neu im club: Matthias Tebbert, Architekt BDA, zwo/elf, Karlsruhe

Mehr als Architektur

Potential im Alten Schlachthof

Das Gelände, auf dem sich der Architekt Matthias Tebbert mit seinem Büro zwo/elf niedergelassen hat, war noch vor wenigen Jahren auch für alteingesessene Karlsruher kaum erschlossenes Terrain: Der Alte Schlachthof musste nach seiner Umwidmung von einer Fleischproduktionsstätte zum Ort für Kultur erst erobert werden. Zu Beginn, so erzählt Tebbert, gab es keine Außenbeleuchtung und die Straßenverläufe waren noch nicht festgelegt. Inzwischen sieht es anders aus. Einiges ist passiert: Aus dem ehemaligen Schlachthof ist ein idyllisch anmutendes Areal geworden, wo zwo/elf zwischen Gastronomie und Veranstaltungs-Locations, Bars und kleinen Bühnen, Clubs und anderen Kreativschaffenden die Räumlichkeiten des ehemaligen Schweinestalls bezogen hat. Zwo/elf sei dabei kein Büro im eigentlichen Sinne, erklärt Matthias Tebbert: „Wir arbeiten mit Festangestellten, freien Mitarbeitern und Freiberuflern, die hier einen Arbeitsplatz gemietet haben und mit denen wir regelmäßig gemeinsam Projekte bearbeiten, als Netzwerk zusammen. Wir drei Partner geben dabei die Rahmenbedingungen vor und bringen Projekte ein, eine streng hierarchische Struktur gibt es aber nicht.“

umbau und sanierung großviehstall alter schlachthof 15 76131 karlsruhe planung: zwo/elf alter schlachthof 15 76131 karlsruhe www.zwo-elf.de

zwo/elf, Alter Schlachthof, Karlsruhe 2010 – 2015, Foto: Stephan Baumann

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zwo/elf, Alter Schlachthof, Karlsruhe 2010 – 2015, Foto: Archiv

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zwo / elf & STUDIO Urbane Strategien, AS27, Pferdeschlachthaus, Alter Schlachthof Karlsruhe 2016, Foto: zwo / elf

Die drei Partner sind neben dem Architekten Matthias Tebbert die Grafikerin Constanze Greve und der Designer Markus Graf. Das Team versteht sich als Netzwerk, das gemeinsam mehr bewirken kann, als jeder für sich. Ihre Arbeit haben sie seit Beginn des gemeinsamen Schaffens ganz der Kultur verschrieben: zwo/elf arbeitet fast ausschließlich für kulturelle Projekte, Museen oder öffentliche Auftraggeber. Die Engmaschigkeit des Netzes ist dabei von Projekt zu Projekt verschieden. So kann zwo/elf unterschiedliche Leistungen aus einer Hand anbieten: von der Grafik über Ausstellungsdesign bis hin zu raumgestalterischen Eingriffen mit Um- und Neubauten.

Zum Symbol der eigenen Arbeit ist den drei Gründungspartnern dabei ein Hochsitz geworden, wie ihn Rettungsschwimmer zur Überwachung ihres Badeabschnitts nutzen. Dieser bildet das Logo von zwo/elf, taucht also auf Briefkopf, Website und dergleichen auf, und steht in echter Größe weißlackiert mitten im Büro. „Das ist der nicht besetzte Platz bei uns im Büro“, erklärt Tebbert, „und damit der virtuelle Chef.“ Der Stuhl, erklärt Tebbert, steht für vieles, was das Büro ausmacht: für die große Freiheit, die das Netzwerk ohne den einen, alles bestimmenden Chef bietet ebenso, wie für die Schwierigkeiten, die diese Organisationsform mit sich bringt. Constanze Greve fügt an, dass der Hochsitz außerdem ein Symbol für Perspektiven und deren Wechsel sei: „Er steht auch dafür, dass es wichtig ist, seinen Standpunkt zu ändern, und die Perspektive zu wechseln, aus der man die eigenen Projekte sieht.“

Greve und Tebbert sitzen im Besprechungsraum des Büros – es ist das alte Heulager des Schweinestalls, in dem einst auch der Knecht schlief. Zu sehen ist davon heute kaum noch etwas. Der Bau ist von zwo/elf bis 2011 saniert und umgebaut worden. „Eigentlich wollten wir es viel roher lassen“, erläutert Matthias Tebbert. Und lachend fügt er an: „Schlussendlich war die Substanz aber derart kontaminiert, dass man schon nach fünf Minuten ziemlich nach Tier gestunken hat, so dass wir doch deutlich mehr rückbauen mussten, als ursprünglich gedacht.“ Neben den Böden und dem Innenputz sind auch die alten Viehgatter verschwunden. Geblieben ist der pure Raum in seiner ursprünglichen Struktur, die alten Stützen und Decken. Versehen mit einer Innendämmung sind alle Oberflächen weiß gekalkt und lackiert, ebenfalls weiße Einbauten gliedern den langgestreckten Raum. Sie nehmen, im Inneren teils farbig, unterschiedliche funktionale Bereiche auf: Teeküche, Modellbauwerkstatt, Aktenarchiv, Einzelarbeitsplätze oder Sanitärräume.

