Buch der Woche: Staab Architekten. Verwandte Unikate

Annäherung an die Unschärfe

Veröffentlicht ein praktizierendes Architekturbüro eine Werkschau, so muss es sich die Frage nach dem Warum gefallen lassen. Offenbar geht es ja um etwas anderes, als eine monografische Retrospektive nach Beendigung der aktiven Tätigkeit, die als publizistischer Schlussstein eines gebauten Werks begriffen werden könnte. Eine Art reflexive Selbstvergewisserung der eigenen Produktivität könnte ein solcher Grund sein, oder aber eine Form von Zwischenfazit. Mit der nun vorliegenden Monografie „Verwandte Unikate“ des Berliner Büros Staab Architekten verhält es sich jedoch noch einmal anders. Zwar kann diese Publikation als ein Zwischenfazit betrachtet werden – über vierzig gebaute Häuser stellen eine erquickliche Anzahl von Bauten dar, ohne dass bei ihrer Sammlung in Buchform Längen in Form von Füllmaterial zu erwarten sei – dennoch ist sie mehr als das.

Von Beginn an fußt der Erfolg des Büros von Volker Staab auf Wettbewerben. Den Auftakt dazu bildete 1990 die Auslobung für das Neue Museum in Nürnberg. Seitdem, so scheint es, reihen Staab und sein Team Wettbewerbsgewinn an Wettbewerbsgewinn. Nicht nur die Menge der gewonnenen Projekte, sondern auch die Qualität der Entwürfe sorgt oft für die Frage: „Wie machen die das bloß?“ Und so ist das Buch ein willkommener Einblick in Denk- und Arbeitsweise von Staab Architekten.

Fünfzehn der bis dato realisierten Bauten aus dem Werk von Volker Staab, Alfred Nieuwenhuizen, Per Pedersen, Hanns Ziegler und ihren Mitstreitern stellt die Publikation vor, gegliedert in sechs Kapitel: „Erfindung der Aufgabe“, „Autonomie und Verbindung“, „Radikal behutsam“, „Transformation des Vertrauten“, „Komplexe Einfachheit“ und „Suche nach dem Spezifischen“. Diese Aufteilung ist ebenso schlüssig wie sich auch die Erläuterungen nachvollziehbar lesen lassen. Tatsächlich erschließen sich hier Zusammenhänge, werden Ideen zum jeweiligen Projekt und seiner Genese ablesbar. Dabei kommen die Texte mit angenehm wenigen Begriffen der architektonischen Wettbewerbsprosa aus, die vielen Architekten durch das Verfassen von Erläuterungstexten zu ihren Entwürfen allzu oft aus der Feder fließt. Die Kurztexte lassen sich gut lesen. Dazu trägt auch die Gestaltung des Buches bei, das von Matthias Wittig und seinem Büro fernkopie mit generösem Weißraum gesetzt wurde.

Den Ansatz Staabs, jedes Projekt, jeden Entwurf aus dem jeweiligen Kontext heraus zu entwickeln, beschreibt Florian Heilmeyer in seinem – ansonsten sehr lesenswerten – Essay „Igel, Fuchs, Chamäleon“ etwas bemüht als „Hardcore-Kontextualisierung“. Mit der Wahl Heilmeyers als Mitherausgeber des Buches, der neben dem genannten Text auch die Gesprächsführung im abschließenden Interview mit allen verantwortlichen Partnern des Büros übernommen hat, ist Staab Architekten eine ähnlich gelungene Volte geglückt, wie mit vielen ihrer Entwürfe. Heilmeyer schreibt auf der Höhe der Zeit, ordnet die Genese des Werks dabei ebenso fachlich profund wie sprachlich und argumentativ gewitzt ein. So beschreibt er die Arbeit von Staab Architekten mit Rückgriff auf Fred Koetters und Colin Rowes „Collage City“ von 1978 als „Chamäleon“. Dabei führt der Autor die Tieranalogie Koetters und Rowes von Igeln – die ihren (formalen) Weg konsequent bis stur verfolgen und dabei eine (architektonisch-formalästhetisch) klare Fährte hinterlassen – und Füchsen, die sprunghaft umher hüpfen und mal hier, mal dort nach Wegen (der formalen Lösung) suchen, schlüssig fort. Die Arbeiten von Volker Staab und seinem Team sind eben nicht immer und auf den ersten Blick einem Œuvre zuzuordnen, mit ihrer jeweiligen Umgebung aber in der Regel so gut verzahnt, dass es – anders als beim Werk eines (architektonischen) Igels – beim Besuch Verblüffung statt Enttäuschung hervorruft: „Sie wirken vor Ort größer, stimmiger und spektakulärer als auf Fotos.“

In einem abschließenden Gespräch mit Heilmeyer ordnen Volker Staab, Alfred Nieuwenhuizen, Per Pedersen und Hanns Ziegler ihre Arbeit schließlich ein. Es ist interessant, wie die Partner ihren jeweiligen Einfluss auf das Werden der Projekte einschätzen, wie sie vom Auf und Ab eines Bürobetriebs berichten, der von Wettbewerben abhängig ist und wie sie Chancen und Potentiale benennen, die die Digitalisierung auch für ein Büro wie Staab Architekten bereithält. Dass das Buch mehr ist, als nur eine eitle Fingerübung wird spätestens hier klar. Das, was die Architekten in ihrer Arbeit antreibt, manifestiert sich auch in diesem Buch: „Es geht uns vielmehr darum, bei jedem Projekt aufs Neue die nie zu beantwortende Frage nach der Sinnfälligkeit der Lösung zu stellen, um manchmal den glücklichen Moment einzufangen, an dem wir diesem unscharfen Ziel ein wenig näherkommen.“

David Kasparek

Staab Architekten. Verwandte Unikate, Texte von Florian Heilmeyer und Staab Architekten, 352 S., 500 Abb., gebunden in Leinen, Hatje Cantz Verlag, Berlin 2016, 68, Euro, ISBN 978-3-7757-4204-7

Fotos: Jens Achtermann/Marcus Ebener/Werner Huthmacher

Artikel teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert