DAZ

Parklandschaften

Eine angejahrte Asphaltrampe knickt nach unten ab und stürzt scheinbar direkt auf die bedrohlich nahe Zwerchhausgalerie einer gotischen Hallenkirche zu. Aufzugsaufbauten und Werbeträger rahmen wie zufällig die angeschnittene Doppelturmfassade des Kölner Doms. Renzo Pianos Walfischkaufhaus schiebt sich über die Horizontlinie aus Beton in die Höhe wie ein auftauchendes U-Boot. Die Schriftmarke „KAUFHOF“ in fünfziger-Jahre-Typografie scheint aus goldenen Lettern zu bestehen, doch sind dies nur die leeren Körper längst herausgerissener Neonleuchten hoch oben an einem schäbigen Zweckbaukörper.

Constantin Meyer, Foto aus der Serie „Parklandschaften“

Constantin Meyer, Foto aus der Serie „Parklandschaften“

Hier werden Welten zusammengeschoben, die man so nicht zusammen kennt. Großartige, von vorne bis hinten scharfe Fotos, alle im fahlen Licht und ohne Schattenwürfe aufgenommen, hell in hell, „high key“ im Inkjet-Verfahren geprintet. Eine einheitliche Bildsprache und ein eng begrenztes Sujet sorgen in ihrem Zusammenspiel für eine ganz bemerkenswerte Ausstellung: Der Fotograf Constantin Meyer zeigt seine „Parklandschaften“ im Deutschen Architektur Zentrum DAZ in Berlin.

Constantin Meyer, Foto aus der Serie „Parklandschaften“

Constantin Meyer, Foto aus der Serie „Parklandschaften“

Die Kunstprofessorin Stephanie Bürkle spricht zur Eröffnung von einem „blinden Fleck der Stadtwahrnehmung“, von einem Standort „im Auge des Orkans“, von „Nicht-Orten“. Die Stadt erscheine als gemalte Vedute wie bei Canaletto oder Eduard Gärtner. Es sind keine Menschen zu sehen, keine Autos. Das ist ein ganz wesentliches Paradoxon, handelt es sich bei den Aufnahmeorten doch ausnahmslos um das obere Parkdeck von Kaufhaus-Parkhäusern in nordrhein-westfälischen Innenstädten. Das Zentrum dieser Bilder bildet eine leere Bühne aus, und die Stadt dahinter, die hier oben nur ihre baulichen Hochpunkte zeigt, erscheint als umgestülpte Kulisse.

Constantin Meyer, Foto aus der Serie „Parklandschaften“

Constantin Meyer, Foto aus der Serie „Parklandschaften“

Auf die Frage, wie er es denn geschafft habe, die Parkhäuser frei von Autos zu fotografieren, gibt Constantin Meyer eine Antwort, die auf eine weitere Dimension dieser Fotografie verweist: eine zeitliche. Diese Bilder sind nämlich auch Dokumente des Verschwindens. Der Fotograf hat die Parkdecks an ganz normalen Werktagen zur Geschäftszeit besucht. „Die Dächer werden normalerweise nicht beparkt, außer bei hohem Andrang an manchen Samstagen“, hat Meyer beobachtet. Kein Autofahrer macht sich die Mühe, bis nach oben zu fahren, zumal die Rampen mittlerweile für viele heutige Autos zu schmal gebaut sind.

Kurz: Der Typus des an ein großes Warenhaus angeschlossenen Hoch-Parkhauses ist ein verschwindender Bautyp. In dem Maße, in dem das Konzept der autogerechten Stadt mit ihren Fußgängerzonen und Warenhäusern aufgegeben wird, werden vielerorts die damit verbundenen Parkhäuser abgerissen, sei es, weil die Kommunalpolitik die Autos sowieso aus der Innenstadt heraushalten möchte, sei es, weil die Grundstückseigentümer eine höhere Rendite ihres Bodens realisieren wollen. Die „Parklandschaften“ zeigen also Parkhäuser als Monumente der Nachkriegsstadt zum Zeitpunkt ihres Verschwindens: „Das, wovon man weiß, dass man es bald nicht mehr vor sich haben wird, das wird Bild“, zitiert Stephanie Bürkle Walter Benjamin. Ein großartiges Bild, möchte man hinzufügen.

Benedikt Hotze

Parklandschaften
Fotografien von Constantin Meyer
bis zum 11. November
Mi bis So 15.00 bis 20.00 Uhr
Eintritt frei
Deutsches Architekturzentrum DAZ
Köpenicker Straße 48 / 49
10179 Berlin-Mitte

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Constantin Meyer, Foto aus der Serie „Parklandschaften“

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