Architekturpreis Berlin 2016

Akupunktur am Bau

Am Freitagabend wurde zum zehnten Mal der Architekturpreis Berlin 2016 vergeben. Die Jury unter dem Vorsitz von Chris Dercon (Direktor der Tate Gallery of Modern Art) und das Publikum kürten in diesem Jahr sechs Berliner Gebäude.

Den Hauptpreis der Jury hat dieses Mal nicht ein Neubau, sondern der Umbau eines Baudenkmals erhalten. Die ehemalige katholische Kirche St. Agnes in Kreuzberg, vollendet 1967 nach Entwürfen von Werner Düttmann, war mit ihren klobig-kubischen Volumen und dem grau-braunen Rauputz lange wenig beachtet und geschätzt. Zeitweise sah man sogar den Erhalt des Gebäudes wegen des schlechten Bauzustands gefährdet. Die Büros Brandlhuber+ Emde, Schneider und Riegler Riewe Architekten haben den Bau nun zu einem Kunst- und Kulturforum umgestaltet, im Kirchenraum selbst wurde die KÖNIG Galerie untergebracht. Für die Umnutzung wurden dabei lediglich minimal invasive Eingriffe unternommen: In den Hauptraum wurde eine Zwischenebene aus Beton eingestellt, die durch ihre selbsttragende Konstruktion jederzeit wieder entfernbar ist und sich dabei auch optisch durch eine breite Fuge von den Kirchenwänden absetzt. Das denkmalgeschützte Gebäude blieb somit in seiner Bausubstanz intakt, dennoch konnte funktioneller und wirkungsvoller Raum geschaffen werden – Jurymitglied Chris Dercon sprach bei der Begründung von „Akupunktur“ im Bau. Das Resultat ist tatsächlich beeindruckend, die Räumlichkeit scheint mit ihrer Kühle und Erhabenheit geradezu wie geschaffen für die Nutzung als Ort des Kunsterlebens.

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St. Agnes, KÖNIG Galerie, Kreuzberg, Architekt: Werner Düttmann, Brandlhuber+ Emde, Schneider und Riegler Riewe Architekten, Innenraum Obergeschoss

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St. Agnes, KÖNIG Galerie, Kreuzberg, Architekt: Werner Düttmann, Brandlhuber+ Emde, Schneider und Riegler Riewe Architekten, Innenraum Untergeschoss

Eine Auszeichnung erhielten Chestnutt_Niess Architekten BDA für die Mittelpunktbibliothek Treptow. Ausgangspunkt des Bauvorhabens war hier die Alte Feuerwache – ebenfalls ein denkmalgeschütztes Objekt. Dieses sollte hinsichtlich Funktion und Gestaltung beim Umbau weiterhin Mittelpunkt des Ensembles bleiben, weshalb der nebenliegende dunklere Neubau ein Stück hinter die Gebäudeflucht des Altbaus versetzt wurde und ihn über die Rückseite umgreift. Der Innenraum zeichnet sich durch hellen Sichtbeton sowie durch offene Galerien und großflächige Fensterausblicke aus.

DEU, Berlin, 05/2015, Bibliothek Alte Feuerwache, Berlin Schöneweide, Architekt: Chestnutt Niess, Bildtechnik: Digital-KB

DEU, Berlin, 05/2015, Bibliothek Alte Feuerwache, Berlin Schöneweide, Architekt: Chestnutt Niess, Bildtechnik: Digital-KB

Der Sonderpreis „Neues Urbanes Wohnen“ ging an das Ausbauhaus Neukölln von Praeger Richter Architekten. Das Konzept für das Wohnhaus sieht vor, dass die Nutzer oder Bauherren zwischen unterschiedlichen Standards des Ausbaus wählen können. Der Rohbau kann auch zum Selbstausbau übernommen werden, was großzügige Wohnverhältnisse zu günstigen Preisen ermöglicht. Die 20 Quadratmeter großen Loggien mit ihren auffälligen grauen Vorhängen auf der Südseite erweitern den Wohnraum, der durch auf die Außenmauern verlagerte Tragstrukturen im Grundriss flexibel aufgeteilt werden kann. Die Jury begründete ihre Entscheidung damit, dass hier die Möglichkeit aufgezeigt wurde, „an einer scheinbar unattraktiven Stelle der Stadt bezahlbaren, ästhetisch ansprechenden Wohnraum zu schaffen“.

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Ausbauhaus Neukölln, Praeger Richter Architekten

Eine weitere Auszeichnung ging an den Campus von David Chipperfield Architects in Berlin Mitte. Den Sonderpreis „Parks und Plätze“ erhielt das Umfeld Fernsehturm zwischen Alexanderplatz und Marienirche von Levin Monsigny Landschaftsarchitekten. Den Publikumspreis konnte die Kantine der École Voltaire von Martin Schmitt Architektur / Kommunikation im Raum in Tiergarten für sich entscheiden.

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Joachimstraße, Der Campus von David Chipperfield Architects Berlin, Architekt: David Chipperfield Architects – Gesellschaft von Architekten mbH

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Umfeld Fernsehturm zwischen Alexanderplatz und Marienkirche, Architekt: Levin Monsigny Landschaftsarchitekten

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Kantine École Voltaire, Kantine für Schüler und Lehrer im Tiergarten, Architekt: Martin Schmitt Architektur / Kommunikation im Raum

Elina Potratz

Fotos: Simon Menges, Michael Reisch, Axel Hartmann, Claas Dreppenstedt, Werner Huthmacher, Elina Potratz

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