Mit nordischem Flair
Wir suchen erneut ein Bauwerk, das eine besondere Rolle in der Nachkriegs-Architekturgeschichte spielt oder gespielt hat – sei es durch eine besondere Eigenschaft, eine ungewöhnliche Geschichte oder eine spezifische Merkwürdigkeit. Lösungsvorschläge können Sie per Post, Fax oder E-Mail an die Redaktion senden. Unter den Einsendern der richtigen Antwort verlosen wir ein Buch. Einsendeschluss ist der 23. März.
Eigentlich hatte man den Ort, der schon zur Römerzeit eine wichtige Rolle spielte, bereits verloren gegeben. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs waren so groß, dass die Planer der Besatzungsmacht zunächst an eine vollständige Neuplanung der Stadt nach den Maßgaben der Charta von Athen dachten. So wollte man die „modernste Stadt der Welt“ entstehen lassen. Doch der Widerstand der Bevölkerung erwies sich als zu groß: Der Wiederaufbau geschah in den fünfziger Jahren „als Folge von Kompromissen und Zufälligkeiten“, wie ein Stadthistoriker formulierte. Doch zumindest das Flusspanorama wollte man als repräsentative Schauseite der Karnevalshochburg mit repräsentativen Neubauten säumen. Neben einer Kongress- und Festhalle schrieb man einen Wettbewerb für ein Rathaus aus, das zusammen mit einem neuen Einkaufszentrum eine Stadtkrone im Sinne der 1960er Jahre werden sollte. Ein bedeutender Nordländer gewann die Ausschreibung. Auf einer quadratischen Plattform, die vom Zentrum über eine Fußgängerbrücke zu erreichen ist, plante er ein annähernd dreieckiges Gebäude, das die Hälfte des Grundstücks als Raum für die Bürger freilässt. Die Formulierung der Fassaden mit bronzefarbenen Sonnenschutzgittern und hellgrauem Granit aus dem norwegischen Porsgrunn gibt dem Bau ein entschieden kühles Flair. Im Innern empfängt den Besucher eine hohe Eingangshalle mit röhrenförmigen Aufzügen. Der Plenarsaal des Rats, wie alle Räume bis heute mit den zum Teil vom Architekten selbst entworfenen Interieurs ausgestattet, orientiert sich am demokratischen Ideal der kreisrunden Sitzordnung. Der Architekt erlebte die Fertigstellung des Gebäudes nicht mehr. Es wurde zwei Jahre nach seinem Tod von seinem ebenfalls bekannten Partner fertig gestellt. „Wir glauben, (…) einen Ort hoher Wertigkeit geschaffen zu haben, der öffentliches Interesse und vielleicht auch Diskussion wecken wird“, sagte jener zur Einweihung des Hauses. Am Tag nach der ersten Stadtratssitzung wurde das Gebäude von Karnevalisten gestürmt. Heute erfreut sich der Bau nur verhaltener Wertschätzung. Zeitweise wurde sogar sein Abriss erwogen. Seinerzeit hat sich der BDA auf allen Ebenen für den Erhalt des einzigartigen Gebäudes eingesetzt. Doch immer noch ist von Umbaumaßnahmen die Rede, die zwar in die Hände der Nachfolger der Wettbewerbsgewinner gelegt werden sollen, aber eine Zerstörung einiger Unverwechselbarkeiten zur Folge hätten. „Ein Für und Wider wäre schon ein positives Zeichen, denn ein Haus, über das man nicht redet, ist meist nicht der Rede wert“, sagte der fertigstellende Architekt, als der Bau fertig war. Um welches Gebäude handelt es sich?
Der „tatort“ der Ausgabe 6/14 war das Gewandhaus in Leipzig, das von Rudolf Skoda mit Eberhard Göschel, Volker Sieg und Winfried Sziegoleit zwischen 1975/76 entworfen und 1981 fertiggestellt wurde. Der Gewinner des Buchpreises ist Thomas Gehrmann aus Langenfeld.
Foto: Andreas Denk