Franz Eberhard (1944–2014)

Wegweisender Städtebauer

Mit Franz Eberhard konnte man an alten und neuen Ufern stehen, um auf Stadtbilder und Stadträume zu blicken. Oder an langen Tischen sitzen, um über gutes Bauen und schöne Architektur zu sprechen. Man musste ihm zuhören und zusehen, wenn er mit einem wissenden Lächeln im rechten Moment einen Gedanken äußerte. Oft war es die Skizze von einem Ort oder das Drehbuch für einen Prozess. Seine Worte waren nicht laut, aber nachdrücklich. Seine Handschrift war filigran und gut lesbar. Seine Gesten waren ausdrucksvoll und raumgreifend. So ging er durch die Gassen und Häuser. So stand er vor Plänen und an Modellen. So sprach er mit Stadträtinnen, Architektinnen und Architekten oder Bauherren. Franz Eberhard schon als Stadtbaumeister von St. Gallen war ein Meister im Umgang mit dem Raum, dem Bild, dem Wort. Er war im wahrsten Sinne des Wortes ein Stadtbaumeister. An Zürich, einer Stadt, die mit ihrer Lage einen besonderen räumlichen und kulturellen Schnittpunkt in Europa verkörpert, hat er seit 1997 als Direktor des Amts für Städtebau mit großer Leidenschaft, Liebe und Vehemenz gearbeitet.

Ich bin Franz Eberhard kurz vor der Jahrtausendwende in Weil am Rhein in einem Ausstellungsgebäude von Zaha Hadid begegnet. Dort berichtete er in einem Kolloquium über kooperative Planungen in Zürich. Ich war von seinen methodischen Erfahrungen fasziniert. Nach einem Spaziergang durch die Gärten und über die Grenze saß ich beim Nachtessen in Kleinbasel neben ihm und wir gestanden uns gegenseitig eine Neigung zu poetischen Bildern von der Stadt und unserem Tun als Architekten.

Wenige Monate später traf ich Franz Eberhard in Dessau in der Aula des Bauhauses, wo er einen eindrücklichen Vortrag über das Engagement der Zürcher Verwaltung in der chinesischen Stadt Kunming hielt. Immer ging es darum, historische Spuren aufzugreifen, den Humus für Veränderungen zu erkennen und den großen Arealen neue städtebauliche Entwicklungsmuster einzuschreiben. Dies alles in einem wohl dosierten und klugen Dialog unter vier, zehn oder auch mehr Augen. Zu den Sternstunden gehörten gewiss die Sitzungen des Baukollegiums.

Franz Eberhard dirigierte die Gespräche mit den Bauherren und ihren Architekten über einen Prime Tower an der Hardbrücke, eine Science City auf dem Hönggerberg, den Stadtraum HB oder die Kontur der Durchmesserlinie auf dem Gleisfeld. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Basel, Bern, Zürich und Wien habe ich die vormittäglichen Augenscheine an den Standorten und die Präsentationen der Entwürfe vor den schwarzen Wänden im Stadtmodellraum sehr genossen. Oft dehnten sich die Tage bis in die Nacht, weil Franz an der Schipfe noch eine Suppe bereitete und uns genau wie seine engsten Mitarbeitenden in lange Gespräche über exzellente Architekten oder eine Reflexion der Moderne verwickelte.

Gegenüber den Grundeigentümern und Projektentwicklern ging es ihm um Vertrauen in die Arbeit des Amtes für Städtebau. Mit den Kolleginnen und Kollegen der Partnerämter hat er nach Integration und Kooperation gesucht. Den Architektinnen und Architekten hat er eine geteilte Autorenschaft und damit konkrete dreidimensionale Entwürfe der Stadt anstelle einer abstrakten Planung vorgeschlagen. Aus diesem Gedankengut erwuchs die Idee zu einem Buch, das Franz Eberhard gemeinsam mit Regula Lüscher herausgegeben hat: „Zürich baut“. Das Buch berichtet über die Stadt Zürich in Bewegung, formuliert sieben Thesen zum konzeptionellen Städtebau und beschreibt Wege seiner Vermittlung.

Die Botschaften gingen als Ausstellung über „Zürichs Zimmer“ auf Wanderschaft nach Berlin, Hamburg und Wien. Vor diesem Hintergrund hat Franz Eberhard über die großen städtebaulichen Projekte aus Zürich berichtet und diesen Erfahrungsschatz in die europäischen Metropolen getragen. Nach seiner Pensionierung hat er im eigenen Büro als Experte für das Raumkonzept Schweiz gearbeitet, hat Projekte in Singapur, China und Luxemburg betreut. Zudem war er ein gefragter Juror in Wettbewerbsgremien. Das letzte Mal traf ich ihn vor zwei Jahren in München, als es darum ging, einem mutigen Entwurf von jungen Architekten den ersten Preis für ein Kreativquartier auf einem Kasernenareal zu geben. Franz Eberhard hat es mit einem inspirierenden Kommentar und einer eindrücklichen Geste bewirkt. Er war an der Schwelle des 21. Jahrhunderts in der Schweiz und in Europa ein wegweisender Städtebauer. Er hat eine Haltung geprägt und weit sichtbare Spuren hinterlassen.

Iris Reuther

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