Buch der Woche: Bauhaus 1919 – 1933

Einstiegsdroge

Am Ende waren es nur 14 Jahre, die diese Schule existierte und doch kann man sich ihr anno 2019, einhundert Jahre nach ihrer Gründung, kaum entziehen. 1919 wurde das Bauhaus als eine Schule in Weimar gegründet, deren erklärtes Ziel die „Sammlung alles künstlerischen Schaffens zur Einheit, die Wiedervereinigung aller werkkünstlerischen Disziplinen – Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Handwerk – zu einer neuen Baukunst als deren unablösliche Bestandteile“ war. Wie so viele Protagonisten jener Jahre nach dem Ersten Weltkrieg strebten auch Walter Gropius und seine Mitstreiter an, das Leben als Ganzes umzukrempeln. Lebensreform in allen Bereichen. Also auch in Architektur, Gestaltung, Kunst und Handwerk und der entsprechenden Ausbildung. Diesem totalen Wunsch der Erneuerung und dem folgenden Geschick bei der öffentlichen Platzierung der eigenen Anliegen ist es wohl zu verdanken, dass eine Lehranstalt, die objektiv auch nur eine von mehreren neuen Schulen war, und zudem schon 1933 wieder geschlossen wurde, bis heute eine solche Strahlkraft hat, die verschiedenste Institutionen bis hin zu ganzen Bundesländern das 100. Jubiläum derart feiern lässt.

Auch der Kölner Taschen Verlag nimmt das 100-jährige Bestehen zum Anlass, um zahlreiche Publikationen zum Thema zu veröffentlichen. Bemerkenswert ist dabei sicher die aktualisierte und ergänzte Ausgabe von Magdalena Drostes Standardwerk, das zusammen mit dem bauhaus archiv berlin 1990 entstand, und schlicht mit „Das Bauhaus 1919 – 1933“ betitelt ist. Den 256 Seiten in der ersten Fassung sind fast 150 weitere hinzugefügt worden, die Platz für über 250 neue Abbildungen bieten: Fotografien, Schriften, Studien, Skizzen, Pläne und Modelle zeigen die Vielschichtigkeit des Bauhauses und seiner unterschiedlichen Lehrenden wie Studierenden.

Die Stärke des Buches ist dabei nach wie vor, ein klassisches Übersichtswerk zu sein. Droste erzählt die Geschichte des Bauhauses von seinen Anfängen in Weimar über die Blüte der Schule in Dessau bis hin zu ihrer Schließung durch die Nationalsozialisten in Berlin. Dabei fundiert sie die Gründung mit den für das Verstehen der Zeit und ihrer Protagonisten wichtigen Vorgeschichte, beleuchtet die Gründung der Lehranstalt selbst ebenso wie die Relevanz, die etwa Peter Behrens für eine ganze Generation deutscher Architekten im Vorfeld des Bauhauses hatte. Auch die Fragen und Probleme, die im Rahmen anderer aktueller Publikationen und Tagungen rund um das Bauhaus diskutiert werden, tauchen hier auf, sind aber in aller Regel nicht auserzählt.

So könnte sicher der Fakt, dass Walter Gropius weite Teile seiner Programmatik von Otto Bartning übernahm, ein eigenes Kapitel oder gar ein eigens Buch füllen. Genau wie die Diskussion um den, die Anfangsjahre prägenden Lehrer Johannes Itten, der durchaus rassistischen Ideen und Idealen nachhing. Oder die an üble Nachrede grenzenden Versuche, mit denen Gropius seinen Nachfolger Hannes Meyer nach dessen Demission als Bauhaus-Direktor im Juli 1930 mit Erfolg zu diskreditieren suchte. Auch der Beitrag Ludwig Mies van der Rohes und Lilly Reichs zur Berliner Bauausstellung 1931 könnte ob seiner raumgreifenden Verschwendungssucht in Zeiten, in denen andere Bauhäusler wie Josef Albers, Hans Volger, Carl Fieger und Marcel Breuer Kleinwohnungen vorstellten, die auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen Antworten geben sollten, ausgiebiger thematisiert werden.

Magdalena Droste benennt all diese Konfliktlinien – und weitere – bereits in der Erstausgabe von 1990, ohne aber ins Detail zu gehen. Die Vielschichtigkeit der vermeintlich so homogenen Lehranstalt ist also Kern des Buches. Dass die Autorin dabei nicht in die Tiefen der jeweiligen Unterthemen abtaucht, ist dem Typus der Publikation  als Übersichtswerk geschuldet und Droste somit nicht zum Vorwurf zu machen. Genau diesen Überblick aber über die Entstehung, Geschichte und die verschiedenen, diese Historie prägenden Köpfe, bietet das Buch nämlich. Gepaart mit einer Vielzahl von Abbildungen spannt sich ein Bild auf, das auch beim Wiederlesen beeindruckt. Als Einstieg in die Materie taugt es allemal gut. Die fast besessene Beschäftigung vieler mit dem Bauhaus – auch und vor allem einhundert Jahre nach seiner Gründung – zeigt, dass die rauschhaften Jahre zwischen 1919 und 1933 auf die Riege der Gestalterinnen und Gestalter bis heute wie eine Droge wirkt, von der nur schwer loszukommen ist. Magdalena Droste hat dazu 1990 gewissermaßen den Einstieg geliefert, dessen Revision erneut beachtenswert ist – zumal mit den inzwischen vorliegenden und an den genannten Stellen ins Detail gehenden anderen Publikationen verschiedener Autoren auch das entsprechende Methadon bereitsteht.

David Kasparek

Magdalena Droste: Bauhaus 1919 – 1933. Aktualisierte Ausgabe, Hardcover, 400 S., 550 Abb., 40,- Euro, Taschen Verlag, Köln 2019, ISBN 978-3-8365-7279-8

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