Neu im Club: Kim Le Roux und Margit Sichrovsky, LXSY Architekten, Berlin

„Wir sind nicht über Zäune geklettert!“

Die Sachen durchnässt vom strömenden Regen, sitzen wir endlich auf einem hellgrauen Sofa direkt gegenüber der Eingangstür des Impact Hub in Berlin Neukölln und warten auf Kim Le Roux und Margit Sichrovsky von LXSY Architekten. Der von ihnen ausgebaute Coworking und Community Space befindet sich zwischen dem queeren Club SchwuZ und dem KINDL Zentrum für zeitgenössische Kunst im ehemaligen Flaschenlager der Kindl-Brauerei. Das sogenannte Circular Economy Haus (CRCLR-House) wird unter der Leitung des genossenschaftlichen Projektentwicklers TRNSFRM saniert. Während in den aufgesetzten oberen Etagen noch Wohnungen und Büros fertiggestellt werden, ist der Impact Hub darunter schon komplett bezogen. Rechts und links von unserem Sofa erhebt sich der zweigeschossige Einbau mit Einzelarbeitsplätzen, kleinen Büros und großen Besprechungszimmern. Nach wie vor riecht es überall nach frischem Holz – ein bisschen irreführend, ist doch ein großer Teil der Konstruktion und Ausstattung aus zweiter Hand.

Kim Le Roux (links) und Margit Sichrovsky (rechts), Foto: Hannes Wiedemann

Mit dem Impact Hub verbindet LXSY eine lange Historie. In dessen ersten, noch temporären Coworking Space in Berlin quartierte sich das 2015 gegründete Büro auf der Suche nach einem Arbeitsplatz ein; wenige Wochen später schon wurden sie mit dem Innenausbau der neuen Räumlichkeiten am Mehringplatz beauftragt. Für diese Arbeit erhielten sie 2017 den German Design Award. Der jetzige, neue Impact Hub sei eine ähnliche Bauaufgabe gewesen, nur „größer und zirkulär“, sagt Le Roux. Mittlerweile hat sich unser Gespräch verlagert und wir sitzen an einem langen Tisch in einem der Meetingräume. Umgeben sind wir auf der einen Seite von einer Wand aus alten Ziegelsteinen, einer Seekiefernplatte auf der anderen, einer geweißten Wand aus Hanfblöcken auf der dritten, während durch die wiederverwendeten Fenster auf der vierten Seite – zum Gang hin – Tageslicht hereinfällt. Die Materialvielfalt ist symptomatisch für die nachhaltige Bauweise, die vor allem aus alten Beständen schöpfte. Für die Vorplanung haben LXSY Leitbilder erstellt, die die Materialität im Vagen ließen und stattdessen die generelle Beschaffenheit definierten. Beim Eingangsbereich etwa die rote Farbigkeit, „und bei den Teamspaces“, erinnert sich Le Roux, „haben wir zuerst nur danach klassifiziert, ob es eine blickdichte, eine transluzente oder eine transparente Wand ist“ – aus welchen Materialien, das sollte sich später noch zeigen. Erst in der Ausführungsplanung wurde dann der inzwischen gefundene Baustoff, das gefundene Produkt eingebunden. Gesammelt haben die Architektinnen über Instagram und auf Großbaustellen, was einiges an logistischem und organisatorischem Aufwand erfordert habe und stets mit den Bauherren abzusprechen gewesen sei. „Also, wir sind nicht über Zäune geklettert!“ korrigiert Sichrovsky allzu abenteuerliche Vorstellungen. Am Ende sei sogar das Umzugsunternehmen, mit dem sie zusammenarbeiteten, auf sie zugekommen: Sie räumten gerade einen Berliner Supermarkt aus, ob es daraus etwas sein dürfe? Die grauen Sofas stehen heute im Obergeschoss. „Design by availability, aber mit einem klaren Grundgedanken dahinter“, fasst Sichrovsky zusammen.

LXSY Architekten, Impact Hub Berlin at CRCLR-House, Berlin 2022, Foto: Studio Bowie

Der Impact Hub im CRCLR-House ist das erste Projekt, mit dem das Büro den Kreislaufgedanken derart konsequent umsetzt; ganz natürlich fügte er sich jedoch bereits im Zuge ihrer gemeinsamen Masterthesis, in der sie ein Township-Upgrading-Programm in Kapstadt entwickelten. Ziel war es, Erweiterungsbauten für bestehende Sozialwohnungen zu entwerfen. Dafür gebrauchte Materialien zu benutzen, die überall am Straßenrand zur Verfügung standen, lag nicht nur aus Kostengründen auf der Hand, sondern auch, weil es den Gepflogenheiten vor Ort entsprach. Unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung entschieden sich Le Roux und Sichrovsky für eine modulare Bauweise, die einfach reproduzierbar und an die örtlichen Gegebenheiten angepasst war. Es überrascht nicht, dass sie, die sich an der Technischen Universität Berlin kennenlernten, den damaligen Leiter der Habitat Unit Peter Herrle als besonders prägend beschreiben.

