Fernmeldeamt am Dresdner Postplatz wird abgerissen

Das Letzte seiner Art

Dresden ist gespalten, schon lange. Und das zeigt sich auch in der Diskussion über Architektur und Stadtplanung in der Landeshauptstadt. Scheinbar unversöhnlich stehen sich diejenigen, die die Erinnerung an das „Alte Dresden“ (so der Titel des 1955 erschienenen Buches von Fritz Löffler) hochhalten und nicht selten zu den Verfechtern von großräumigen Rekonstruktionsprojekten zählen, jenen gegenüber, die der Dresdner Moderne und der DDR-Architektur ein Forum bieten wollen und die Neubauten um die Frauenkirche gern als „Beton-Barock“ bezeichnen. Vor diesem Hintergrund ist es fast verwunderlich, dass der für 2016 verkündete Abriss des Fernmeldeamtes aus den achtziger Jahren (VEB Bau- und Montagekombinat Kohle + Energie) am Postplatz öffentlich scheinbar wenig hinterfragt wird. Nach dem sogenannten Lindehaus und der HO-Gaststätte „Am Zwinger“ (im Volksmund „Fresswürfel“ genannt) wird mit dem Plattenbau nun auch das letzte bauliche DDR-Relikt am Platz getilgt. Viele dürfte es gar erleichtern – steht das Gebäude doch seit mittlerweile zwanzig Jahren leer und wird wohl auch aus diesem Grund nicht selten als „Schandfleck“ bezeichnet.

Anstelle des 6-geschossigen Plattenbaus des Fernmeldeamtes plant der Investor, die Berliner CG-Gruppe, einen Neubau unter dem Vermarktungsname „MaryAnn Apartments“ (Fassade: Büro F29, Dresden, Leistungsphasen 1 bis 4: Homuth + Partner Architekten). Im 28 Meter hohen Gebäude mit Mischnutzung und Tiefgarage sollen auf etwa 14.370 Quadratmeter Wohnfläche rund 280 Apartments entstehen. Die Investitionssumme beträgt 56,5 Millionen Euro. Auf die Frage, ob ein Erhalt des Bestandsbaus zu irgendeinem Zeitpunkt erwogen worden war, beruft sich der Sprecher der CG-Gruppe auf die Vorgaben des Bebauungsplans. „Was jedoch zu beachten ist, dass es sich beim Fernmeldeamt um einen Industriebau handelt, welcher mit seiner Gebäudetiefe keine wohnwirtschaftliche Nutzung zulässt. Der Nachweis für gesunde Wohnverhältnisse, Belichtung und Besonnung gelingt am Bestandsgebäude nicht.“

Der Postplatz befindet sich an zentraler städtischer Lage nahe dem Zwinger, der Semperoper und dem Dresdner Schauspielhaus, also in direkter touristischer Einflugschneise. Nicht allein aus diesen Gründen ist er eine der prestigeträchtigsten und am meisten diskutierten Umgestaltungsflächen der Stadt. Großflächig zerstört bei den Luftangriffen von 1945, wurde er zu DDR-Zeiten in lockerer Streuung nur teilweise wieder bebaut. Mit dem „Schürmann-Plan“ aus dem Jahr 1991 etablierte man ein neues städtebauliches Leitbild, das auf eine – im Vergleich zur Vorkriegssituation – starke Aufweitung des Platzes zielte. Allerdings wurden erst in den letzten Jahren die Platzkanten nach und nach bebaut. Zuerst mit dem „Willsdruffer Kubus“, einem Wohn- und Geschäftshaus (Städtebau: Joachim Schürmann Architekten, Köln, Fassade: Schulz und Schulz, Leipzig), dann mit einem Hotel der Low-Budget-Kette Motel One (see-Architekten, Dresden, Fassade: Knerer & Lang, Dresden). An den Bauten schieden sich die Geister von Kritik und Feuilleton. Nachdem anfangs für den Postplatz eine Neubebauung mit vorwiegend Büro- und Geschäftsräumen geplant war, verlagert sich der Schwerpunkt jetzt auf den Wohnungsbau, wofür Anfang des Jahres bereits mit den ersten Neubauten begonnen wurde.

Der Investor wird ebenfalls die Grundmauern der bei den Luftangriffen von 1945 stark beschädigten Oberpostdirektion sanieren und zu einem Wohn- und Geschäftshaus umbauen (Pott Architects, Berlin/London). Anders als beim Fernmeldeamt sind die Reste des alten Gebäudes hier offenbar erwünscht und werden als historisches Zitat in den Neubau integriert.

Juliane Richter

 

 

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