David Kasparek

Ein Berliner Versuch

Serieller und modularer Schulbau

Bruno Fioretti Marquez Architekten, vierzügige modulare Grundschule, Berlin 2018 – 2023, Systematik, Variationen des Programms, Abb.: BFM

„Man kann sich die Welt nicht so backen, wie man sie sich wünscht. Ich hätte es auch schöner gefunden, wenn wir schon vor zehn Jahren mit der Schulbauoffensive begonnen hätten.“ Die Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher sitzt im Café Einstein am momentan gar nicht so prachtvollen Boulevard Unter den Linden. Eine U-Bahn-Linie wird derzeit fertig gebaut. Endlich, muss man sagen, schließlich wurde die Fortführung der U5 vom Alexanderplatz bis zum Hauptbahnhof bereits 1995 begonnen. Manche Dinge in Berlin dauern eben länger. U-Bahnlinien, Flughäfen, Schulbauoffensiven gleichermaßen wie die Halbwertzeit der Witze über all das.

Bruno Fioretti Marquez Architekten, vierzügige modulare Grundschule, Berlin 2018 – 2023, Systematik, Variationen des Programms, Abb.: BFM

Dennoch: Berlin boomt, die Stadt wächst an allen Ecken und Enden. Das zwingt die Verwaltung der Hauptstadt nicht nur über bezahlbaren Wohnraum für alle nachzudenken, sondern auch über entsprechende Schulbauten – und am Ende dazu beides bauen zu müssen. „Man könnte auch sagen: bauen dürfen“, sagt Lüscher zwischen zwei Schlucken Latte Macchiato. Gut, dass Annegret Kramp-Karrenbauer das jetzt nicht gesehen hat. Die Herausforderung, vor der Lüscher und ihre Abteilung stehen, ist gewaltig. „Wir müssen innerhalb kürzester Zeit sehr, sehr viele Schule bauen. Allein die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung – also unser Hochbaubereich – wird bis 2023 / 24 mit dem Bau von insgesamt 39 Schulen beginnen.“ Im Rahmen dieser Schulbauoffensive über sechzig neue Schulen gebaut werden.

Bruno Fioretti Marquez Architekten, vierzügige modulare Grundschule, Berlin 2018 – 2023, Systematik, Variationen des Programms, Abb.: BFM

5,5 Milliarden Euro stehen dafür zur Verfügung, die ersten zehn Schulen werden derzeit errichtet oder befinden sich in den finalen Zügen der Planung. Da der Senat zum Zeitpunkt der Genehmigungsplanung das neue Musterraumprogramm noch nicht verabschiedet hatte, mussten diese Schulhäuser dem neuen Ideal noch nicht entsprechen – „in weiten Teilen entsprechen sie diesem trotzdem“, wie Lüscher einwendet. Für jede dieser zehn Schulen gab es einen individuellen Architektenwettbewerb. Inzwischen aber ist das neue Musterraumprogramm beschlossen. Damit will sich die Stadt ebenfalls von den Flurschulen im herkömmlichen Sinne verabschiedet haben. Die Klassen arbeiten nun in einem Lernhaus in sogenannten Compartments zusammen. In diesen Abteilungen soll ein freieres Lernen mit individualisierten und unterschiedlichen Lernformen möglich gemacht werden.

Bruno Fioretti Marquez Architekten, vierzügige modulare Grundschule, Berlin 2018 – 2023, KOnstruktion, Abb.: BFM

Also hat Berlin im Sommer 2018 neben individuellen Konkurrenzen auch zwei nichtoffene Realisierungswettbewerbe ausgelobt, in denen die teilnehmenden Büros Vorschläge für eine drei- und eine vierzügige Grundschule entwickeln sollten – jeweils als modulare Typenbauten mit seriell vorgefertigten Bauteilen und ergänzt um eine Sporthalle in gleicher Bauweise. „Gerade in den neuen Stadtvierteln, die wir entwickeln, sind Typenentwürfe möglich“, findet Senatsbaudirektorin Lüscher. Dabei seien es weniger die allseits propagierten Sparpotentiale gewesen, die zu dieser Wettbewerbsgrundlage geführt hätten. „Es geht vor allem um den Faktor Zeit. Hinsichtlich Planung und serieller Vorfertigung spricht aber auch der Kostenfaktor für dieses Vorgehen. Das wurde bereits bei den modularen Ergänzungsbauten für bestehende Schulen erkannt, die wir in jüngster Vergangenheit realisiert haben.“ Ein Mitglied der Jury, die Anfang Dezember über den Wettbewerbsgewinn beschied, bezweifelte dies jedoch schon in der Jury-Sitzung. Die Grundstücke seien schlicht zu unterschiedlich, als dass die Planung mit derart wenig auf den Ort angepasster Individualisierung auskäme. Die dreizügige Schule soll schließlich fünf-, die vierzügige sechsmal gebaut werden – jeweils noch einmal so viele Realisierungen sind laut Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen außerdem vorstellbar. Die Architekten sind Generalplaner, der Bau erfolgt in Amtshilfe durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen.