Ihre mit dem Impact Hub erworbenen Kenntnisse in Sachen Re-Use können die beiden Architektinnen demnächst – endlich – auch im Hochbau anwenden: asp Architekten wurden, wie auch Sauerbruch Hutton und Drees & Sommer, im Rahmen eines Wettbewerbs für die Realisierung eines Bauabschnitts des „neuen Stöckachs“ im Stuttgarter Osten beauftragt und arbeiten dafür mit LXSY zusammen. Auf dem ehemaligen Betriebsgelände der EnBW (Energie Baden-Württemberg) soll für die IBA’27 ein nachhaltiges Stadtquartier mit Wohnungen und Gewerbeeinheiten entstehen. Das Stichwort „nachhaltig“ bezieht sich dabei einerseits auf die – im Übrigen elementierte oder serielle – Bauweise: Die verwendeten Baustoffe sollen idealerweise aus nachwachsenden Rohstoffen, langlebig und wiederverwendbar sein, die Wand- und Deckenelemente folglich derart konstruiert, dass die einzelnen Komponenten aus- und woanders wieder eingebaut werden können. Andererseits geht es aber auch darum, möglichst flexible Grundrisse zu entwerfen, die verschiedenen Nutzungen entsprechend angepasst werden können. Zudem gibt es hybride Einheiten, die diverse Funktionen – als Gästewohnung oder Büro – erfüllen können, sowie gemeinschaftlich genutzte Räume wie die Dachterrasse oder die Waschräume.

LXSY Architekten, Impact Hub Berlin at CRCLR-House, Berlin 2022, Foto: Studio Bowie

All die Projekte – seien es die Coworking Spaces oder auch die aktuelle Quartiersentwicklung im Merseburger Wiegand Quartier – eint das zentrale Ziel, Orte für Begegnungen zu schaffen, im Kleinen wie im Großen. Wie gut das zumindest im Impact Hub funktioniert, sehen wir bei der kleinen Tour, die uns Kim Le Roux und Margit Sichrovsky im Anschluss an das Interview geben. Wiewohl ein Freitagnachmittag, herrscht rege Betriebsamkeit. In vielen der kleinen Büros brennt Licht, auch die Tische in den offenen Bereichen sind gut besetzt, um eine Sofaecke hat sich eine Gruppe versammelt und diskutiert. Hier zeigt sich das Konzept der beiden Architektinnen für New Work: keine Hierarchien, im Gegensatz zum klassischen Großraumbüro auch Rückzugsorte, kleine Schlafnischen (für den Mittagsschlaf, nicht für die ganze Nacht!) und Telefonboxen. Verschiedene Räume für verschiedene Bedürfnisse. Elementar bleibt aber das auch zufällige Zusammentreffen, aus dem neue Ideen erwachsen können – ein sogenannter „Serendipity Moment“. Ausgehend von einer solchen Begegnung, erzählt Sichrovsky, sei etwa ihr Kiezbett entstanden – ein Bett, das nachhaltig, ressourcenschonend und fair in Zusammenarbeit mit kleinen, regionalen Betrieben produziert und geliefert wird. Nicht umsonst also haben einige große Unternehmen wie zum Beispiel ein ostwestfälischer Haushaltsgerätehersteller ihre Innovationsabteilungen in den Impact Hub verlegt.

LXSY Architekten, Coworking Space „Full Node“, Berlin 2018, Foto: Anne Deppe

All der positiven Resonanz zum Trotz: „Coworking Spaces haben wir jetzt eigentlich zur Genüge und in allen Spielarten entworfen“, sagt Le Roux und bleibt vor einer Wand aus Hanfblöcken stehen, die – mit Kalk verputzt – man leicht auch für eine Betonwand halten könnte. Ihre neue Vorliebe gelte der zirkulären Bauweise. Sie deutet auf die Telefonbox nebenan: die Holzlatten sämtlich Reste von unterschiedlichen Tischlereien, auch die Filzpaneele zur Schallabsorption sind recycelt. Die schwarzen Platten dort: MDF aus einem Berliner Club. Etwas von einer alten Messe, anderes aus einer abgebauten Ausstellung in Dresden. Als wir dann in dem Büro von Concular, der Materialbörse für wiederverwendete Materialien, stehen und Le Roux uns die Deckenleuchten erklärt, die aus dem Armierungsgewebe etwa ehemaliger Wärmeverbundsysteme hergestellt werden können, kommt Annabelle von Reutern hinein, die als „Head of Business Development“ bei Concular tätig ist. Auch ihre Erscheinung passt in die Atmosphäre der regen Betriebsamkeit: Stets schnellen Schrittes, immer unterwegs, sie sei demnächst auch auf eine tolle Veranstaltung eingeladen, aber leider schon anderweitig eingebunden – und zu Le Roux und Sichrovsky gewandt: „Da müsst ihr die Fahne hochhalten!“ Gemeint ist selbstredend die Fahne für die Kreislaufwirtschaft im Bau. So ist mit LXSY Architekten und Concular tatsächlich ein Impact Hub, im wahrsten Sinne des Wortes, entstanden. Man kann nur hoffen, dass sein Einfluss beträchtlich ist.
Theresa Jeroch

www.lxsy.de

Neu im Club-Talk im DAZ
mit Kim Le Roux und Margit Sichrovsky
22. November 2022, 19.00 Uhr
Deutsches Architektur Zentrum DAZ
Wilhelmine-Gemberg-Weg 6, 2. Hinterhof
10179 Berlin
www.daz.de
www.neuimclub.de

Medienpartner: www.marlowes.de

Neu im Club wird unterstützt von Haushahn,
Erfurt und Heinze sowie den BDA-Partnern.

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