neu im club

Die Liebe zum Detail

Eun-A Pauly und Fabio Fichter, pauly + fichter architekten BDA, Neu-Isenburg

Die erste Überraschung ist die Decke. In einem Hinterhof in Neu-Isenburg vor den Toren Frankfurts, in einem gesichtslosen zweigeschossigen Bürohaus, residiert das Architekturbüro pauly + fichter im Obergeschoss und schon durch die Glastür wird der Blick fast magisch von der Decke angezogen. Sie ist übersät mit Schaumstoffkuben, die wie Stalaktiten auf quadratischem Fuß unterschiedlich weit in den Raum hinabhängen. „Wir sind erst seit zwei Wochen hier“, erklärt Eun-A Pauly beim Besuch zu Beginn des neuen Jahres. „Deswegen ist auch alles noch etwas leer.“ „Noch?“ unterbricht ihr Büropartner Fabio Fichter sie ironisch lächelnd: „Das bleibt so!“

pauly + fichter architekten BDA, Büro pauly + fichter, Neu-Isenburg 2017, Foto: Eun-A Pauly, pauly +  fichter

Das Büro ist gewachsen in der jüngeren Vergangenheit. „Wir saßen vorher als Untermieter im Erdgeschoss, hatten zwei Schreibtische und einige Regalmeter. Aber allein unsere Materialbibliothek und die Akten haben dafür gesorgt, dass wir aus allen Nähten platzten“, führt Pauly aus. Nun also ist mehr Platz: weiß verputzte Wände, unbehandelter Beton an der Decke, Estrich auf dem Boden, in der Mitte des großen Raums eine Tischinsel aus Eiermanngestellen, an der die Architekten und ihre Mitarbeiter sitzen. Kleine Raumkompartimente gehen vom zentralen großen Raum ab, sind aber nicht durch Türen abgetrennt, sondern können bei Bedarf mit Schiebeelementen optisch geteilt werden.

„Wir sind immer auf der Suche danach, was ein Material oder ein Produkt leisten kann“, sagt Eun-A Pauly. Mit Blick an die Decke erzählt Fichter: „Das System gibt es so schon, aber wir haben es anpassen lassen, mit einer Schablone und Kreide die Markierung des Deckenspiegels aufgetragen“, „…und dann auch die Leuchten entsprechend der Fußabdrücke der Kuben ausgewählt,“ führt Pauly den Satz zu Ende. „Natürlich ist das Standard-Detail viel sicherer. Aber uns interessiert die individuelle Lösung meist mehr.“ Nicht zuletzt, weil sie der gewünschten Atmosphäre des Projekts in der Regel dienlicher sei.

pauly + fichter architekten BDA, Haus D, Usingen 2017, Foto: Eun-A Pauly, pauly + fichter

Auch das System aus verschiebbaren Wänden, das die Büroetage gliedert, ist so entstanden. „Eigentlich ist das eine sehr konventionelle Schiebetür“, führt Pauly aus. Die Architekten haben mit dem Hersteller aber schon bei einem anderen Projekt zusammengearbeitet und so ist eine modifizierte Variante entstanden, die aus der Tür eine Wand macht: Auf den 13 Metern der Raumlänge laufen auf im Boden versenkten Schienen sechs Paneele, die sich zu Wandscheiben zusammenschieben lassen. Gut lässt sich so beispielsweise eine Nische der Etage komplett oder nur in Teilen als Besprechungsraum abtrennen.

Mit dieser Liebe fürs Detail gehen die beiden an der TU Darmstadt ausgebildeten Architekten jedes Projekt an. „Auch wenn wir dafür nicht immer geliebt werden“, wie Eun-A Pauly lachend zugibt. Die bisherigen Ergebnisse sprechen dabei deutlich für diese Herangehensweise, ob das der schon benannte Bürokomplex in Raunheim ist oder verschiedene Wohnungsum- und -ausbauten. Vor allem bei letztgenannten überzeugt der Ansatz durch ihr sicheres Gespür für Materialien, Fügungen und Raumzonierungen.

pauly + fichter architekten BDA, Verwaltungsgebäude mit Werkstatt und Magazin, Raunheim 2013 – 2015, Foto: Thomas Ott Fotografie

Das bis dato wichtigste Projekt für Eun-A Pauly und Fabio Fichter aber ist ohne Zweifel der Bürokomplex in Raunheim. Am östlichen Rand der kleinen Gemeinde am Main haben die Architekten einen Werkhof mit Verwaltungs- und Bürogebäude entwickelt. Die Hauptansicht des viergeschossigen Hauptgebäudes wird dominiert von bodentiefen Fensterbändern, in denen sich durchsichtige und transluzente Fassadenelemente einem Strichcode gleich abwechseln, und einem umlaufenden auskragenden Betonband. Dieses Band umläuft die komplette Ansicht und wird nur in einem Bereich um zwei Stockwerke angehoben, was den Eingang mit souveräner Geste betont. Beide Motive prägen leicht variiert auch die Werkstatt, die entlang eines verbindenden Flachbaus, der Magazin und Lager birgt, um rund 120 Meter versetzt die Flucht des Hauptgebäudes aufnimmt und den Betriebshof fasst.