Als Sieger für die dreizügige Schule ging das Büro h4a Gessert + Randecker (Düsseldorf / Stuttgart) aus dem Wettbewerb hervor, für die vierzügige Bruno Fioretti Marquez Architekten (Berlin). Derzeit läuft das angeschlossene Vergabeverfahren. Für Lüscher eine logische Folge: „Der Typenentwurf hat den Vorteil, dass man nur einmal entwerfen muss, ein Vergabeverfahren bietet gleichzeitig aber die Möglichkeit, den Entwurf in einem gewissen Maße anzupassen.“

Bruno Fioretti Marquez Architekten, vierzügige modulare Grundschule, Berlin 2018 – 2023, Abb.: BFM

Der 2. Preis im Wettbewerb um die dreizügige Schule jedenfalls ging an Herbst Kunkler Architekten und aim busse architekten ingenieure (Berlin), der 3. Preis an Bruno Fioretti Marquez Architekten. Dazu wurden Anerkennungen an erchinger wurfbaum architektur Müntinga + Puy (Berlin) sowie an PPAG architects (Wien) ausgesprochen. Im anderen Vergleich ging der 2. Preis an Ackermann + Raff Architekten (Stuttgart), der 3. Preis an PPAG architects und je eine Anerkennung an AFF architekten und huber staudt architekten (beide Berlin). Im Vorfeld war Kritik am Verfahren aufgekommen. Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur sprach davon, dass die „Architekten hier von der Verwaltung schlecht behandelt“ werden: „Wenn man so ein Thema wie ‚seriellen Schulbau‘ angeht, müsste man als Verwaltung im Grunde auch bereit sein, die im Wettbewerb gefundene Typenlösung wegen der Schwierigkeit und der Kreativität nach Honorarzone fünf – also besonders hohe Planungsanforderungen – zu bezahlen, und alles weitere beispielsweise mit Stundenhonoraren zu begleichen.“ Für Nagel eine Frage der Fairness: „Man kann nicht billig einkaufen, sich dann frei bewegen und behaupten, man bräuchte keine Architekten mehr. Dann haben wir ein Problem. Das meine ich nicht berufsständisch, sondern inhaltlich und sachlich: Man kann die Leute nicht ohne Begleitung mit dem Produkt Schule laufen lassen, das ist immer ein planerisch ‚bemanntes Produkt‘.“

Bruno Fioretti Marquez Architekten, vierzügige modulare Grundschule, Berlin 2018 – 2023, Systematik, Variationen des Programms, Grundriss 1. OG, Abb.: BFM

Martin Gessert sieht das weniger kritisch, Vergabeverfahren gehören für ihn zum täglich Brot: „Wir haben den Wettbewerb für die dreizügigen Grundschulen gewonnen, das VgV-Verfahren ist aber noch nicht abgeschlossen. Wir wissen noch von keinem offiziellen Ergebnis. Wir hoffen, dass wir das machen dürfen und gehen, vorsichtig optimistisch, auch davon aus“, berichtet er am Telefon. Simone Jeska, verantwortlich für den Bereich „Communications“ im Büro Bruno Fioretti Marquez Architekten, erklärt auf Nachfrage: „Wir werden bis zur Leistungsphase 4 beauftragt, sowie mit der Entwicklung der Leitdetails und Teilleistungen der Leistungsphasen 5 bis 9.“ Martin Gessert führt aus: „Wir werden verschiedene Varianten für unterschiedliche Grundstücke entwickeln. Der Typenentwurf bietet die Möglichkeit, eine Leitdetailplanung vorzugeben, die tiefgehend ist und die erforderlichen Qualitäten hinreichend beschreibt.“ Sein Büro h4a hat bereits andere Schulen im Bundesgebiet in ähnlichen Verfahren entwickelt. Von der Detailqualität, auch in der Ausführung, seien die Ergebnisse so, „dass man damit zufrieden sein kann.“