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zwo/elf, Alter Schlachthof, Karlsruhe 2010 – 2015, Abb.: zwo/elf

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zwo/elf, Alter Schlachthof, Karlsruhe 2010 – 2015, Fotos Stephan Baumann

Äußerlich zeigt sich der Bau nahezu unverändert. Einzig neue, große Fensteröffnungen sind eingefügt worden – wobei eingefügt hier wörtlich zu verstehen ist. Als neue Elemente sind sie zwar zu erkennen, bilden mit dem Alten aber ein harmonisches Ganzes.
Dieses Konzept wurde im baugleichen ehemaligen Großviehstall bis 2014 wiederholt. Der Bau befindet sich gespiegelt entlang der Hauptachse, die das Areal des Alten Schlachthofs teilt, auf der anderen Seite der neuen Straßenbahnlinie. Seit zwei Jahren baut Tebbert mit seinem Architekturprojektteam innerhalb des Netzwerks zwo /elf zudem das alte Pferdeschlachthaus auf dem Gelände um. Hier werden Büros und Arbeitsplätze entstehen, auch hier soll möglichst viel unbehandelt bleiben.

Im Gegensatz zum ehemaligen Schweinestall sei das im Schlachthaus auch möglich, ruft der Architekt nur einen Steinwurf vom Büro entfernt später durch den Lärm der Baustelle.
Das eigene Profil sieht Matthias Tebbert dabei als deutliches Plus gegenüber Büros an, die „nur klassische Architektur“ im Portfolio haben. Dies gelte vor allem für zwo/elf als verhältnismäßig junges Büro. Tebbert unterstreicht das, wenn er sagt: „Ich profitiere durch meine Partner. Wir können an Schnittstellen zwischen Design, Architektur und Grafik mehr anbieten als andere. Als interdisziplinäres Büro kommen wir auch in Verfahren hinein, bei denen der Auslober selbst noch nicht so genau weiß, was er eigentlich will – wie bei der Stadthalle in Karlsruhe.“ Das höre aber bei überregionalen Verfahren auf, so Tebbert weiter. Dort komme man nur noch zum Zuge, wenn es „irgendwie eine künstlerische Komponente in der Auslobung“ gebe.

Greve, Tebbert und Graf haben nach eigenem Bekunden inzwischen eine kritische Größe erreicht. Die Grafikerin erzählt mit einem gewissen Bedauern, dass kleine und interessante Projekte – freie Kulturinitiativen beispielsweise – derweil unter der Größe des Netzwerks leiden: „Wir haben inzwischen eine Bürofläche von 270 Quadratmetern, entsprechend viele Mitarbeiter – und wenn es auch zum Teil Freischaffende sind: all das muss finanziert werden. Kleine Projekte, wie das Gestalten einer Plakatserie für ein Festival zum Beispiel, die mir viel Spaß machen, bringen am Ende zu wenig ein. Wir müssen uns inzwischen auf Projekte ab einer bestimmten Größenordnung konzentrieren, um das Netzwerk zu erhalten.“ Die im letzten April eröffnete Ausstellung „4.000 Jahre Pfahlbauten“ des Archäologischen Landesmuseums Konstanz ist ein solches Beispiel. Hier konnte das Team von zwo/elf seine Stärken gut ausspielen und zwischen architektonischen Eingriffen mit raumbildenden Elementen über das Kommunikationsdesign der Ausstellung bis hin zur Grafik der Schau ein schlüssiges Gesamtpaket umsetzen.

generalsanierung bundesverfassungsgericht karlsruhe umbau ehemaliger katalograum bibliothek ausstellung "das bundesverfassungsgericht - die ersten 20 jahre" planung: zwo/elf alter schlachthof 15 76131 karlsruhe www.zwo-elf.de bauherr: staatliches hochbauamt baden-baden bundesbau baden-württemberg gartenstraße 78 76135 karlsruhe www.ofd-karlsruhe.de

zwo / elf, Bundesverfassungsgericht, Ausstellung im Bibliotheksfoyer, Karlsruhe 2014, Foto: Stephan Baumann

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zwo / elf, Bundesverfassungsgericht, Ausstellung im Bibliotheksfoyer, Karlsruhe 2014, Foto: Stephan Baumann

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zwo / elf, Große Landesausstellung BW bodenlos im SMNK, Karlsruhe 2013, Foto: Janik Gensheimer

Sowohl die gemeinsame Akquise der Projekte als auch die Zusammenarbeit erlebt die Grafikerin Greve als bereichernd. Dabei entwerfen die drei Büropartner und ihre wechselnden Teams nicht gemeinsam. Ein jeweils Verantwortlicher akquiriert und entwickelt das Projekt bis zu einem gewissen Punkt und holt sich je nach Arbeitsfortschritt und Notwendigkeit Rat und Tat der anderen ein. Wieder lacht Tebbert, als er sagt: „Um gemeinsam zu entwerfen, sind wir schlicht zu unterschiedlich.“ Ernsthafter führt er aus: „Ich kenne ein funktionierendes gemeinsames Entwerfen eigentlich nur in solchen Fällen, wo die Beteiligten eine gemeinsame Vergangenheit und zum Beispiel miteinander studiert haben. Das ist bei uns nicht der Fall.“ Die Stärke des Netzwerks zwo/elf ist dabei das Potential, das von allen Beteiligten abgerufen werden kann, aber nicht muss. Derart breit aufgestellt ist für jeden der drei Partner und ihre freien Mitarbeiter schlicht mehr möglich.

David Kasparek

www.zwo-elf.de

neu im club im DAZ-Glashaus
Talk mit Matthias Tebbert:
13. September, 19.00 Uhr
Werkschauprojektion:
14. September bis 21. Oktober
Deutsches Architektur Zentrum
Köpenicker Straße 48 / 49
10179 Berlin

www.neuimclub.de
www.daz.de
www.derarchitektbda.de

neu im club wird unterstützt von Vitra, Epson, den BDA-Partnern und den Unternehmen des DAZ-Freundeskreises.

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