Seyed Mohammad Oreyzi (1959–2020)

Architektur ohne Grenzen

Seyed Mohammad Oreyzi ist tot. Der 1959 in Shiraz im Iran geborene Architekt hat zunächst in London und schließlich in Köln gelebt und gearbeitet. Dort studierte er von 1983 bis 1989 an der damaligen FH Architektur. Von 1989 an arbeitete er im Lichtdesign-Studio von Hans von Malotki und im Büro von Joachim Schürmann. Nach dem Diplom wurde Oreyzi 1991 Projektpartner von Thomas van den Valentyn. In diese frühe Zeit fallen auch künstlerische Rauminstallationen, in denen Oreyzi mit schmelzendem Eis und der Wirkung von Farbe im Raum experimentierte.

smo architekten / Thomas van den Valentyn, Musikgymnasium Schloss Belvedere, Weimar 1993–1995, Foto: Rainer Mader

smo architekten / Thomas van den Valentyn, Musikgymnasium Schloss Belvedere, Weimar 1993–1995, Foto: Rainer Mader

1994 gründete er sein Büro smo architekten, das bis heute existiert. Bei van den Valentyn bearbeitete er gleichzeitig das Musikgymnasium Schloss Belvedere in Weimar, „eine einmalige Chance“ für ihn, wie er selbst sagte, und ein zeitloser Bau, für den die Architekten 1996 den Thüringischen Staatspreis und den Deutschen Natursteinpreis bekamen. Im gleichen Jahr wurde Oreyzi zusammen mit van den Valentyn zur 6. Architekturausstellung bei der Biennale in Venedig eingeladen. Unter dem von Hans Hollein bestimmten Motto  „Voci Emergenti“ traten die beiden Architekten zusammen mit Diller & Scofidio, Bolles Wilson, Odile Decq, Glen Murcott, Peter Zumthor und Ben van Berkel und einigen anderen auf, die heute zum internationalen Establishment der Architekturszene gehören. Die Zusammenarbeit mit Thomas van den Valentyn setzte sich auch später fort: 2002 bis 2004 entwarfen und bauten die beiden die unterirdische Passage zwischen Reichstag und Jakob-Kaiser-Haus in Berlin und das vielfach ausgezeichnete Max-Ernst-Museum in Brühl.

smo architekten (nach Oswalt Matthias Ungers), Gästehaus Hanstein, Köln 2006–2007, Foto: Rainer Mader

smo architekten (nach Oswald Mathias Ungers), Gästehaus Hanstein, Köln 2006–2007, Foto: Rainer Mader

1997 bekam S Mad Oreyzi, wie er sich zeitweise nannte, den Deutschen Kritikerpreis. Seine Bauten und Entwürfe dieser Zeit sprechen eine klare Sprache, die sich in der Beschränkung auf einfache geometrische Formen, wenige, sehr präzise eingesetzte Materialien und Farben ausdrückt. Die Klarheit der Bauten von Oswald Mathias Ungers übte unwiderstehliche Anziehungskraft auf den Architekten aus: 2006/2007 baute Oreyzi in Köln-Müngersdorf ein Gästehaus, bei dem er Ungers Konzept des eigenen Wohnhauses, des sogenannten „Hauses ohne Eigenschaften“ im Kämpchensweg von 1994, aufnahm. „Es geht um eine autonome Architektur“, erläuterte Oreyzi damals, „die nur sich selbst darstellt, um Konzentration auf das Wesentliche, das Notwendige.“ Das Äußere des Baus gestaltete der Architekt streng nach Ungers Vorgaben, das Innere nach seinen eigenen: „Die Abstraktion des Äußeren stammt aus der Welt von Zahl und Maß, die des Inneren aus der von Farbe und Form.“

smo architekten, The Cloud 2, Köln 2012, Foto: Rainer Mader

smo architekten, The Cloud 2, Köln 2012, Foto: Rainer Mader

Ein besonderes Interesse Oreyzis galt in den Jahren danach der formbildenden Kraft der Konstruktion. Aus der Beschäftigung mit der klassischen Moderne schöpfte er Anregungen für filigrane Kolonnaden, Hochhäuser und schließlich auch für amorphe computergenerierte Formfindungen, die jedoch nicht realisiert wurden. Beim 2012 fertiggestellten Wohnhaus „The Cloud 2“ in Köln kombinierte er den Raumplan von Adolf Loos und den plan libre Le Corbusiers – das Äußere des Hauses folgt der hybriden Raumdisposition. Oreyzis letzte Arbeit war der Masterplan für die Wohnsiedlung „Rheintal“, die in Wesseling vor den Toren Kölns entstanden ist.

smo architekten, Entwurf Bubble High-Rise, Berlin 2002, Abbildung: smo architekten

smo architekten, Entwurf Bubble High-Rise, Berlin 2002, Abbildung: smo architekten

Oreyzi war regelmäßiger Gast bei Ausstellungen und Vorträgen, vor allem im Ungers Archiv für Architektur, wo man ihn als diskussionsfreudigen und vielfach interessierten Zeitgenossen erleben konnte. Ästhetik und Philosophie gehörten für ihn genauso selbstverständlich zur Architektur wie die ständige Suche nach ihrer Erneuerung und Verbesserung. Das ihm eigene Forschen nach dem Visionären, dem Künstlerischen und dem Grenzüberschreitenden in der Architektur, das er noch 2015 in der Ausstellung „Monuments and Ballons“ vorgeführt hat, ist vielleicht der Grund, warum Oreyzi nicht so viel bauen konnte, wie er sich gewünscht hätte. Am 11. April ist Seyed Mohammad Oreyzi im Alter von 60 Jahren gestorben – viel zu früh, weil von diesem ungewöhnlichen Menschen und Architekten noch so viel zu erhoffen war.
Andreas Denk

Abbildung oben: smo architekten / Thomas van den Valentyn, Max-Ernst-Museum, Brühl 2002–2004, Foto: Rainer Mader

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