architekten und richter

Gesamtschuld

Keine Gesamtschuld zwischen Co-Architekten (BGH, Urteil vom 14. Juli 2016 – VII ZR 193/14 – OLG Celle): In dieser interessanten Entscheidung hat der BGH die gesamtschuldnerische Haftung von Architekten und Ingenieuren weiter eingeschränkt: Ursprünglich ging die Rechtsprechung von einer Gesamtschuld zwischen Architekten und Sonderfachleuten wie Tragwerksplanern, Baugrundgutachtern und anderen aus. Der Auftraggeber konnte nach Belieben jeden Beteiligten auf die gesamte Schadenssumme in Anspruch nehmen. Die Mitverursachung durch andere am Bau Beteiligte war allein ein Internum zwischen den Gesamtschuldnern. Besteht dagegen keine Gesamtschuld, so werden die Fehler der anderen Baubeteiligten zur Sache des Bauherrn. Jeder kann dann vom Bauherrn nur insoweit (quotal) in Anspruch genommen werden, als er selbst eine Ursache gesetzt hat. Die Quote ist kein Internum mehr, sondern trifft den Auftraggeber. Er kann nicht mehr nach Belieben von jedem alles verlangen, sondern von jedem nur das, was seiner Verursachungsquote entspricht.

Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH hafteten nicht mehr als Gesamtschuldner: der planende Architekt und der bauüberwachende Architekt, beziehungsweise der planende Architekt und der Tragwerksplaner. Noch nicht ausdrücklich entschieden war die Frage, wie es zwischen planenden Architekten aussieht. In dem Fall, der dem BGH vorlag, war es bei dem Neubau einer Grundschule zu einer Durchfeuchtung des Gebäudesockels gekommen. Ursächlich war, dass die Betonsohle des Gebäudes circa sieben Zentimeter unter der umgebenden Geländeoberfläche lag und eine wirksame Sickerschicht fehlte. Der Auftraggeber verklagte den Gebäudeplaner und den Freianlagenplaner als Gesamtschuldner. Landgericht Stade und OLG Celle erklärten die Klage für dem Grunde nach gerechtfertigt.

Dagegen ging der Freianlagenplaner (Beklagte zu 2.) mit seiner Revision zum BGH vor. Begründung: Der Gebäudeplaner habe die Geländeanschlusshöhe an das Gebäude fehlerhaft geplant. Insoweit wehrte sich der Freianlagenplaner gegen eine gesamtschuldnerische Haftung und machte geltend, der Auftraggeber müsse sich die Planungsfehler des Gebäudeplaners als Mitverschulden anrechnen lassen. Der BGH folgte der Auffassung des Freianlagenplaners und entschied: Beauftragt der Besteller einen Architekten mit der Objektplanung für ein Gebäude und einen weiteren Architekten mit der Planung der Außenanlagen zu diesem Objekt, trifft ihn grundsätzlich die Obliegenheit, dem mit der Planung der Außenanlagen beauftragten Architekten die für die mangelfreie Erstellung seiner Planung erforderlichen Pläne und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Hat der mit der Objektplanung beauftragte Architekt diese fehlerhaft erstellt, muss sich der Besteller dessen Verschulden gemäß § 254 Abs. 2 Satz 2, § 278 BGB im Verhältnis zu dem mit der Planung der Außenanlagen beauftragten Architekten zurechnen lassen (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. Mai 2013, VII ZR 257/11, BGHZ 197, 252), (amtlicher Leitsatz).

Foto: David Kasparek

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Der Senat stellt klar: Die Pflicht zur Prüfung der überlassenen Pläne auf Fehler und Widersprüche (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2008 – VII ZR 206/06) besteht zwar fort. Ihre Verletzung führt auch zu einer Haftung aus Verschulden. Sie lässt aber niemals das Mitverschulden des Bestellers für Fehler der von ihm zur Verfügung gestellten Pläne entfallen (Rn. 21 d.U.). Aber: Den Besteller trifft kein Mitverschulden, wenn der Architekt, dem er Pläne und Unterlagen zur Verfügung gestellt hat, die Erstellung dieser Pläne und Unterlagen als eigene Leistung schuldet. Dann kann der Architekt nicht erwarten, dass der Besteller ihm zur Erfüllung der von ihm geschuldeten Planungsleistungen zutreffende Pläne oder Unterlagen zur Verfügung stellt (Rn. 18 d.U.).

Im entschiedenen Fall aber war diese Grenze nicht überschritten. Dass die Beklagte zu 2 (Freianlagenplanerin) im Sinne einer Überschneidung der Leistungspflichten ebenfalls die Gebäudeanschlusshöhe zu planen gehabt hätte, hatte das OLG Celle nicht festgestellt. Ergo: „Die Beklagte zu 2 konnte insoweit erwarten, dass ihr von der Klägerin fehlerfreie Planungsunterlagen übergeben würden. (…) Da die Klägerin den Beklagten zu 1 mit der Objektplanung der Grundschule beauftragt hatte, muss sie sich dessen Verschulden im Rahmen der Erfüllung ihrer Obliegenheit gemäß § 254 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 278 BGB zurechnen lassen.“ (Rn. 20 d.U.)

Das Fazit: Der Bauherr muss sich (endlich) gut überlegen, wen er wofür in Anspruch nimmt. Die reflexartige Inanspruchnahme des Architekten für alles und jedes ist riskant geworden. Haftungsrechtlich ist die neuere Rechtsprechung des BGH sehr zu begrüßen. Der Regress des Architekten gegen die eigentlichen Verantwortlichen entfällt, und das Risiko der Quotierung der Verantwortlichkeiten trägt der Auftraggeber. Dies ist grundsätzlich auch im Sinne der Prozessökonomie.

Zu erwarten ist allerdings ein Anstieg der Zahl selbständiger Beweisverfahren, da Auftraggeber nun verstärkt eine Quotierung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen suchen werden, ohne (mit entsprechender Kostenfolge) in einem Klageverfahren bereits eine Quote behaupten zu müssen. Die Möglichkeiten einer „technischen Quotierung“ sind allerdings sehr kritisch zu sehen, denn in erster Linie gilt es hier, die vertraglichen Pflichten der einzelnen Beteiligten sauber zu trennen und zu bewerten. Dies kann und darf ein Sachverständiger nicht tun. Eine anwaltliche Vertretung bereits im selbständigen Beweisverfahren ist dringend zu empfehlen. Oft werden schon mit der Fragestellung, aber auch im Verlauf der Begutachtung Weichen auch für die juristische Beurteilung der Haftung gestellt.

Für die Architektenschaft ist die neuere Rechtsprechung ein zweischneidiges Schwert. Sie könnte bei Bauherren den Trend zum Generalunternehmer und Bauträger verstärken und damit freien Architekten den Zugang zum Markt erschweren. Dem muss in der Öffentlichkeitsarbeit entgegengesteuert werden.

Thomas Pfeiffer

RA Dr. Thomas Pfeiffer ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Spezialist für Haftungsrecht in Neitzel | Languth | Pfeiffer Rechtsanwälte Fachanwälte Mediator, Hannover.

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