Buch der Woche: Snapshot

Nabelschau

Die beiden Brüder Ansgar und Benedikt Schulz sind zwei der aktivsten Architekten des Landes – nicht nur was ihre Bautätigkeit angeht. Beide leiten seit 2010 den Lehrstuhl für Baukonstruktion an der TU Dortmund, zudem publiziert das Brüderpaar regelmäßig. Zuletzt unter anderem das Lehrbuch „Perfect Scale“ zur Frage einer maßstabsgerechten Darstellung in der Architekturzeichnung. Seit Ende letzten Jahres liegt nun das nur zwölf mal 16 Zentimeter große Büchlein „Snapshot“ vor.

Ausgangsthese der im Berliner Jovis-Verlag vorgelegten Publikation ist eine Beobachtung, die Ansgar und Benedikt Schulz im Rahmen ihrer eigenen Arbeit vorgenommen haben. Sie haben festgestellt, dass sie kaum noch Dinge zeichnerisch festhalten, die ihnen irgendwo auffallen, sondern stattdessen, so die bekennenden Schalke-Fans, zückten sie regelmäßig ihr Smartphone, um damit Details, Materialien, Szenerien und dergleichen mit der Kamera aufzunehmen. Das geschehe zudem in der Regel ohne größeren künstlerischen Anspruch. Und so scheint die These der beiden schlüssig, dass das Smartphone mit Kamera das Skizzenbuch der Architekten in dieser Hinsicht ersetzt haben könnte. Im Falle von Schulz und Schulz zumindest ist das so.

Snapshot“ führt nun 120 ausgewählte Bilder dieser „Handyfotos“ zusammen. Die Spanne ist immens. So hält Benedikt Schulz auf einem Schnappschuss den Fußballschuh von Lukas Podolski ins Bild, als dieser noch für Arsenal FC aus London spielte, ein anderes zeigt Bananen unterschiedlichster Art – inklusive Geleebananen –, dazu kommen diverse architektonische Details. Interessant ist sowohl die Auswahl der Motive als auch ihr oft augenzwinkernder Subtext. So scheinen viele Bilder auf den ersten Blick eindeutig, geben ihren Kern aber erst beim genauen Hinsehen preis – andere erklären sich gar erst durch die kurzen Erläuterungen, die jedem Motiv an die Seite gestellt wurden.

Manches mag dabei wie eine Ego-Show wirken wenn die beiden Architekten in überraschenden Momenten etwas merkwürdig in die Kamera grinsen. Genau hier aber liegt die Stärke des kleinen Buches. Man muss die beiden sympathischen Architekten gar nicht näher kennen, aber es hilft zu wissen, dass das hier keine Selbstbeweihräucherung ist, sondern ein bemerkenswert offenherziges Statement zur eigenen Arbeitsweise. Ansgar und Benedikt Schulz gewähren tiefe Einblicke in das, was ihre in den letzten Jahren vielfach publizierte und ausgezeichnete Arbeit beeinflusst. Und das jenseits einer durchkalkulierten und vorhersehbaren architekturspezifischen Ästhetik. Die Bilder sind rau, ungeschminkt und zum Teil auch einfach nicht schön. Aber sie belegen, was Architekten heute inspiriert.

Unterstrichen wird das durch einzelne Seiten, die sich ausklappen lassen und auf denen ein direkter Bezug zu gebauten oder entworfenen Projekten von Schulz und Schulz Architekten hergestellt wird. Was sich auf knapp 280 Seiten sonst als andeutungsreicher und mitunter metaphorischer Bilderkosmos darstellt, wird hier an die gebaute – oder zumindest entworfene – Realität angebunden. Das Buch wird so zum idealen Begleiter für die anstehenden lauen Sommermonate: man kann darin blättern, sich an der einen oder anderen Stelle festlesen, staunen und viel schmunzeln.

David Kasparek

Ansgar und Benedikt Schulz: Snapshot, Broschur, 278 S., ca. 120 farb. Abb., Deutsch/Englisch/Spanisch, Jovis Verlag, Berlin 2016, 25, Euro, ISBN 978-3-86859-445-4

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