Bruno Fioretti Marquez Architekten, vierzügige modulare Grundschule, Berlin 2018 – 2023, Systematik, Variationen des Programms, Grundriss EG, Abb.: BFM

„Das von uns entwickelte Entwurfskonzept ist auf fünf bis maximal zehn Schulstandorte beschränkt. Die Schulen werden an die Standorte angepasst, die Freianlagen beispielsweise individuell geplant. Auch damit modifizieren sich die Schulen je nach Grundstück.“ Ein grundlegendes Problem mit dem Verfahren hat Gessert nicht. Für ihn überwiegen die Chancen. Die modulare Bauweise hat für ihn den Vorteil, dass man sehr schnell bauen könne – „in der Theorie auch durchaus wirtschaftlich“, wie er einschiebt. Der Architekt erklärt: „Die Serialität bietet uns die Möglichkeit zu einer intensiven und detailscharfen Planung. Das betrifft die Module, die räumliche Konfiguration sowie die Materialien bis in die Details.“ Welche Qualitäten ähnlich gelagerte Projekte haben können, zeige sich, so Martin Gessert, auch an den modularen Schulen, die Wulf Architekten zwischen 2011 und 2017 für München realisierten: „Innenräumlich sind das sehr schöne Schulen, die zudem gut funktionieren.“

Bruno Fioretti Marquez Architekten, vierzügige modulare Grundschule, Berlin 2018 – 2023, Systematik, Variationen des Programms, Konstruktion Fassade, Abb.: BFM

Denkt man an die letzte Phase seriell und modular geplanter Typenbauten, fällt der Blick fast automatisch in die 1970er-Jahre. Etliche Bauten wurden damals unter fast identischen Vorzeichen geplant und realisiert wie heute. Kosten- und Zeitdruck bildeten die Hintergrundfolie, Architektinnen und Architekten dachten die Industrialisierung des Bauprozesses konsequent weiter. Viele der damals entstandenen Häuser erfreuten sich in der Bürgerschaft jedoch ebenso wenig eines guten Rufs wie ihre Halbwertzeit von großer Dauer war. Aus unterschiedlichen Gründen sind inzwischen viele Schulhäuser aus dieser Epoche abgerissen und durch Neubauten ersetzt – anderen, wie der Lenau-Grundschule in Berlin Kreuzberg, stehen aufwendige Abbrucharbeiten noch bevor.

Während etwa beim Bau der Oberstufenzentren – wie dem Neubau des Oberstufenzentrums für Körperpflege von farwick+grote architekten BDA Stadtplaner in Berlin-Charlottenburg (2005 – 2008) – in den 2000er Jahren auch beschleunigte Prozesse auf Verwaltungsseite angelegt wurden, steht ähnliches für die aktuellen Verfahren nicht zur Diskussion. Für die Schülerinnen und Schüler der Lenau-Schule sowie das Lehrpersonal hat das eine Umquartierung zur Folge, von der der Bezirksstadtrat in der Abteilung für Wirtschaft, Ordnung, Schule und Sport, Andy Hehmke, und Mark Rackles, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (beide SPD), lapidar von „Umlagerung“ sprechen. Gerade so, als ginge es hier um einige Kartons voller Akten, die man nun für eine gewisse Zeit eben etwas enger zusammenrücken könne, weil man sie in den kommenden Jahren nicht dringlich braucht.

h4a Gessert + Randecker Architekten, dreizügige modulare Grundschule, Systematik und Variationen des Programms, Berlin 2018 – 2023, Abb.: h4a

Verkürzte Verfahren aber, wie sie bei den Oberstufenzentren in den 2000er Jahren durchgeführt wurden, können aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht mehr vollzogen werden. Regula Lüscher erklärt: „Das Verfahren der teilweisen Freigaben bietet Risiken. Der letzte Fall, bei dem wir das angewendet haben, war die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden – dort waren wir sehr unter Zeitdruck. Zu was das geführt hat, ist bekannt.“ Statt im Herbst 2013 konnte das Ensemble die Oper erst gut vier Jahre später, im Dezember 2017, wieder im offiziellen Betrieb bespielen. Die angepeilten Baukosten von 239 Millionen Euro stiegen auf rund 440 Millionen Euro an. Für die nun anstehenden Schulen müssen immerhin nicht mehr zwei Bauplanungsvorlagen erstellt werden – also eine Vorplanung (VPU) und eine Bauplanung (BPU) –, sondern nur noch eine, die sogenannte „Erweiterte Vorplanungsunterlage (EVU)“. „Dadurch verkürzen sich die Planungszeiten“, so Lüscher, und man könne „die Planenden ohne Unterbrechung weiter beauftragen, auch wenn die Planungsunterlagen noch nicht durch das Parlament genehmigt sind.“

h4a Gessert + Randecker Architekten, dreizügige modulare Grundschule, Visualisierung, Berlin 2018 – 2023, Abb.: h4a