pauly + fichter architekten BDA, Verwaltungsgebäude mit Werkstatt und Magazin, Raunheim 2013 – 2015, Foto: Thomas Ott Fotografie

Das Gebäude ist seitdem zu einer Art Ankerprojekt geworden, an dem viele unmittelbare wie mittelbare Folgeschritte der bisherigen Karriere von Pauly und Fichter hängen. Das Büro hat das Projekt beim, beworben. Die Auszeichnung wird gemeinsam von den BDA-Landesverbänden Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland vergeben und wurde von diesen in Katalog und Ausstellung dokumentiert, die seit Juli 2016 durch Deutschland tourt und zuletzt in Saarbrücken zu sehen war (siehe der architekt 6/17, S. 79).

Neben einer Anerkennung bei diesem Preis und der folgenden Berufung in den BDA Hessen sei es allein der Fakt, ein „ordentliches Gebäude“, wie Fabio Fichter lachend sagt, auf der eigenen Homepage zeigen zu können, der dazu geführt habe, dass Bauherren auf das Büro aufmerksam wurden. Auch deshalb verspürten sie „eine tiefe Dankbarkeit“ für die Chance, ein solches Projekt realisieren zu können, sagt Pauly.

Obschon sie sich über einen Mangel an Aufträgen derzeit nicht beschweren können, sieht Fabio Fichter hinsichtlich der eigenen Berufspraxis eine grundlegende Schieflage: „Die Akzeptanz für Architektur in der Öffentlichkeit ist zweigeteilt. Auf der einen Seite ist sie vorhanden, und es gibt für wichtige Projekte Wettbewerbe, die dann wiederum eine andere Problematik haben, auf der anderen Seite wird der größte Teil aller Einfamilienhäuser in Deutschland ohne die Beteiligung von Architekten gebaut.“ Fichter führt das auf ein generelles gesellschaftliches Missverhältnis zurück. Wie etwa beim Essen, so sei man auch bei Themen wie Architektur nicht bereit, den für gute Qualität notwendigen Preis zu zahlen.

pauly + fichter architekten BDA, Wohnung P, Kronberg 2013, Foto: Eun-A Pauly, pauly +  fichter

Diese Qualität benennen sowohl er als auch seine Büropartnerin in der Atmosphäre, die gute Architektur erzeuge und die dann auch wahrgenommen werden könne. In ihrer alltäglichen Arbeit hilft den beiden Architekten dabei auch der Austausch jenseits des Büros: „Wir sind beide mit Nicht-Architekten verheiratet“, erklärt Fabio Fichter. Und Eun-A Pauly, die neben der Arbeit im Büro auch noch in der Lehre im Fachbereich für Entwerfen und Baukonstruktion von Felix Waechter an der TU Darmstadt tätig ist, führt aus: „Ihnen die Projekte zu erklären, die wir gerade bearbeiten und welche Probleme sich in unseren Augen dabei auftun, ist oft sehr hilfreich.“

Auch der Bau in Raunheim war eine solche Form der Familienhilfe. Der Bauherr des mittelständischen Unternehmens ist ein Schwager von Fabio Fichter, der als Geschäftsführer das Vertrauen für das junge Büro aufbrachte. „Das Projekt lief über zwei Jahre und wir konnten alle Leistungsphasen mindestens in Teilen mitbetreuen“, erläutert Eun-A Pauly: „Der Bauherr war auch deswegen so gut, weil er uns bis zum Schluss in gestalterische Fragen mit eingebunden hat.“ Ihr Büropartner ergänzt: „Das war mit viel Arbeit und Risiko für alle Beteiligten verbunden, und vor allem mit einem enormen Vertrauensvorschuss, der uns entgegengebracht wurde.“ Und so ist das Verwaltungsgebäude mit Werkstatt und Magazinhalle ein gutes Beispiel dafür, wie Architektur gelingen kann, wenn Bauherren und Architekten an einem Strang ziehen und Hand in Hand arbeiten.

David Kasparek

www.pauly-fichter.de

neu im club im DAZ-Glashaus
Talk mit Eun-A Pauly und Fabio Fichter:
28. Februar 2018, 19.00 Uhr
Werkschauprojektion:
29. Februar bis 6. Mai 2018

www.neuimclub.de
www.daz.de
www.derarchitektbda.de

Medienpartner: www.marlowes.de

neu im club wird unterstützt von dormakaba, Erfurt und Heinze und den BDA-Partnern.

 

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