Zum geplanten Umbau der Kirche St. Agnes in Berlin

Ein großer Wurf?

Bereits Ende September  fand in dem von Werner Düttmann entworfenen Kirchengemeindezentrum St. Agnes in Berlin-Kreuzberg eine Veranstaltung der Architekturzeitschrift Arch+ statt – die Reihe Arch+features stellt regelmäßig junge Architekturbüros und ihre Arbeit vor. In der Alexandrinenstraße sollte es – allerdings zum Unmut einiger Anwesender – vor allem um die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift gehen, wozu die Berliner Architekten Arno Brandlhuber, Johanna Meyer-Grohbrügge und Sam Chermayeff eingeladen waren. Letztere bilden zusammen das Büro June 14. Interessant war vor allem der Beginn des Abends,als Brandlhuber, Meyer-Grohbrügge und Chermayeff kurz ihre Konzeption zum Umbau des Düttmannschen Komplexes vorstellten.

Der Bau von Düttmann, „dem Stimmann seiner Zeit“, wie Nikolaus Kuhnert, Mitherausgeber und langjähriger Redakteur von Arch+, den ehemaligen Berliner Regierungsbaurat nannte, stammt aus den Jahren 1964 bis 1967. In diesem brutalistischen Ensemble fanden bis 2004 Gottesdienste der katholischen Kirche statt, anschließend wurde es von einer evangelischen Freikirche genutzt. Ende 2011 wurde das gesamte Gemeindezentrum schließlich unter großer medialer Anteilnahme verkauft – der Galerist Johann König wird sich im ehemaligen Kirchenraum seine Galerie einrichten. Für die Räume des Gemeindezentrums, der ehemaligen Büros und der Kindertagesstätte werden derzeit noch Nutzungen gesucht. Einer der wahrscheinlichsten Mitnutzer ist die Redaktion der Arch+ selbst, die die Räume auch für kommende Veranstaltungen gebrauchen kann.

König, Sohn des Kölner Kurators Kasper König, vertritt einige namhafte und vor allem junge Künstler, darunter auch Katharina Grosse. Den Umbau des Ensembles vom Gemeindezentrum zur Galerie mit angelagerter Gastronomie und Kreativwirtschaft teilen sich mehrere Büros: Sanierung und Instandsetzung übernehmen einsbisneun architekten, der Entwurf für die Planung stammt von Brandlhuber + Emde Schneider, für die Außenraumgestaltung zeichnen June 14 verantwortlich. Das denkmalgeschützte Ensemble soll weitestgehend in seinem Originalzustand belassen, seine Ästhetik bewahrt werden.

Für den Umbau vom Kirchenschiff zur Galerie planen Arno Brandlhuber und sein Team, einen „Tisch“ in den Kirchenraum einzustellen. Dieser soll bündig an die Oberkante der Emporenbrüstung anschließen und auf vielen Stützen den gesamten Raum durchziehen. Ziel ist es, einen weniger horizontol gerichteten Raum mit den vorhandenen, großartigen Lichtverhältnissen auf dem „Tisch“ und ein begehbares Schaulager darunter zu erhalten. Der ursprüngliche Raum soll durch eine an den Seitenwänden des Kirchenschiffs entlang geführte Glasfuge auch nach dem Einbau des „Tisches“ ablesbar bleiben. Wie gut dieser Eingriff ausgeführt werden wird – daran wird sich maßgeblich die räumliche Qualität entscheiden. Wenn es den Architekten gelingt, ein gutes solitäres Möbel einzustellen, das sich durch seine Materialität mit dem Bestand verwebt, kann ein wichtiger Beitrag zur Denkmalpflege und zum guten Umgang mit der Bausubstanz der 1960er und 1970er Jahre geleistet werden. Wenn nicht, wird es lediglich eine rauhgeschalte Sichtbetonzwischendecke, die einen herrlichen Raum in zwei unbefriedigende Teilräume zerteilt.

Warum Johanna Meyer-Grohbrügge und Sam Chermayeff den schönen Innenhof des Komplexes überhaupt mit einem Betontisch verstellen wollen, wirft noch Fragen auf. Eine „Metastruktur“ möchten June 14 mit ihrem „Gartendesign“ schaffen, so Chermayeff, in die die Nutzer eine Vielzahl von Optionen einflechten können: es sei gleichgültig, ob weitere Pflanzen, Tische und Bänke eines Biergartens hinein gestellt werden, die Struktur bestünde fort, so Chermayeff weiter. Zentrales Element soll dann der erwähnte zentrale Betontisch werden, den der Galerist König ebenso mit Skulpturen eindecken könne, auch das Anpflanzen weiterer Gewächse sei vorstellbar.
David Kasparek

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