Die Entwürfe selbst machen sich dabei die Vorgaben hinsichtlich Serialität und Modularität durchaus charmant zunutze. Bruno Fioretti Marquez schlagen einen Stahlbeton-Skelettbau aus Fertigteil-Stützen und Halbfertigteil-Deckenelementen vor, die zur Aussteifung um massive betonierte Aufzugs- und Treppenhauskerne ergänzt werden. Auf zusätzliche Beplankungen oder Beschichtungen der Rohbauteile wird verzichtet. Der Entwurf entwickelt sich auf einem Konstruktionsraster von 8,25 x 8,25 Metern, Stahlverbundstützen mit einem Quadratprofil-Querschnitt von 30 x 30 Zentimetern in den Obergeschossen und Walzprofil-Quadratrohre HEB 300 im Erdgeschoss sorgen für gleich dimensionierte Querschnitte. Darauf werden Unterzug-freie Fertigteildeckenelemente aufgelegt, die mit Ortbeton ergänzt werden. Auch die Fassadenelemente werden als Sandwich-Bauteile vorgefertigt, deren gedämmte Brüstungsbereiche mit verschiedenen Außenmaterialien belegt werden können. In den ersten Visualisierungen waren das zum einen Holz, zum anderen kleinteilige Keramikfliesen.

Das vorgeschlagene Raster ermöglicht verschiedene Variationen der Module: gegeneinander verschoben, gestapelt oder gespiegelt. Ein Compartment setzt sich hier aus zwei Unterrichtsbereichen zusammen, die jeweils aus drei Stammgruppenräumen, zwei unterschiedlich großen Teilungsräumen und einem zentralen Forum als pädagogische wie räumliche Mitte bestehen. Ergänzt wird das jeweils um WCs, Neben- und Teamräume und eine Fluchttreppe. Ein Treppenmodul verbindet die gestapelten oder in der Ebene zueinander gestellten Compartment-Module miteinander und mit dem Gemeinschaftsbereich im Erdgeschoss. Er beherbergt Mensa, einen angeschlossenen und zuschaltbaren Mehrzweckraum, Küche, Fundus und Möbellager. Ergänzende Bausteine dieser Systematik sind Schulverwaltung, Sozial- und Inklusionsarbeit, Fachklassen- und Bibliotheksräume, die sich sinnfällig auf den Geschossen der Schulhäuser verteilen.

h4a Gessert + Randecker Architekten, dreizügige modulare Grundschule, Grundriss EG, Berlin 2018 – 2023, Abb.: h4a

Das Team von h4a um Martin Gessert setzt auf eine tragende Fassade in Holzrahmenbauweise. Vollholzstützen mit gedämmten Zwischenräumen bilden die vorgefertigten Fassadenelemente, die sowohl als Variante mit stehenden Öffnungselementen wie als Bandfassade ausformuliert werden können. Wie die Fassadenelemente sollen auch die Decken vorgefertigt werden – hier jedoch als Holzverbunddecken mit drei Metern Breite, die auf Holzträger aufgelegt werden. Auch hier bilden zwei Unterrichtsbereiche zu je 550 Quadratmetern Grundfläche ein Compartment. Drei Stammgruppen- und zwei Teilungsräume reihen sich entlang eines L um ein Forum. An einer gemeinsamen Mittelachse aus Team-, Ruhe- und Nebenräumen sowie einem verglasten Lichthof wird dieses Element schließlich gespiegelt. Verbunden mit einem Erschließungselement lassen sich die Regelgeschosse mit dem Gemeinschaftsbereich im Erdgeschoss verbinden und ebenfalls unterschiedlich miteinander kombinieren: gestapelt, gespiegelt, versetzt, gereiht oder verdreht.

