Wuchtiger Kontrast
Wieder suchen wir ein Bauwerk, das eine besondere Rolle in der Architekturgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielt oder gespielt hat – sei es durch eine besondere Eigenschaft, eine ungewöhnliche Geschichte oder eine spezifische Merkwürdigkeit. Lösungsvorschläge können per E-Mail (redaktion[at]die-architekt.net) an die Redaktion gesandt werden. Unter den Einsenderinnen und Einsendern der richtigen Antwort verlosen wir das Buch „gleiters universum. architektur“. Einsendeschluss ist der 22. Januar 2024.
Auf einem berühmten Foto dieses Tatorts ist rechts im Bild eine spitzzackig-expressive Gebäudefront in Beton und Naturstein zu sehen, mehrfach vertikal abgestaffelt, und links eine Reihe von prächtig herausgeputzten Fachwerkhäusern. Was ein bisschen nach Römerberg-Ostzeile riecht, ist eine Ansammlung von städtebaulichen „Schmuckstücken“, die nach dem Konzept des zuständigen Stadtbaurats nach dem Krieg als gewolltes „Freilichtmuseum“ an dieser Stelle restauriert, transloziert und rekonstruiert wurden. In einem denkbar wuchtigen Kontrast zu den Fachwerkhäusern steht gegenüber unser Tatort, der, noch als „Heimatgeschichtliches Museum“ konzipiert, seit der Eröffnung einen anderen Namen trägt. Wer nur die schroffe Fassade zur Straße kennt, übersieht, dass auch dieser Bau historische Bauteile integriert: einen Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung mit Turm ebenso wie ein – im Krieg bis auf die Grundmauern ausgebranntes – Speichergebäude aus dem Barock, das zeittypisch purifiziert wiederaufgebaut wurde und somit erstaunlich gut zu den roh belassenen Neubauteilen des Tatorts passt.

Foto: Benedikt Hotze
Im Inneren öffnen sich die Räume des Museums mit geschosshohen Fenstern zu einem asymmetrischen fünfeckigen Innenhof, dessen Bodenplatten sich im Gebäude fortsetzen. Auch ohne Eintrittsgeld öffentlich zugänglich, bietet der Hof eine Oase der Ruhe im Zentrum dieser Großstadt, die ansonsten als Real-Inkarnation der autogerechten Stadt gelesen werden kann.
Kommen wir zum Architekten. Büroansässig am Standort des Tatorts, hat er hier in seiner besten Phase, den 1950er und 60er Jahren, mehrere wichtige Projekte im Bestand realisiert. So hat er neben unserem Tatort noch eine gotische Kirche wiederaufgebaut und eine repräsentative Nutzung in die Ruine eines kriegszerstörten Schlosses eingefügt. Auch diese Projekte leben aus einer bereinigten Fassung des Bestands im Kontrast zu kompromisslos modernen Neubauteilen. Als Hochschullehrer in einer benachbarten Universitätsstadt prägte er – nolens volens – mit einigen Kollegen eine „Schule“, die dieser Architekturabteilung für Jahrzehnte eine besondere Identität verlieh. In der Reihe der Professoren war er vielleicht nicht der überregional bekannteste, aber wahrscheinlich der interessanteste. Das liegt wohl daran, dass er bei aller modernistischer Radikalität einen tiefen Bezug zur Tradition verkörperte, die einer solchen Alt-Neu-Kontrastarchitektur erst eine Seele zu verleihen vermag. Wie heißt das gesuchte Gebäude, wann wurde es errichtet, und wer war sein Architekt?
Benedikt Hotze
Der Tatort aus Ausgabe 5/2023 war das Alvar Aalto-Kulturhaus in Wolfsburg, das 1959 bis 1963 nach einem Entwurf des finnischen Architekten Alvar Aalto entworfen wurde. Gewinner des Buchpreises „Martin Rauch – Gebaute Erde. Gestalten & Konstruieren mit Stampflehm“ ist Peter Brdenk.