neu im club

Architektur als gelebter Raum

Simon Jüttner und Sebastian Kofink, Buero Kofink Schels BDA, München

Wie die meisten Treffen in Zeiten der Corona-Beschränkungen findet auch das Gespräch mit Buero Kofink Schels über Videokonferenz statt: die Redaktion im Berliner Wohnzimmer, Sebastian Kofink im Münchner Büroraum und Simon Jüttner in seiner Küche im Allgäu. Doch während die fehlende persönliche Begegnung zunächst noch als Nachteil erscheint, zeigt sich im Gespräch bald, dass sie zugleich einem Wesenskern des jungen Büros entspricht, denn die geographische Distanz zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Werk. Das betrifft nicht nur das Arbeiten an den Standorten München und Allgäu, sondern ebenso die teils weit entfernt liegenden Projekte in Frankreich und Spanien.

Buero Kofink Schels, T.I.A.-House, Almería, Spanien 2014 – 2016, Foto: Simon Jüttner

Buero Kofink Schels, T.I.A.-House, Almería, Spanien 2014 – 2016, Foto: Simon Jüttner

So war es ein Umbau im spanischen Almería, mit dem die gemeinsame Tätigkeit von Kofink Schels ihren Anfang nahm. Ein Freund hatte ein kleines baufälliges Haus nahe dem Zentrum der andalusischen Stadt gekauft und bat bei der Instandsetzung um Beratung. Aus dem Gefallen für einen Freund entwickelte sich schließlich eine jahrelange planerische Begleitung des Projekts. Der Bau entspricht der traditionellen Typologie der „Puerta y Ventana“: ein einfaches Reihenhaus, das sich zur Straße nur mit einer Tür und einem Fenster öffnet. Beim Umbau wurde der langgezogene Innenraum nach hinten – wie üblich für die Typologie – zu einem kleinen Patio geöffnet und ein weiteres Stockwerk aufgesetzt.

Buero Kofink Schels, T.I.A.-House, Almería, Spanien 2014 – 2016, Foto: Simon Jüttner

Buero Kofink Schels, T.I.A.-House, Almería, Spanien 2014 – 2016, Foto: Simon Jüttner

Die Distanz war laut den Architekten dabei weit weniger problematisch als das extrem geringe Budget. Denn durch die sukzessive Beschaffung gebrauchter Baumaterialien durch den Bauherrn mussten immer wieder planerische Anpassungen vorgenommen werden: „Wir haben das irgendwann als ‚reaktives Entwerfen‘ bezeichnet, weil wir im Endeffekt nur reagieren konnten“, so Simon Jüttner, der dennoch mit humorvoller Haltung auf die widrigen Entstehungsbedingungen zurückblickt. Schließlich ist aus dem Projekt ein feines Erstlingswerk geworden, das im gekonnten Einsatz einfachster Mittel seinen Charme vermittelt und sich gut in das Viertel einfügt. Nachdem das Haus 2018 für den DAM-Preis nominiert wurde, plant das Büro inzwischen an der Zusammenlegung des Grundstücks mit einem Nachbarbau – ebenfalls ein „Puerta y Ventana“.

Buero Kofink Schels, Umbau einer Scheune, Rueyres, Frankreich 2015 – 2016, Foto: Simon Jüttner

Buero Kofink Schels, Umbau einer Scheune, Rueyres, Frankreich 2015 – 2016, Foto: Simon Jüttner

