Buch der Woche: Brückner & Brückner Architekten

Heimat als Kraftquelle

Die Architekten Peter und Christian Brückner stammen aus Tirschenreuth in der Oberpfalz. Unweit der tschechischen Grenzen aufgewachsen, beschreiben der 1962 geborene Peter und sein neun Jahre jüngerer Bruder Christian die Erfahrungen vom Spielen in der Natur ihrer Heimat als eines der prägenden Motive in ihrem Werden. Das Bauen von Hütten im Wald, die „von den anderen Buben“ zerstört worden seien, sobald diese sie entdeckten, nur um sie dann wieder aufzubauen, seien elementare Erfahrungen der Kindheit gewesen, wie die beiden in einem Gespräch mit dem Stuttgarter Architekten Dennis Mueller Ende September in Frankfurt bekannten.

Foto: mju-fotografie; B&BA

Wie wichtig diese naturnahen Erlebnisse und das Aufwachsen in der Peripherie Deutschlands und am Rande des Eisernen Vorhangs waren, zeigt sich heute in der Architektur von  Brückner & Brückner Architekten. Peter Brückner, der nach einer Bauzeichnerlehre Architektur an der TU München studiert, nennt Karljosef Schattner, Peter Zumthor und den Bildhauer Fritz Koenig als für ihn wichtige Lehrer. 1990 kehrt er zurück nach Tirschenreuth und erweitert das väterliche Bauingenieurbüro um eine deutliche architektonische Haltung. Christian Brückner studiert derweil an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart Architektur bei David Chipperfield. Der gemeinsame professionell-architektonische Weg beginnt schließlich 1996 mit dem Gewinn des Wettbewerbs um den Kulturspeicher in Würzburg. Seitdem arbeiten Peter und Christian Brückner wieder gemeinsam – an den beiden Standorten Tirschenreuth und Würzburg.

Foto: mju-fotografie; B&BA

Das nun im Verlag Birkhäuser vorgelegte Buch „Wurzeln und Flügel“ zeigt all diese Wirkungszusammenhänge auf. Der Titel schon gibt es an: Hier geht es um die Dinge, aus denen die Architektur der beiden Oberpfälzer wächst, und was ihren eigenen Gedanken beim Fliegen und Kreisen hilft. Für Wolfgang Jean Stock sind die beiden Architekten in seinem Beitrag Beispiel für jene Generation, die „durch die Postmoderne hindurchgegangen ist“, wie der Münchner Architekt Andreas Hild es einmal formuliert hatte, und dabei eine Art „Dritte Moderne“ etablierte, die sich an dem abarbeite, was ihre Vorgänger in ihren Augen an Fehlern begingen, gleichzeitig aber einen Rückbezug auf Regionales aufweisen, wie ihn schon Alvar Aalto vollzogen habe.

Foto: mju-fotografie; B&BA

Das reich bebilderte und generös mit viel Weißraum gesetzte Buch beleuchtet diese architektonische Haltung von mehreren Standpunkten aus. Zum einen in einer schön anzusehenden Bilderserie, die zwischen Details, die Fügungspunkte, Materialien und Strukturen zeigen, über vollformatige Ansichten gebauter Häuser hin zu kleinen Vignetten architektonischer und künstlerischer Einflüsse reicht. Dazu kommen kurze Texte der Architekten, die Anhand einiger metaphorischer Ausführungen Einblicke in die Denkweise der Brüder geben. Schließlich sind verschiedene Beiträge in unterschiedlichen Texttypen von Winfried Helm, Wolfgang Jean Stock, den Brüdern Ansgar und Benedikt Schulz, Reiner Kunze, Werner Mally und  Enrico Santifaller in diesen Reigen eingewoben. In Interviews, Essays und – wie im Fall der Brüder Schulz – ebenso launigen wie präzisen Kurztexten beleuchten die Autoren unterschiedliche Aspekte im Werk von Brückner & Brückner Architekten.

Diese Vielschichtigkeit macht das Buch, das von einem Werkverzeichnis abgeschlossen wird, trotz seiner formalen Opulenz und schieren Größe zu einem kurzweiligen Werk, das weniger dazu bestimmt scheint, es am Stück durchzuarbeiten, als es vielmehr immer wieder zur Hand zu nehmen, an unterschiedlichen Stellen aufzuschlagen, nur um sich dort dann doch festzulesen.

David Kasparek

Brückner & Brückner Architekten: Wurzeln und Flügel, 424 S., 286 Abb., 69,95 Euro, Birkhäuser, Basel 2018, ISBN 978-3-0356-1741-2

Foto: mju-fotografie; B&BA

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