffen, Mülltonnen anzünden und aus Langeweile mit Steinen die Scheiben am leeren Bahnwärterhäuschen gegenüber einwerfen. Wie wichtig ist es für die Jugendlichen, bei Ihnen ein Ventil zu bekommen?
Total wichtig! Für viele ist das tatsächlich einer der wenigen Momente des Halts. Die wissen: da kann ich hin, zu der und der Zeit. Da ist jemand, der etwas mit mir macht, der mich anleitet und wo es egal ist, was ich sonst bin. Da geht es nur ums mitmachen, ums pushen und um den nächsten Klimmzug. Wer schafft noch einen? Wer schafft in der nächsten Woche wieder einen mehr. Man kann sich gemeinsam mit einer Gruppe entwickeln.

Vermitteln Sie aktiv bestimmte Werte?
Ja. Unsere Einstellung ist, dass es jede Person, egal wie sehr sie am Boden ist, zu etwas bringen kann. Das vermitteln wir eher nebenbei. Wenn du merkst, dass du besser wirst, weil du weniger rauchst, lässt du das rauchen vielleicht bleiben. Wenn du merkst, dass du besser trainierst und mehr Leistung bringst, wenn du dich besser ernährst, dann tust du das vielleicht. Wenn die Kids bemerken, wie sich der Körper entwickelt, wie sie sportlicher werden, wie Muskeln wachsen, dann verliert anderes an Wichtigkeit. Man misst sich dann eben an den Stangen und nicht mehr damit, wer gerade wieder den dümmsten Spruch rausgehauen oder etwas Schlimmeres gemacht hat. Wenn Sport meine Droge wird, brauche ich keine anderen Drogen und auch kein schnelles Geld, um die Drogen zu besorgen.

Calisthenics-Athlet am Reck, Foto: Hood Training

Calisthenics-Athlet am Reck, Foto: Hood Training

Wie ist die Stimmung bei solchen Trainings? Spielt Aggressivität oder fehlender Respekt eine Rolle?
Nein. Schauen Sie mich doch an. Die Jungs wissen: ‚Wallah, der arbeitet im Knast mit den richtig harten Kerlen!‘ (lacht) Wenn wir trainieren, gibt es nichts anderes als Sport. Egal ob in der JVA oder im Park. Da gibt’s keine Faxen, da wird trainiert. Die machen ihre Übungssätze an den Geräten oder auf dem Boden – da bleibt keine Zeit für anderes. Und danach sind sie happy (lacht).

Gibt es Unterschiede zwischen dem Training in der JVA und im öffentlichen Park?
Klar. Die Jungs in der JVA trainieren ja auch, um in der Zeit nicht in ihrer Zelle sitzen zu müssen. Die Kids in Tenever kommen freiwillig. Aber da sind dann eben auch komische Momente dabei. Zum Beispiel, wenn ein Achtjähriger vor mir steht und einen Berliner Rapper imitiert: ‚Gib mir den Joint/ und ich zieh’ dran!’ Wir müssen ständig mit den Jungs reden. Auch über solche Dinge. Gerade die Kleinen bekommen die Abstraktion noch nicht hin, dass Rapper ein Image pflegen, das mit ihrer Wirklichkeit nichts zu tun hat.

Es ist ja in der Tat ein Problem, wenn Rapper von Waffen und kiloweise harten Drogen rappen und Kinder das ernst nehmen…
…exakt. Die Kids glauben das. Wenn Kinder ständig ‚Gib mir den Joint/ und ich zieh’ dran!’ nachrappen, speichert sich das im Bewusstsein ab. Wenn ihm dann mal einer einen Joint gibt, wenn er zehn oder elf ist, dann zieht er auch dran.

Es ist heute viel einfacher als früher, auch härtesten Rap zu konsumieren, dennoch kann man die Jugendlichen ja auf die Schieflage zwischen dem wahren Ich des Musikers und seinem Rapper-Alter-Ego aufmerksam machen.
Machen wir ja auch. Und wir hören die Musik zum Training teilweise selbst. Aber wir klären die Kids darüber auf, dass der, der gerade im Rap über Koks im Kilo redet, eigentlich ein Informatikstudent aus Offenbach ist. Für den ist die Musik ein Job. Der redet nicht von seinem Leben. Die Jungs können schon die Musik hören, die sie wollen. Wir können letztlich nur als Vorbild etwas anderes vorleben.