Beide Entwürfe werden dem aktuellen pädagogischen Konzept auf angenehm unprätentiöse Weise gerecht. Die Maßgaben aus dem Wettbewerb, einen Typenbau mit seriell vorgefertigten Bauelementen zu konzipieren, finden ihre Entsprechung in Konstruktion und Materialwahl. Angst, wieder die gleichen Fehler wie in den 1970er Jahren zu machen, haben weder Martin Gessert noch Regula Lüscher. Gessert etwa erläutert: „Viele Schulen aus den 1970er Jahren, die modular entworfen und gefertigt sind, haben immer noch eine hohe räumliche Qualität. Vor allem die aktuellen pädagogischen Konzepte aber lassen diese Häuser als Flurschulen überholt wirken.“ Wenn diese Schulen als System nicht flexibel genug seien, werde es schwer, sie aktuellen Bedürfnissen anzupassen. Das gelte aber genauso für Schulen aus den 1950er- und 1960er-Jahren sowie aus anderen Epochen, so Gessert. Er führt aus: „Ich glaube nicht, dass wir es nur mit einem Problem der 1970er-Jahre zu tun haben. Das Problem dieser Schulen ist die Detailausbildung, die verwendeten Baustoffe – und dass an diesen Schulbauten systematisch keine Instandhaltung betrieben wurde.“ Die Berliner Senatsbaudirektorin stößt ins gleiche Horn: „Das Problem vieler Bauten aus den 1970er Jahren sind nicht die Details und der Grad der Ausführung, sondern die verbauten Baustoffe wie Asbest oder Mängel bei der Lüftungstechnik. Heute hat man ganz andere Standards. Wir leben in einer anderen Zeit, mit einer anderen Sensibilität als noch in den 1970er Jahren.“

h4a Gessert + Randecker Architekten, dreizügige modulare Grundschule, Grundriss 1. OG, Berlin 2018 – 2023, Abb.: h4a

So möchte man meinen, dass die beteiligten Architektinnen und Architekten eher dem Verfahren zum Trotz gute Entwürfe abgeliefert haben. Martin Gesserts Meinung dazu ist klar: „Entscheidend bei diesem Verfahren ist, dass eine Stadt wie Berlin ihrer riesigen Aufgabe gerecht wird, innerhalb kurzer Zeit gut zu bauen. Die Bauverwaltungen haben natürlich das gleiche Problem wie alle Architekturbüros: Gutes Personal ist einfach unglaublich knapp. Die Chance, vor diesem Hintergrund qualitativ gut zu bauen, ist durch das Verfahren und die Modularität des Entwurfs gegeben.“ Regula Lüscher untermauert diesen Anspruch: „Die Architekten werden im ganzen Prozess eine Art von baukünstlerischer Oberleitung innehaben. Sie sind bis zum Schluss eingebunden. Das ist ein Teil der Qualitätskontrolle, die auch für uns sehr wichtig ist.“

Für Martin Gessert findet sich dieser Qualitätsanspruch genau in der Serialität des Entwurfs: „Man kann ein Modul, eine Schule optimieren. Und das in einer hohen Qualität, die bei fünf gleichzeitig ablaufenden Verfahren nicht in der Form gewährleistet wäre. Da kämen dann womöglich zwei gute und drei weniger gute Entwürfe heraus. So aber kann man fünf Mal zu gleicher Qualität bauen.“ Dieses Argument freilich lässt sich ebenso gut umkehren. Schließlich bleiben Risiken. Lassen sich bei der aktuellen konjunkturellen Lage überhaupt ausführende Baufirmen finden, die gleichermaßen die nötige handwerkliche Qualität wie Sicherheit hinsichtlich der ambitionierten Zeitplanung gewährleisten oder bleiben die Hoffnungen am Ende doch auf der Strecke und alle Äußerungen nur Lippenbekenntnisse? Ergebnis könnten also abseits der Qualität des Entwurfs dennoch fünf schlechte Schulen sein, die eben zur gleichen (minderen) Qualität ausgeführt wurden. Noch lässt sich das nicht bewerten, der Wille, es dieses Mal besser zu machen als in der Vergangenheit, scheint gegeben. So schließt Regula Lüscher im Café Einstein: „Risikolos bin ich nur, wenn ich gar nicht plane und baue.“

Dipl.-Ing. David Kasparek (*1981) studierte Architektur in Köln. Er war als Gründungspartner des Gestaltungsbüros friedwurm: Gestaltung und Kommunikation als freier Autor, Grafiker und Journalist tätig. Nach einem Volontariat und freier Mitarbeit bei
der architekt ist er seit 2008 Redakteur dieser Zeitschrift, seit Anfang 2019 als Chef vom Dienst. David Kasparek moderiert mit wechselnden Gästen die Gesprächsreihe „neu im club im DAZ-Glashaus“, die neu in den BDA berufene Mitglieder vorstellt. Er lebt und arbeitet in Berlin.

 

Artikel teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert