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Bautagebuch

Im elektronischen Zeitalter wirkt die Bezeichnung „Bautagebuch“ fast wie ein Relikt aus vergangenen, besseren Tagen. Dieser Wahrnehmung zu verfallen, käme einer Selbsttäuschung gleich. Hat doch in den vergangenen Monaten das Bautagebuch in der Rechtsprechung quasi eine Renaissance erlebt.

Zunächst war es der Bundesgerichtshof (BGH), der sich mit seinem Urteil vom 28.Juli 2011 (Az.: VII ZR 65/10) damit befasste, dass der Planer, der kein Bautagebuch erstellt hat, Honorarabzüge entgegenhalten lassen muss. Hierbei nahmen die Karlsruher Baurechtler auch gleichermaßen die Abgrenzung dahingehend vor, dass eine Minderung des Architektenhonorars dann nicht in Betracht kommt, wenn zwar das Bautagebuch vom Architekten angefertigt worden ist, selbiges aber dem Bauherrn nicht übergeben wurde, da die Aushändigung eben nicht erforderlich war.

Unter Einbeziehung dieser Entscheidung muss zunächst festgehalten werden, dass das Bautagebuch nach wie vor als geschuldete Leistung im Rahmen der Objektüberwachung gilt, soweit die Anlage 11 zur HOAI unter Einbeziehung der Leistungsphase 8 (Bauüberwachung) zur Leistungsinhaltsbestimmung für den Architektenvertrag gemacht worden ist. Bis heute wird immer noch in der Praxis verkannt, dass die bloße Bezeichnung „Führen eines Bautagebuches“ noch nicht ausreichend konkretisierend ist, wie selbiges nun – insbesondere mit welchen Inhalten versehen – erstellt werden muss. So entsteht immer wieder Streit über die Frage, mit welchen Detailangaben das Bautagebuch versehen sein muss, in welchen Zeitabständen eine Dokumentation beispielsweise über die Witterungsverhältnisse oder aber auch die Durchführung der einzelnen Gewerkeleistungen, die Anzahl der Mitarbeiter auf der Baustelle, erfolgen muss. Alles vermeidbare Differenzen, würde insoweit im Rahmen einer konkretisierenden Beschreibung des Architektenvertrags auch hierauf mehr Bedacht gelegt werden, um das Streitpotenzial zu verringern.

Die HOAI, auf die immer wieder fälschlicherweise rekurriert wird, um diesbezüglich Antworten zu finden, gibt hierüber selbstverständlich – da es sich insoweit lediglich um eine zwingende preisrechtliche Regelung handelt – keine Auskunft. Der Zweck des Bautagebuches besteht darin, insbesondere den Bauherrn für etwaige spätere Auseinandersetzungen mit den ausführenden Firmen in die Lage zu versetzen, insoweit ein Dokumentations-Material an die Hand zu bekommen, um – nur beispielhaft – hinsichtlich der Frage von berechtigten/unberechtigten Nachträgen oder aber Behinderungsmehrkosten eine belastbare Aussage treffen zu können, ob beispielsweise Behinderungsumstände witterungsbedingt tatsächlich vorlagen oder aber Vorleistungen eines anderen Unternehmers tatsächlich nicht erbracht waren.

Zur sorgfältigen Führung eines Bautagebuches wird auch gehören, konkretisierend und belastbar nachvollziehbar darzulegen, welche Gewerkemitarbeiter vor Ort waren, in welcher Mannstärke die entsprechenden Kolonnen am Bauvorhaben ihre Tätigkeiten ausführten, wie sich die Witterungsverhältnisse darstellten, welche konkreten Ausführungsbehinderungen vorlagen – und aus welchen Gründen herrührend und welche besonderen etwaigen Vorkommnisse gegeben waren, die außerhalb des üblichen Geschehens auf der Baustelle zu verorten sind. Ob eine derartige Überprüfung täglich vom Architekten vorgenommen werden muss, kann durchaus fraglich sein. Bei einem normalen Ablauf eines Bauvorhabens dürfte dies zu verneinen sein. Ergeben sich jedoch außerordentliche Umstände im Rahmen des Baugeschehens, wird die Beurteilung anders ausfallen müssen. Dies zumal auch deshalb, da gerade insoweit auch der bau-überwachende Fachmann vor Ort gefordert wird, um zu koordinieren, zu überwachen und Überprüfungen zeitnah und in engen Margen vorzunehmen.

Gerade wenn es beispielsweise zu Behinderungsumständen kommt, die gewerkeseitig gerügt werden, wird – unter Berücksichtigung der vom Architekten eingenommenen Sachwalterpflicht – dieser gehalten sein, sich ein konkretes Bild von den tatsächlichen Gegebenheiten auf der Baustelle zu machen, um für etwaige Auseinandersetzungen mit dem ausführenden Unternehmer den Bauherren präparieren zu können. Dieser wird zumeist kaum andere Möglichkeiten haben, als sich auf die Bautagebuchaufzeichnungen des Planers zu verlassen. Die Dokumentation ist insbesondere auch für den Auftraggeber deshalb von nachhaltiger Bedeutung, weil zumeist hinsichtlich langwieriger Bauprozesse das Erinnerungsvermögen aller Beteiligten schwindet und durchaus postuliert werden kann, dass ein erfolgreicher Bauprozess auch nur deshalb geführt werden kann, weil eine entsprechend qualifizierte Dokumentation, auf die eben auch nach Jahren noch zurückgegriffen werden kann, vorliegt.

Erst jüngst hatte sich diesbezüglich das Berliner Kammergericht (KG) wiederum mit der Bautagebuch-Problematik zu befassen (Urteil vom 14.02.2012 – 7 U 53/08) und stellt klar, dass Eintragungen in das Bautagebuch nicht täglich erfolgen müssen, sondern es ausreichend sei, wenn die Eintragung in dem Rhythmus erfolge, die sich aus der Überprüfungspflicht als solche ergebe. Konkretes ist hiermit nicht ausgesagt, sondern postuliert vielmehr: Es kommt auf den konkreten Einzelfall an. Bei normalen Abläufen im Baugeschehen, so darf konstatiert werden, sind engmaschige Aufzeichnungen wohl nicht erforderlich. Kommt es jedoch zu Bauablaufstörungen, kann dies auch dazu führen, dass der Architekt geradezu täglich zu Bautagebuchberichten aufgerufen ist, wenn dies mit einer nachhaltigen Vor-Ort-Koordination und Überwachung der ausführenden Unternehmen einhergeht. Das Thema „Bautagebuch“ lebt also!
Friedrich-Karl Scholtissek

Friedrich-Karl Scholtissek ist Rechtsanwalt und Anwaltsmediator, Lehrbeauftragter an der HafenCity Universität Hamburg (HCU) für Bau- und Architektenrecht sowie Vertrauensanwalt des BDA in Hamburg und Autor des HOAI 2009-Kommentars.

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