Bei einem anderen Projekt im französischen Rueyres bestimmte ebenfalls das stark limitierte Budget die Arbeit. Eine alte Scheune sollte zu einem Büro, einer Werkstatt, einem Fotolabor, einer Bibliothek mit Holzofen und einem großen Essplatz ausgebaut werden. Ein ambitioniertes Raumprogramm für die überschaubare Größe des Baus, doch Kofink und Jüttner ließen sich nicht abschrecken und entwarfen ein Haus-im-Haus-Konzept, bei dem der Gesamtraum erfahrbar und in seiner Tragstruktur unangetastet bleibt. Eine begehbare Raumskulptur aus Holz nimmt im Inneren das Fotolabor auf, obenauf befindet sich ein Büroarbeitsplatz. Der entwerferische Ansatz war dabei zugleich der Versuch, die Planung angesichts der seltenen Kontrollmöglichkeiten vor Ort so klar wie möglich zu halten. Als sich im Projektverlauf schließlich abzeichnete, dass die Fertigstellung ins Stocken gerät, fuhren Jüttner und Kofink kurzerhand mit Werkzeug und Nähmaschine nach Frankreich und übernahmen selbst das Finishing mit Farbe, Vorhängen und einigen Details.

Buero Kofink Schels, Umbau einer Scheune, Rueyres, Frankreich 2015 – 2016, Foto: Simon Jüttner

Buero Kofink Schels, Umbau einer Scheune, Rueyres, Frankreich 2015 – 2016, Foto: Simon Jüttner

„Es ist schwierig, da rauszukommen, wenn die Leute sehen, dass man in der Lage ist, mit geringen Budgets zu arbeiten“, kommentiert Jüttner die Situation, die sich aus den ersten Low-Budget-Projekten mit hohem Maß an Eigeninitiative ergab. „Der Budgetdruck ist immer sehr stark gewesen, es beginnt jedoch, anders zu werden“, ergänzt Kofink. In den letzten zwei Jahren versucht das Büro, ihr Portfolio über die Teilnahme an zahlreichen Wettbewerben zu erweitern und kann bereits einige Erfolge verzeichnen: „Es geht in kleinen Schritten, aber stetig voran, weil wir Support von älteren Kollegen haben. Wir hatten das Glück, dass diese uns immer wieder gefragt haben, ob man Wettbewerbe zusammen macht“, berichtet Kofink. Für kleinere Projekte in der Region München sehen die Architekten derzeit dagegen wenig Möglichkeiten: „In München kann man gutes Geld verdienen, wenn man eine gewisse Klientel bedient. Aber für Projekte in Nischen sowie für Projekte mit einem etwas abweichenden Anspruch gibt es kein großes Potential. Die Leute, die sich das Bauen leisten können, gehen das vermeintliche Risiko nicht ein, junge Büros zu engagieren“, so Kofink.

Buero Kofink Schels, Wählvermittlungsstelle, Erweiterung / Umbau des Nebengebäudes eines ehemaligen Postamtes, Bad Hindelang, laufend, Foto: Simon Jüttner

Buero Kofink Schels, Wählvermittlungsstelle, Erweiterung / Umbau des Nebengebäudes eines ehemaligen Postamtes, Bad Hindelang, laufend, Foto: Simon Jüttner

Dass es die beiden Architekten am Anfang zur Eigenleistung hinzog, hat auch mit ihren Biographien zu tun: Sebastian Kofink machte zunächst eine Lehre zum Zimmermann bevor er sein Architekturstudium in Liechtenstein und Prag absolvierte. Simon Jüttner, der Architektur in München studierte, brachte sich die handwerklichen Fähigkeiten Schritt für Schritt selbst bei. So auch bei seinem eigenen Wohnhaus im Allgäu, das ebenfalls nach Entwürfen des Büros entstand und zum Großteil selbst gebaut ist. Dabei handelt es sich um den Umbau eines Nebengebäudes der Post aus den 1950er Jahren, das um ein weiteres Stockwerk erweitert wurde. Während man mit dem Satteldach den hiesigen Bauauflagen folgte, war die Verwendung von Massivholz für die Aufstockung ein klares Bekenntnis zum nachhaltigen Bauen, so Jüttner: „Die Idee war, radikal ökologisch zu bauen, mit hochwertigen Materialien, aber dabei herauszufinden, wie günstig das sein kann.“ Mit kreativen Lösungen wurden dabei Standards unterwandert. So sind beispielsweise die Fenster nicht als Aussparungen innerhalb der Wandtafeln ausgeführt, sondern als selbstgebaute, raumhohe Schiebefenster zwischen den Holztafeln installiert.