Calisthenics in der JVA Bremen, Foto: Hood Training

Calisthenics in der JVA Bremen, Foto: Hood Training

Fehlen diesen Kindern andere Vorbilder?
Zum Teil schon. Manche werden zuhause geschlagen, andere haben noch keine Perspektiven für ihr Leben aufgezeigt bekommen. Wenn man auf die Oberschule in Tenever gegangen ist – so wie ich –, dann sind die Chancen, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, eigentlich gleich Null. Man ist als Schüler dort von Anfang an stigmatisiert, das wissen die Schüler auch. Wenn deine Schule einen schlechten Ruf hat, und der Stadtteil, aus dem du kommst, auch: Wer will dich dann noch haben im Betrieb? Das sind dann die Kids, die auf den Bänken im Park hocken und kiffen. Für viele von ihnen ist die Perspektive die – wenn es gut läuft –, als Ein-Euro-Jobber irgendwo unterzukommen.

Sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie man trotz vermeintlicher Perspektivlosigkeit Schule und Studium abschließen kann. Das spielt in der Zusammenarbeit sicher eine Rolle. Was muss zusammenkommen, damit das funktioniert und wie kann die Stadt als Institution und als gebaute Umgebung dazu beitragen?
Klar, es spielt eine Rolle, dass die Jugendlichen wissen, dass ich ‚einer von ihnen’ bin. Ich hatte auch Probleme mit Lehrern, bin mit der Polizei aneinander geraten. Wie man aus der Perspektivlosigkeit rauskommt? …Da kommt viel zusammen. Man muss Glück haben mit seinen Eltern. Aber viele haben da schon Pech. Wenn du in einem Viertel wie Tenever aufwächst und du hast Eltern, die dir Ratschläge mit auf den Weg geben, macht das schon viel aus. Wenn du aber nur Missachtung und Gleichgültigkeit mitbekommst, ist es deutlich schwerer. Dann brauchst du schon richtig gute Freunde, die dich pushen, oder mit Glück Streetworker oder Lehrer, die Zugang zu dir finden und dir Möglichkeiten aufzeigen. Und aus all dem muss man dann die eigene Motivation entwickeln. Ohne die geht es nicht. Und dafür braucht es Leute, die den Kids genau das zeigen: wie sie sich selbst motivieren können. Leute, die das gerne machen. Nicht weil es ihr Job, sondern weil es ihre Mission ist. Leute, die den Kids immer wieder sagen oder zeigen: Ich glaube an dich. Leider gibt es davon verdammt wenige.

Sie sind einer davon. Wie frustrierend ist das?
Sehr. Aber wenn man sieben mal hinfällt, muss man eben acht mal aufstehen. Anders funktioniert es nicht.

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Calisthenics-Athletin, Foto: Hood Training

Was würde helfen?
Aus unserer Sicht? Mehr Klimmzugstangen! (lacht) Wenn auf jedem Spielplatz oder in jedem Park nicht nur die Stangen zum Turnen und Klettern für die Kleinen stünden, sondern daneben auch noch welche für Jugendliche und Erwachsene – das wäre super. Oder an jeder Haltestelle eine Stange. Das kostet im Vergleich zu all den anderen Summen ja nichts. Und die Kids hätten überall vor Augen, dass sie einfach ein bisschen Sport machen könnten, statt rumzuhängen oder die Oma an der Haltestelle anzupöbeln. Stattdessen fließt das Geld in „Kunst am Bau“-Projekte, mit denen die Jugendlichen dann echt nichts anfangen können. Warum kann eine Dipp-Stange nicht eine Straßenleuchte sein? Oder Trainingsgeräte eine Kunstinstallation? Warum wird so etwas nie zusammen gedacht? Es gibt ja schon einige Beispiele – Sportgeräte an Joggingstrecken etwa –, aber eben noch viel zu wenige. Unsere Gesellschaft wird doch immer urbaner. Und da braucht es gefestigte Menschen. Wir brauchen Multiplikatoren, die die positive Energie weitergeben, damit wir alle mit dem klarkommen, was auf uns zukommt. Wenn ich sehe, wie viel Geld in die Rettung von Banken investiert wird oder in Rüstung, anstatt ins Soziale, bleibt doch nur noch die Eigeninitiative.

Dipl.-Ing. David Kasparek (*1981) studierte Architektur in Köln. Er war Mitarbeiter an der Kölner Kunsthochschule für Medien und als Gründungspartner des Gestaltungsbüros friedwurm: Gestaltung und Kommunikation als freier Autor, Grafiker und Journalist tätig. Nach einem Volontariat in der Redaktion von der architekt ist er dort seit 2008 als Redakteur beschäftigt. David Kasparek lebt und arbeitet in Berlin.

Fotos: Hood Training/Zum Friesenhof/Stadel Photography

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