Architekturbiennale 2014 in Venedig

Landkarte Italien

Monditalia

Was sind eigentlich die wahren fundamentals der Architektur? Sind es tatsächlich die elements wie Tür, Fenster, Dach und Fahrstuhl, wie sie im Pavillon des Biennale-Direktors Rem Koolhaas (und seines Co-Kurators Stefan Trüby) in den Giardini präsentiert werden? Oder setzt sich der Humus, auf dem Haus und Häuser, Stadt und Städte entstehen, aus anderen als materiellen Ingredienzien zusammen? Koolhaas liefert in den Corderie des Arsenale gewissermaßen die Gegenthese zu den elements. Ein ganzes Geschwader an Kuratoren hat er unter der Regie von OMA in ganz Italien auf die Suche nach Phänomenen geschickt, die Rahmenbedingungen charakterisieren, unter denen eine exemplarische Kulturlandschaft im Spätkapitalismus existieren kann (und muss) – und welche Ergebnisse sie erzeugt. „Monditalia“ kann dabei zweierlei meinen: Natürlich ist Italien eine eigene Welt, aber andererseits steht das Land für die Mannigfaltigkeit, die kulturelle Äußerungen überall in der Welt zwischen Krise und Potential erzeugen. Dabei hat Koolhaas dem Wunsch der Biennale nach mehr Interdisziplinarität Rechnung getragen. Wesentliche Eindrücke hinterlassen Dutzende von kurzen loops aus italienischen Klassikern, die gesellschaftliche Typen und Verhaltensweisen in spezifischen räumlichen und geographischen Umfeldern zeigen.

Biennale 2014, Monditalia, Foto: David Kasparek

Dominant sind auch die Tanzperformances, die an mehreren Stellen der Ausstellung das Motiv der menschlichen Bewegung aufgreifen und zu einem faszinierenden und befremdenden Eindruck überhöhen. Überall flirren Stimmen, krakelt Musik – allein die Geräuschwelt nimmt den Besucher gefangen. Die Bildwelt wirkt mitunter improvisiert: Es gibt fast 50 Beispiele, in denen architektonische Projekte dokumentiert werden: drei Villen auf Capri, die Wohnorte italienischer Mafiosi, Pompeji als Ort, an dem erotischer Luxus erfunden wurde, ein Film über Lampedusa, die Betonschale, die Dante Bini als love-shack für Michelangelo Antonioni und Monica Vitti auf Sardinien baute, die gps-vermessene italienische Grenze in den Alpen, die infolge der klimabedingten Schneeschmelze verschiedene Verläufe hat, die Notunterkünfte im erdbebenverheerten L’Aquila, ein Beitrag über „radikale Pädagogik“, ein Film über das Leben in der Peripherie und…und…und: Jeder Beitrag ist sorgfältig mit seinen geographischen Koordinaten gekennzeichnet – und in der Zusammenschau ergibt sich eine Landkarte Italiens aus Architektur, Musik, Tanz, Film und Theater, deren Fülle man nicht vergessen wird.

Andreas Denk

Biennale 2014, Monditalia, Foto: David Kasparek

Fundamentals, 14. internationale Architekturbiennale
bis 23. November 2014
Monditalia im Arsenale, Venedig

Fotos: Andreas Denk, David Kasparek

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