Buero Kofink Schels, House with two columns, Polling 2017 – 2019, Foto: Simon Jüttner

Buero Kofink Schels, House with two columns, Polling 2017 – 2019, Foto: Simon Jüttner

Die schrittweise Entwicklung des Büros veranschaulicht auch das „House with two columns“, so Jüttner: „Es war das erste Projekt, wo wir die Erkenntnisse aus den frühen Low-Budget-Projekten umgesetzt haben, ohne dass wir es selbst mit unseren eigenen Händen ausführen mussten“. Dabei gab es bei dem Einfamilienhaus ähnliche Voraussetzungen wie bei den vorherigen Bauten: sehr geringe finanzielle Mittel und ein dementsprechend hohes Maß an Eigenleistung, „aber eben durch den Bauherrn selbst und nicht durch uns“, so Ko­fink. Die Entwurfsidee ist einfach: Das Erdgeschoss ist als offener Raum konzipiert, der lediglich von zwei rohen Betonstützen getragen wird, raumhohe Einbauschränke aus Holz unterteilen in Küchen-, Wohn- und Garderobenbereich. Die groben Sichtbetonflächen, kalkgeschlämmte Wände und andere gestaltungsrelevante Elemente stellen auch hier gewohnte Standards infrage und überzeugen in ihrer unprätentiö­sen Ästhetik.

Buero Kofink Schels, House with two columns, Polling 2017 – 2019, Foto: Simon Jüttner

Buero Kofink Schels, House with two columns, Polling 2017 – 2019, Foto: Simon Jüttner

Wer meint, dass Kofink Schels mit ihrem schroffen Minimalismus irgendeinen Zeitgeist bedienen wollen, ist jedoch auf der falschen Fährte. Denn gerade der Instagram-fähigen Oberfläche begegnen die Architekten mit großer Zurückhaltung. Das hat unter anderem mit Simon Jüttners erstem Berufsweg zu tun, den er als Architekturfotograf bestritt. „Beim Fotografieren erlebt man die Häuser sehr intensiv im Kontakt mit Planern und Bewohnern. Der Blickwechsel zwischen der gebauten Realität und der Bildwelt als Ableitung davon – der große gap, der zwischen den Welten besteht – war für mein Verständnis von Architektur stark prägend“, erläutert Jüttner, „daraus lässt sich eine Skepsis gegenüber der Bildhaftigkeit der Architektur ableiten und eine stärkere Gewichtung auf die Möglichkeiten, die die Architektur dem gelebten Raum bietet – wie sie sich aneignen lässt und auch wie sie altert, was die Materialien angeht. Der Nutzer, die Weiternutzung und die Umnutzung hat für uns eine große Bedeutung“.

Zurzeit arbeiten Kofink Schels an Projekten, die aus Wettbewerbsgewinnen hervorgegangen sind – einem Mehrgenerationenhaus und der Aufstockung eines Häuserblocks in München sowie einem Galerieumbau in Marseille. Wenngleich die Projekte größer werden, planen die beiden Architekten in naher Zukunft kein Wachsen der Bürostruktur. „Wir wollen es eher den Anforderungen entsprechend klein halten, familiär und im direkten Kontakt und Austausch mit den Mitarbeitern“, meint Kofink. In Hinblick auf das Entwickeln einer Architektursprache, die immer weniger dem Diktat der Kosteneinsparung unterliegt, sind die Architekten nach eigener Aussage derzeit noch in einer Findungsphase. Es scheint jedoch unzweifelhaft, dass sich die Kreativität und Authentizität ihres Ansatzes auch hier fortsetzen wird.
Elina Potratz

www.kofinkschels.de

Der reguläre Talk „neu im club im DAZ-Glashaus“ mit Simon Jüttner und Sebas­tian Kofink muss aufgrund des Corona-Virus leider entfallen.

www.daz.de
www.neuimclub.de

Medienpartner: www.marlowes.de

neu im club wird unterstützt von Erfurt und Heinze sowie den BDA-Partnern.

Artikel teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert