Buch der Woche: Taut baut

Uneitle Verbeugung

Max Taut, 1884 in Königsberg geboren, ist unzweifelhaft eine der wichtigen Persönlichkeiten in der Deutschen Architekturgeschichte. Seit 1911 arbeitete er als selbständiger Architekt in Berlin, ab 1913 gemeinsam mit seinem älteren Bruder Bruno und Franz Hoffmann. Max Taut war Mitglied im „Arbeitsrat für Kunst“, den er 1918 mit anderen mitbegründete und er veröffentlichte ab 1919 Beiträge in der von Bruno Taut herausgegebenen Zeitschrift „Frühlicht“ und zur „Gläsernen Kette“. Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre folgten einige vielbeachtete Häuser, darunter das Verbandshaus der Deutschen Buchdrucker in Kreuzberg oder die Großbäckerei der Konsumgesellschaft in Spandau. 1967 starb Max Taut in Berlin.

Den 50. Todestag des Architekten in diesem Jahr nimmt der Werkbund Berlin nun zum Anlass, ihm ein Buch zu widmen, das sich einem Ausschnitt im gebauten Werk Tauts annimmt. Für „Taut baut“ wurden zwölf Taut-Gebäude ausgewählt, zu denen Autoren unterschiedlicher Couleur teils sehr persönliche Geschichten erzählen. Dabei spielt die klassische Architekturkritik eine eher nebengeordnete Rolle, der Fokus liegt auf der individuellen Wahrnehmung der zwölf Schreiber.

Der in der Schweiz geborene Architekt Max Dudler etwa schreibt über die Max-Taut-Schule in Berlin-Lichtenberg (1927-1932), der Regisseur Wim Wenders über jenes Haus am Oranienplatz (1929-1932), in dem er eine zeitlang wohnte und arbeitete – und das, nebenbei bemerkt, heute Dudlers Berliner Büro als Heimstatt dient. Wenders beschreibt dabei, dass er und seine Frau den Bau, der damals schon nicht mehr seiner ursprünglichen Nutzung als Warenhaus der Konsumgenossenschaft diente, vor allem auswählte wegen seiner phänomenalen Dachterrasse. Die Wohnung der Wenders lag im siebten von acht Stockwerken, die Dachterrasse nennt der Regisseur in der ihm eigenen wirkmächtigen Bildsprache „Flugzeugträger“. Im Stockwerk darüber haben sich Büros der Produktion und der Schneideraum befunden. So hätten ihm die Mitarbeiter zwar „auf dem Kopf herum getrampelt“, der Blick in den Himmel über Berlin aber, den man „vom Flugzeugträger aus“ hatte, der sei es wert gewesen. Überhaupt der Blick – das sei der Grund gewesen, warum das Leben und Arbeiten am Oranienplatz so gut gewesen sei. Ausgezogen, so erfährt man dann, seien die Wenders schließlich vor allem aus dem Grund, dass die Wohnung „fein säuberlich ausgeräumt“ wurde. „Alles, was nicht niet- und nagelfest“ gewesen sei, hätten Diebe, die über ein Baugerüst eingestiegen waren, geklaut. Sogar Möbel. Einzig die LP-Sammlung habe man Wenders gelassen. Und so war das Kapitel Taut, und damit auch das Kapitel Berlin, für Wim Wenders und seine Frau vorerst beendet.

Reizend liest sich auch die Erinnerung des Schriftstellers und Journalisten Gert Heidenreich, der den Beginn des Unterrichts am Darmstädter Ludwig-Georg-Gymnasium (1951–1955) reflektiert. Heidenreich gehörte in den 1950er Jahren zu jener Schülergeneration, die den Schulbau an der Nieder-Ramstädter-Straße als erste bezogen. Vittorio Magnago Lampugnani fasst seine Eindrücke des Hauses des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (1921-1923) in Berlin-Mitte zusammen, Peter Cachola Schmal sucht und findet das Gewerkschaftshaus (1929-1931) in Frankfurt am Main vom Fenster seines Büros im Deutschen Architekturmuseum DAM. Der Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller, beschreibt das Verbandshaus der Deutschen Buchdrucker (1924-1926) in Berlin-Kreuzberg, was unter anderem dadurch interessant wird, weil der gelernte Kaufmann Müller in der Nähe des Hauses aufwuchs und von 1986 bis 2011 gemeinsam mit seinem Vater einen familieneigenen Druckereibetrieb führte.

So zeichnet sich das nur 16 mal 24 Zentimeter messende, uneitel in Klappenbroschur eingeschlagene Büchlein durch eine Gleichzeitigkeit von Hetero- und Homogenität aus. Wo auf der einen Seite unterschiedliche Autoren mit einer Vielzahl verschiedener Texttypen und Schreibstile „ihre“ Taut-Bauten – vom kleinen Haus auf Hiddensee bis hin zum innerstädtischen Warenhaus – beschreiben, umspannt die homogene Bildsprache der Fotografien von Stefan Müller diese Vielfältigkeit beruhigend. Mal schwarz/weiß, mal farbig, immer aber in der von Müller gewohnten Präzision, rücken die Fotos die Gebäude von Taut ins rechte Licht. Dabei finden sich sowohl Aufnahmen der gesamten Bauwerke, wie auch Ausschnitte der Häuser und sorgsam ausgewählte Details. Stefan Müller unterstreicht hier einmal mehr, dass er ein Meister seines Fachs ist, nicht nur ein guter Fotograf, sondern ein Architekturversteher, der mit sicherem Blick die Besonderheiten eines Hauses ausmacht und mit dem Mittel der Fotografie auslotet.

Die zwölf anekdotenhaften Beiträge machen es zu einem schönen Lesebuch, in dem man sich schnell festliest, der einführende Beitrag von Annette Menting setzt die ausgewählten Projekte zudem auch baugeschichtlich in den entsprechenden Kontext. „Taut baut“ ist damit eine kleine, feine Publikation, die einem großen Architekten eine Art Miniatur-Denkmal setzt.

David Kasparek

Taut baut. Geschichten zur Architektur von Max Taut, hrsgg. vom Deutschen Werkbund Berlin, Fotografien von Stefan Müller, 80 S., 60 Abb., Klappenbroschur, 20,– Euro, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2017, ISBN 978-3-8031-3666-4

Bauten von Max Taut fotografiert von Stefan Müller
Ausstellung in der Werkbund Galerie
Bis 5. Mai 2017
Mo–Fr 15.00–18.00
Goethestraße 13

10623 Berlin

Artikel teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert