Buch der Woche: Werner Düttmann und Berlin

Zum Wesen und Inhalt

Zum 100. Geburtstag von Werner Düttmann am 6. März widmet ihm das Berliner Brücke Museum eine umfangreiche Ausstellung. Weil aber Museen und damit ihre Ausstellungen noch geschlossen sind, ist die sehenswerte Schau „Werner Düttmann. Bau. Werk. Berlin“ vorerst eben: nicht zu sehen. Die zur Ausstellung im Stadtraum Berlins verteilten Projekttafeln jedoch, anhand derer man sich selbst auf die Spuren des Architekten, Hochschullehrers und Stadtbaudirektors machen kann, zeigen, wie wirkmächtig Düttmann in und für Berlin war.

Anlässlich der Ausstellung erscheint zudem ein großartiger Katalog, in dem die beiden Herausgeberinnen Lisa Marei Schmidt und Kerstin Wittmann-Englert eine Vielzahl von Texten unterschiedlicher Autorinnen und Autoren zusammen gebracht haben. Allein das illustrierte Werkverzeichnis der „Sozialmaschinen“, wie Niklas Maak die Bauten Düttmanns in seinem einleitenden Text nennt, wäre das Buch schon wert. Die Vielschichtigkeit der Texte aber beleuchtet die Figur Werner Düttmanns sowie seiner Projekte in allen Facetten. Die Architekturen, die bei der Neuerfindung Berlins „als demokratischer Kulturort“ nach dem Zweiten Weltkrieg halfen, werden dabei grob gegliedert in drei Abschnitte: private Wohnhäuser, Museen und Kulturbauten sowie großmaßstäbliche städtebauliche Projekte, wie der Mehringplatz in Kreuzberg oder das Märkische Viertel.

Hansabücherei, Luftaufnahme während der Interbau, 1957, Akademie der Künste, Berlin,
Werner-Düttmann-Archiv, Nr. 11 F. 7/22, Foto: Foto-Kessler

Auch hier gilt: Nicht alles ist Gold, was glänzt. Das macht sich vor allem auf den Seiten bemerkbar, auf denen aktuelle Protagonisten versuchen, Düttmanns Ideen ins Heute zu übertragen. Manches ist schön anzusehen, ja gar inspirierend, anderes wirkt doch allzu improvisiert und lieblos auf vereinzelte Aspekte des Werks gemünzt. Gut wird der Katalog an jenen Stellen, wo Erfolg und Misserfolg von Düttmanns Wirken diskutiert und seine Rolle im Berlin der Nachkriegszeit thematisiert werden, großartig dort, wo der Mensch Düttmann aufscheint, der als Person wie als Architekt, eher Amerikaner und auf keinen Fall mehr dem Ideal des gestählten SS-Übermenschen entsprechend, für eine Epoche Berlins stand und mit seinen Architekturen auf vielen Ebenen prägend war.

Haus Dr. Menne, Gartenansicht, o.J., Akademie der Künste, Berlin, Werner-Düttmann-Archiv, Nr. 29 F. 29/13, © Foto: Ingeborg Lommatzsch

Niklas Maak weist in seinem warmherzigen Text darauf hin, was später im Buch an unterschiedlichen Stellen immer wieder auftaucht: Statt die Bauvolumen auf den Wiesen der durchgrünten Stadt zu verteilen, arrangierte Düttmann die einzelnen Bauteile häufig um ein gemeinsames Zentrum, einen Hof etwa. Die Idee, dass Architektur hier einer kleineren oder größeren Gruppe von Menschen als Versammlungsort dient, als Stadt in der Stadt funktioniert und so Gesellschaft erst möglich macht, ist ein entscheidender Punkt, der im Werk des Berliners heute, da Stadt allzu oft von Investoren geprägt ist und visionslose Stadtpolitiker ihnen freie Hand lassen, einmal mehr eine hohe Aktualität aufweist.

Akademie der Künste, Blick über das Bauensemble, o.J., Akademie der Künste, Berlin, Werner-Düttmann-Archiv, Nr. 16 F. 12/100 a, Foto: k. A.

Nicht nur die Art und Weise, wie Werner Düttmann Materialität und Atmosphäre in die Nachkriegsarchitektur Westdeutschlands brachte, wird hier gewürdigt, sondern auch die Tatkraft, mit der er als Baupolitiker damals an die Idee einer neuen Stadt mit demokratischen Idealen glaubte – und bereit war, sie umzusetzen. Auf Fragen, wie man einer postindustriellen Gesellschaft die Bühnen ihrer Zusammenkünfte baut, jene Orte, die heute und in Zukunft Öffentlichkeit ermöglichen und dabei ihre Geschichte zeigen, darauf kann der Blick auf das Werk von Werner Düttmann Aufschluss geben. Düttmman selbst war es, der in einem Vortrag 1962 forderte, Architektur müsse „Wesen und Inhalt der städtischen Gemeinschaft sichtbar und damit erst wirklich machen“.
David Kasparek

Lisa Marei Schmidt, Kerstin Wittmann-Englert (Hrsg.:) Werner Düttmann. Berlin.Bau.Werk., 372 S., ca. 370 sw-&farb. Abb., deutsch/englisch, 45,– Euro, Wasmuth&Zohlen Verlag, Berlin 2021, ISBN 9783803022158

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