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Vorsicht mit neuen Leistungsbildern

Honorarerhöhungen im Rahmen der HOAI 2013 haben kurzzeitig nach Bekanntwerden der Anhebung der Honorarsätze zu einer – in diesem Land nur allzu häufig bekannten – Neiddiskussion geführt. Dies ohne die erforderliche inhaltliche Reflexion auf die Veränderungen der Leistungsinhalte, die nach der novellierten Fassung der HOAI 2013 der Planer dem Auftraggeber schuldet, wenn die Leistungsbilder der Anlage 10 zur HOAI 2013 zum Vertragsinhalt und damit zum geschuldeten Soll des Planers werden.

Nicht nur eine nachhaltigere Arbeits- und Aufgabenerfüllungsintensität geht mit denselben einher, sondern auch eine eindeutige Haftungsverschärfung, die darüber hinaus bis heute noch ungeklärte Fragen zum Versicherungsschutz des Architekten, bezogen auf seine Architektenhaftpflichtversicherung und den veränderten Leistungsinhalten, mit sich bringt.
So zieht sich zunächst – neu in der Vorplanungsphase – fortlaufend in die Entwurfs- und Ausführungsplanung bis hin in die Objektüberwachung die Terminplanung des Architekten für das gesamte Projekt.

Über die einzelnen Leistungsphasen müssen die jeweiligen, sich verdichtenden und konkretisierenden Randparameter der Planung, der Ausschreibung und letztendlich auch der Baurealisierung berücksichtigt und ständig fortgeschrieben werden. Dies kann durchaus als zentrale Leistung bezeichnet werden, legt doch zumeist der Auftraggeber auf eine termingerechte Fertigstellung höchsten Wert; gehen hiermit gleichermaßen Vermietungs- oder Veräußerungsabsichten des Auftraggebers einher. Aufgrund der aufgezeigten Verdichtung der Terminplanung und Koordination im Zuge der einzelnen Leistungsphasen ist gleichermaßen eine eindeutigere Zuordnung etwaigen Fehlverhaltens des Planers möglich und damit eine Haftungsverschärfung einhergehend.

Hieraus resultierende etwaige Schadensersatzansprüche des Bauherrn dürften im Regelfall vom üblichen Versicherungsschutz des Haftpflichtversicherers des Architekten nicht umfasst sein; mithin ein Zurückgreifen auf den Haftpflichtversicherer zur Abdeckung des damit einhergehenden Haftungsrisikos eine Fehlannahme wäre. Und, dass dies nicht nur ein theoretisches Prozedere ist, zeigen immer wieder geltend gemachte Schadensersatzansprüche auftraggeberseitig gegenüber den Planern, aufgrund von Mietausfällen oder sonstigen auftraggeberseitigen Schäden, da eine Veräußerung des Objektes nicht rechtzeitig gewährleistet war. Ob dies immer auf einen Umstand zurückzuführen ist, den der Architekt zu vertreten hat, ist selbstverständlich eine jeweils konkret zu prüfende Frage.Nur muss ob der neuen Termin-Planungs-Leistungen dem Architekten bewusst sein, dass hiermit der Fokus auf seine Tätigkeit und damit einhergehende Haftungsansprüche jedenfalls zukünftig zunehmen wird.

Die Leistungsintensitätserhöhung zeigt sich unter anderem auch bei den Grundleistungen, von der Grundlagenermittlung bis zur Objektüberwachung darin, dass die Koordinations- und Integrationsleistungen des Architekten nachhaltig – ausdrücklich formuliert – zugenommen haben. Da es sich insbesondere bei der „Koordination“ und der „Integration“ um nicht eindeutig definierte Begrifflichkeiten handelt, darf schon heute prognostiziert werden, dass dies – wie auch bereits in der Vergangenheit –, wenn es um die Haftung des Planers geht, sich um ein Auffangbecken von Haftungsgrundlagen und damit -ansprüchen gegenüber dem Architekten handelt und handeln wird, mit denen sich die Planer bei nicht sorgfältiger Bearbeitung und ebenso nicht ausreichend sorgfältiger Dokumentation werden auseinandersetzen müssen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die unbestimmten Rechtsbegriffe auch ein Auffangbecken von einzelfalldifferenzierten und damit nicht als abschließenden Katalog bestimmte Haftungsgrundlagen sind, was noch über Jahre hinweg für Rechtsunsicherheit in der Praxis führen wird. Verschärfend kommt auch diesbezüglich hinzu, dass die Abgrenzung zwischen hiermit einhergehenden reinen Architektenleistungen und sich gleichwohl auch ergebenden Projektsteuerungsleistungen unscharfe Konturen ergeben.

Dies wiederum hat Auswirkungen auf die üblichen Architektenhaftpflichtversicherungsverträge, die projektsteuerungsspezifische Leistungen in aller Regel nicht mit vom Haftungsrisiko umfassen und dieses nicht abdecken. Schadensersatzansprüche des Auftraggebers aus diesem Fokus bergen mithin gleichermaßen die Gefahr, dass diese über den Haftpflichtversicherer nicht gedeckt sind und insoweit sich der Planer nicht nur den Schadensersatzansprüchen ohne haftpflichtversicherungsrechtliche Deckung ausgesetzt sieht, sondern auch entsprechende Abwehrprozesse aus eigener Tasche wird bezahlen müssen.

Lichtblick: Eine nachhaltigere Dokumentation über die Abstimmungen mit dem Auftraggeber, die Erfüllung der entsprechenden Leistungen sowie das Auflösen des asymmetrischen Informationsgefälles zwischen Bauherr und Architekt führt zu einer Haftungsentschärfung, zur qualitätvollen Abarbeitung der Leistungsinhalte und hemmt darüber hinaus auch die Gefahr, sich nicht nur den dargelegten Haftungsansprüchen des Auftraggebers auszusetzen, sondern auch Honorarreduzierungen hinnehmen zu müssen, wenn es an dem erforderlichen Nachweis der entsprechenden Leistungserbringungen für derart zentrale Leistungen fehlt.

Friedrich-Karl Scholtissek

Friedrich-Karl Scholtissek ist Rechtsanwalt und Gründungspartner der Hamburger Sozietät SK-Rechtsanwälte und Lehrbeauftragter für Bau- und Architektenrecht an der HafenCity Universität Hamburg (HCU) sowie Autor des in Kürze in 2. Auflage erscheinenden HOAI-Kommentars (Juni 2014) im C.H. Beck-Verlag München.

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