Ausstellungsprojekt in Kyoto

Vielschichtig

Von April bis Juni 2016 war Ludwig Heimbach Stipendiat der Villa Kamogawa in Kyoto. Heimbach, der in Köln und Berlin als Architekt arbeitet, untersuchte dort die Vielfalt von gemeinschaftlichen Nutzungen im japanischen Wohnbau und ihr Potential für zukünftige Wohnmodelle. Dabei standen die historischen Wohnformen und ihre Raumstrukturen Pate und gipfelten schließlich in einer Analyse der Kyotoer Machiya. Dieser Haustyp, so Heimbach im Gespräch mit Daniel Hubert, Mitherausgeber des Buchs „Dialoge und Positionen. Architektur in Japan“, für die aktuelle Ausgabe von der architekt, weist eine differenzierte Räumlichkeit auf „…die durch die schmalere, fast halböffentliche Doma-Seite auf Straßenniveau, und die private, in Sitzhöhe aufgeständerte Tatami Seite, zusätzlich charakterisiert wird.“ Der Architekt führt aus: „Die Machiya sind aneinander gebaut und ähneln von der Straße her der Blockrandbebauung einer europäischen Stadt. Allerdings gelten nicht einzelne Blöcke als Quartier, sondern die quadratischen Blöcke sind diagonal geteilt, so dass vier dreieckige Zuschnitte entstehen. Ein Quartier, ein cho, besteht dann aus den sich gegenüberliegenden Dreiecken zweier Quadrate, dessen Mittelpunkt die dazwischenliegende Straße ist.“

Ludwig Heimbach Architektur, A Float of Immaterial Pleasures, temporärer Pavillon, Kyoto 2017, Foto: nobutada OMOTE

Ludwig Heimbach Architektur, A Float of Immaterial Pleasures, temporärer Pavillon, Kyoto 2017, Foto: nobutada OMOTE

Im Rahmen eines Workshops mit japanischen und französischen Architekten hat Heimbach zudem nun ein Ausstellungsprojekt im Kyoto Art Center realisieren können. Außer Heimbach waren dot architectsTAT-O/Yo Shimada, Kato Hiroshi, Yo Shimada, Sven Pfeiffer, Martinez Barat Lafore, Sébastien Martinez-Barat und Benjamin Lafore daran beteiligt. Für das von Taro Igarashi kuratierte „Kenchiku-Symposion“ wurde der Innenhof des Ausstellungshauses bespielt. „Eine recht absurde Situation“, wie Heimbach im Gespräch konstatiert. Der öffentliche u-förmige Bau des Kyoto Art Center – eine ehemalige Schule – verfügt nämlich über einen Hof, der „…quasi nicht betreten werden“ darf. Grund dafür sei der Fakt, dass die Einwohner des Quartiers die Schule der Stadt nur mit der Auflage überlassen hatten, dass der ehemalige Schulhof ausschließlich der Nutzung durch die Quartiersbewohner offensteht.

Davon ausgehend hat Ludwig Heimbach, der an der TU Berlin und in der Meisterklasse von Wolf D. Prix an der Universität für Angewandte Kunst in Wien studierte, sich mit seiner Arbeit „A Float of Immaterial Pleasures“ mit den Verboten im japanischen öffentlichen Raum beschäftigt. „Die Idee eines öffentlichen Raums, an dem man sich niederlässt, gibt es nicht,“ erläutert er. „Es gibt im zentralen Tokio ein Baugesetz, das höheres Bauen erlaubt, wenn ein Teil des Grundstücks der Öffentlichkeit zugeschlagen wird – wie zum Beispiel die Pocket-Parks, die allerdings dann mit Verboten versehen sind. Schließlich handelt es sich immer noch um Privatbesitz. In einem dieser Pocket-Parks habe ich das Maximum von 21 Verboten gezählt.“

Ludwig Heimbach Architektur, A Float of Immaterial Pleasures, temporärer Pavillon, Kyoto 2017, Foto: lha

Ludwig Heimbach Architektur, A Float of Immaterial Pleasures, temporärer Pavillon, Kyoto 2017, Foto: lha

Gemeinsam mit den fünf anderen am Workshop des Kyoto Art Center beteiligten Büros wurde eine Liste solcher Verbote zusammengestellt. Heimbach wählte zwei davon aus: das Verbot, Vögel zu füttern, und das Verbot des Küssens im öffentlichen Raum. Ziel war, eine Art Fragment zu bauen, von dem sein Entwerfer hofft, dass es die Nutzer einlädt, die scheinbar unvollständige Struktur in der Vorstellung, also „immateriell“, fortzusetzen. Dafür wurden drei unterschiedlich große Raumvolumen, teils leicht verdreht, ineinander verschränkt. Die Konstruktion ist dabei deutlich ablesbar, ihre Schichtungen ebenfalls. Nach außen hin löst sich die Konstruktion zunehmend auf, was die räumliche Schichtung mit einer sich nach innen steigernden Verdichtung betont. Um diese Verdichtung noch zu steigern, hat er die raumbildenden Flächen mit den Tönen einer – ursprünglich in anderem Kontext – selbst gestalteten Farbpalette belegt. So werden die Grade von möglicher Privatheit und Geborgenheit im Verhältnis zur trotzdem gegebenen Öffentlichkeit des Pavillons im Kontext des für dieses Projekt frei zugänglichen Museumshofs herausgearbeitet. Den drei unterschiedlich großen „Räumen“ des Pavillons sind je eine innere und eine äußere Farbe zugewiesen: dunkelviolett und senfgelb, petrolblau und hellgelb, dunkelrot und orange. So wurde der einst unzugängliche Museumshof über den Umweg der Untersuchung der mit dem öffentlichen Raum verbundenen Verbote schließlich zu einer „erlaubten“ Zone umgewidmet.

David Kasparek

ludwig heimbach architektur
A Float of Immaterial Pleasures
Temporärer Pavillon
Kyoto 2017
Abb.: lha
Fotos: nobutada OMOTE/lha

Das ganze Gespräch „Learning from Kyoto“ lesen Sie in der architekt 5/17.

 

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