Buch der Woche: Palast der Republik

Verspätetes Plädoyer

Vor zehn Jahren waren die Abrissarbeiten am Palast der Republik in vollem Gange. Aus vorwiegend ideologischen Gründen hatte man im Bundestag gegen den Erhalt des als „Ballast der Republik“ bezeichneten Bauwerks gestimmt. „Dieser Teil der DDR-Geschichte hat keine Zukunft verdient“, argumentierte 2006 der damalige CDU-Abgeordnete Wolfgang Börnsen in einer Bundestagssitzung, in deren Verlauf die Aufschiebung des Abrisses von einer Mehrheit abgelehnt und das Schicksal des Palastes besiegelt wurde. Somit blieb von dem 1976 fertiggestellten Bau (entworfen vom Kollektiv der Bauakademie der DDR um Heinz Graffunder), der zugleich als Kulturpalast für das Volk und Sitz der Volkskammer konzipiert wurde, bloß noch die Erinnerung und ein Depot voll von Mobiliar und Gebäudeausstattung. Während der Neubau des Berliner Schlosses, die Simulation des einstigen Hohenzollern-Schlosses, langsam Formen annimmt, hat das Humboldt Forum nun eine Online-Publikation zum Palast der Republik herausgegeben. Entstanden ist sie ist als Ergebnis eines Expertengesprächs im Februar 2016, bei dem der zukünftige Umgang mit der Erinnerung an den DDR-Bau diskutiert wurde.

Die Publikation mit Beiträgen von Judith Prokasky, Manfred Rettig, Anke Kuhrmann, Heinrich Wefing, Martin Sabrow, Thomas Beutelschmidt und Carola Jüllig wird ergänzt durch kürzere Diskussionsbeiträge, unter anderem von den Kunsthistorikern Horst Bredekamp, Kai Kappel und Sigrid Hofer und vielen weiteren Akteuren aus der Forschung, Museumseinrichtungen, Medien und natürlich aus dem Umfeld des Humboldtforums. Auch Zeitzeugen, wie der stellvertretende Direktor des Palastes der Republik, Klaus Beetz, und der letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière, kommen zu Wort. Die Vielzahl an Expertenmeinungen mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen ist hierbei erfreulich. Anke Kuhrmann widmet sich in ihrem Text der Planungsgeschichte und der Bedeutung des Palastes innerhalb der Staatsideologie und der DDR-Gesellschaft.

Heinrich Wefing sieht den Wert des Bauwerks weniger im Architektonischen noch im Politischen, sondern weist auf seinen „merkwürdig hybriden, typologisch unscharfen“ Charakter hin. Neben der Beliebtheit des Palastes bei den DDR-Bürgern, die Wefing betont, reflektiert er die leidenschaftlich geführten Debatten nach der Schließung des Baus wegen Asbestkontamination im Jahr 1990. Hierbei weist er auch auf die ideologische Dimension der Diskussionen hin und wie sich diese durch die Idee der Schloss-Rekonstruktion verschärften. Philipp Oswalt betont, „dass es bei der ganzen Debatte nicht primär um das Bauwerk als solches ging, sondern um ein Objekt, an dem sich verschiedene Sichtweisen festmachten“. Dabei sei es bei den Fragen um Palastabriss und Schlossbau im Wesentlichen auch um die Frage des nationalen Selbstverständnisses gegangen.

Wefing und weitere Autoren heben darüber hinaus auch die Neubesetzung des vom Asbest befreiten Rohbaus des Palastes der Republik durch die Nutzung Anfang der 2000er Jahre hervor. Tatsächlich hatte der Bau in der Zwischennutzung plötzlich ein völlig neues Potential offenbart, nämlich als Wirkungsstätte zeitgenössischer Kunst, als räumliches Experimentierfeld, das zahlreiche Menschen lockte und ein Kontrastprogramm zur Hochkultur der Museumsinsel bot. „Der Palast ist kein Platz für Sentimentalitäten, sondern für die Avantgarde“ schrieb Claudia Schwartz hierzu im Jahr 2003 in der Neuen Zürcher Zeitung.

Wichtiger Aspekt der Publikation ist darüber hinaus auch die zukünftige museale Repräsentation des Palastes im „Museum des Ortes“ im Erdgeschoss des Humboldt Forum. Dabei ging es auch um den  Umgang mit den zahlreichen materiellen Überbleibseln, wie etwa den Kugellampen, die dem Palast den Spitznamen „Erichs Lampenladen“ verliehen, der großen gläsernen „Pusteblume“ aus dem Foyer oder der Bestuhlung des Volkskammersaals. Während Jürgen Danyel gegen die Integration des Palastes „in harmonisierender Absicht“ plädiert und die Ausstellung von „ein paar Relikten“ ablehnt, argumentiert Hermann Parzinger für eine Ausstellung über das Schloss im benachbarten Deutschen Historischen Museum DHM. Thomas Beutelschmidt sieht es als notwendig an, die „Brüche und Fragmente“ der Palast-Geschichte in der musealen Ausstellung aufzugreifen. Horst Bredekamp setzt sich dafür ein, dass die verbliebenen Objekte an Möbel- und Designsammlungen übergeben werden, in denen sie „stilgeschichtlich und ikonologisch erfasst werden können“. Für die Möglichkeiten einer digitalen Rekonstruktion des Palastes machte sich Kai Kappel stark, denn man dürfe „in der Ausstellung nicht hinter den heutigen Stand zurückfallen“.

Nach dem Abriss des Palastes hieß es schnell, es müsse nun ein Ende der emotionalen Debatte um seinen Abriss folgen. Schließlich ist die Situation nicht mehr zu ändern: der Palast ist unwiederbringlich zerstört; uns bleibt nur noch die Frage nach dem Umgang mit der Erinnerung an ihn. Daher ist man einerseits froh, dass der Palast der Republik mit dieser Publikation Wahrnehmung und Würdigung erfährt und dass er auch in Zukunft Eingang in das geplante „Museum des Ortes“ im Humboldt Forum finden wird. Die Beiträge zum Bau sind dabei von hoher Qualität und bieten interessante Blickweisen auf seine Rezeptionsgeschichte. Andererseits bleibt beim Lesen der Online-Publikation die Irritation, dass mit den Organisatoren des zugrundeliegenden Expertengesprächs ausgerechnet die Nutznießer des Abrisses nun die Erinnerungskultur für den Palast vorantreiben.

Dass dies nach so kurzer Zeit beginnt, scheint beinahe symptomatisch für eine Gesellschaft, die sich gerne selbst für ihre vorbildliche Geschichtsaufarbeitung rühmt. Noch vor elf Jahren, im Jahr 2006, hätte man den Rückbau noch aufhalten können. Wenngleich von den Autoren selbst vermutlich wenige den Abriss befürwortet haben, so verärgert es in gewisser Weise, wenn jetzt – einige Jahre nach seiner Vernichtung – Experten den kulturhistorischen, architektonischen, politischen und Erinnerungswert des Palastes herausarbeiten. Dieses Buch, das sich in Teilen wie ein Plädoyer für die Denkmalwürdigkeit des Palastes der Republik liest, kommt leider zu spät.

Heute Abend findet die feierliche Wiedereröffnung des Kulturpalastes in Dresden nach seiner Umgestaltung durch das Architekturbüro gmp statt. Das Ereignis zeigt einmal mehr, dass der Abriss des Palastes der Republik nicht alternativlos war.

Elina Potratz

Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss (Hrsg.): Palast der Republik – Ein Erinnerungsort neu diskutiert, Berlin 2017, ISBN: 978-3-00-055667-8

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