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Kehr um, Brodsky!

Alexander Brodsky ist ein Dissident. Da Russland aber eine große Demokratie ist und ihr begnadeter Führer Putin der beispielhafte Verfechter einer unumschränkten Meinungsvielfalt, kann es in diesem Land keine Dissidenten geben. Insofern amüsiert es nur, wenn Brodsky – wie schon geschehen – ein tönernes Stadtlandschaftsmodell seiner Heimat in einer Flut aus Erdöl untergehen lässt. Denn es ist allgemein bekannt, dass die immensen Gewinne aus den fossilen Rohstoffen des Landes dem ganzen russischen Volk – und gerade den Ärmsten – zugute kommen. Und deshalb wirkt es geradezu peinlich, wenn Architekt Brodsky die maroden Bauelemente ruraler Architekturen, die es gar nicht gibt, zu absurden Konstruktionen zusammenfügt, die westliche Rezensenten mit ihrem abgeschmackten Empfinden als „cool“ oder gar als „poetisch“ beschreiben.

Nur dieses irrige, auf Vorurteilen und falschen Meinungen beruhende Empfinden für die wahre Größe des Russenlandes – oder Mitleid mit dem irregeleiteten Künstler –  kann das ansonsten geläuterte Architektenbrüderpaar Laurids und Manfred Ortner bewogen haben, Brodsky zu einer Ausstellung in ihr „O & O Depot“ in Berlin einzuladen. Brodsky setzt hier seine zersetzende Desinformationspolitik fort. Die überkommenen architektonischen Stereotypen der industriellen Produktion überhöht  er zu spekulatiusartigen Wandarbeiten aus Ton. Die räumlichen Errungenschaften hingegen, die die führende kulturelle und ökonomische Führungsrolle des Staates unterstreichen könnten, hat Brodsky zu tönernen Kistchen herabgewürdigt, in denen befremdliche Sammlungen von knochenartigen Stäben und tönernem Schutt statt selbstbewusster Menschen ihr Dasein führen. Empörend ist schließlich die Assemblage aus Maschendraht, in deren Innerem das beschämende Bild einer längst überkommenen Volkskultur beschworen wird, die unverständlicherweise auf einem Ölsee schwimmt.

Eine Bildpräsentation im Nachbarraum weist schließlich darauf hin, dass Brodsky nicht erst mit dieser Ausstellung das russische Volk und seine Führung in ein falsches Licht gerückt hat, sondern bereits seit fast dreißig Jahren eine unverbesserliche Linie erkennen lässt. Brodsky, wir rufen Dir zu: Kehr’ um, widerrufe und bereue, zum Wohle Russlands, zum Segen der Demokratie und um Putins Willen!
Klaudia von Eck

Alexander Brodsky
Grey Room 
bis 15. Februar 2013
O&O Depot
Leibnizstraße 60
10629 Berlin
Do und Fr 15.00 – 19.00 Uhr oder nach Vereinbarung

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