neu im club

Begriffserweiterung

Moritz Schloten, Architekt BDA, ANNABAU, Berlin

Groß ist es nicht, das Büro von ANNABAU im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg: ein langer Raum, zur Straße und zum Garten an den Schmalseiten von raumhohen Glasfronten begrenzt, seitlich von Sichtbetonwänden flankiert, die teilweise mit Präsentationsplänen behangen sind. Neben den beiden Büropartnern Sofia Petersson und Moritz Schloten arbeiten noch vier weitere Mitarbeiter an weißen Tischplatten, die auf Eiermanngestellen ruhen. Geschäftiges Mausklicken und das rasche „tapp-tapp“ von Tatstaturkurzbefehlen erfüllen den Raum.

Moritz Schloten kredenzt Tee, und sofort sind wir im Gespräch: Bei einem Glas Earl Grey erläutert der 1971 in Mülheim an der Ruhr geborene Gestalter einige aktuelle Projekte. Schnell wird klar, dass ANNABAU kein herkömmliches Architekturbüro mit Fokus allein auf den Hochbau ist. Zusammen mit dem befreundeten Stefan Lippert haben die Landschaftsarchitektin Petersson und der Architekt Schloten 2013 den Wettbewerb für den Erweiterungsbau des Bonner UN Campus gewonnen. ANNABAU entwickelt für das Projekt vertikale Gärten: verteilt auf fünf im ganzen Gebäude verstreute Wintergärten und einer teilweise zweigeschossigen, „Orangerie“ genannten, Zone im Erdgeschoss des Hochhauses. In offiziellen Verlautbarungen heißt das dann „Landschaftsarchitektur“. Tatsächlich ist es mehr. Nämlich die Gestaltung von Hybriden, die die Schnittstelle zwischen Landschaft und Architektur besetzen und die teilweise im Unklaren lassen, welcher Sparte sie schlussendlich zuzurechnen sind – und so die Arbeit des Büros ausmachen.

„Es ist ein formal reduziertes Projekt – und deswegen ein starkes“, findet der Architekt. Es geht ihm darum, das Projekt mit einer Idee zu bestreiten und „…die dann auch, wenn möglich, von vorne bis hinten durchzuhalten.“ Das gehe bei Projekten, die über Wettbewerbe gewonnen werden deutlich besser, führt er aus, als bei Direktbeauftragungen, wo sich der Bauherr oft ein großes Mitspracherecht einräume. Wenn es schlecht läuft, so Schloten, „wird man da als Architekt schnell zur Verhandlungsmasse“. Ist aber ein Wettbewerb erst einmal gewonnen, sei man in einer verhältnismäßig starken Position: „Einfach, weil der Entwurf schon da ist!“ Dabei führen weder Schloten noch Petersson in ihrer Arbeit Gestaltungs-Autokratie im Schilde. Das machen die Projekte deutlich.

Die „eine Idee“ sind im Fall der Gedenkstätte der Stiftung Flucht, Vertreibung und Versöhnung in Berlin die knapp zwei Millionen Nägel, die ANNABAU in die Freiflächen rund um das Gebäude in der Stresemannstraße in den Asphalt einschlagen lassen wollen. In der Aufsicht ergibt sich so ein Bild einer feinen Körnung, die sich zum Gebäude hin stärker verdichtet. Derzeit werden Materialproben erstellt – sowohl für den zu verwendenden Asphalt, als auch für die Nägel – aber schon das 1:5-Modell, das Schloten aus einem Winkel des Raums angelt, veranschaulicht die Idee gut.

Während es für diese Gedenkstätte also planerisch vorangeht, wird der 2012 mit dem ersten Preis im Wettbewerb ausgezeichnete Entwurf für das Leipziger Einheits- und Freiheitsdenkmal nicht gebaut. „Wie ja aus Funk und Fernsehen bekannt“, scherzt Schloten. Schade sei es, das schon, aber Bitterkeit klingt dabei nicht nach.

Umgesetzt – wenn auch derzeit schleppend – wird der Entwurf für die Freiflächen an der Müllerstraße im Berliner Wedding. Hier hatten ANNABAU 2013 den landschaftsplanerischen Realisierungswettbewerb für das Rathaus-Umfeld gewonnen. Anders als bei der Gedenkstätte in der Stresemannstraße ist das Areal rund um das 1955 von Fritz Bornemann geplante Neue Rathaus Wedding in unterschiedliche Zonen und Bereiche gegliedert. Den Planern gelingt es so, den recht diffusen Bereich um das Rathaus-Ensemble zu ordnen.

Dass ANNABAU dabei auch „klassischen Hochbau“ beherrschen, haben sie mit dem Hofhaus Crussow in Angermünde eindrücklich unter Beweis gestellt. Mit bewusst rauen Materialien, in denen Moritz Schloten eine haptische Entsprechung zur kernigen Landschaft der Uckermark sieht, ist hier ein Haus entstanden, das der Architekt schon fast lapidar als „eigentlich nur ein ganz einfacher Hallenbau, mit simplen Furnierholzbindern und einem roughen Betonkern“ bezeichnet. Tatsächlich aber entwickelt der Bau mit seiner Einfachheit in Material und Detail eine unmittelbar folgerichtig erscheinende innen- wie außenräumliche Atmosphäre an diesem Ort.

„Wir müssen, oder wollen gerne, uns mit einem weiteren Begriff der künstlerischen Auseinandersetzung beschäftigen“, sagt Moritz Schloten über dieses stete Zusammenwirken von Stadt und Haus, von Ort und Architektur, von Landschaft und Gebäude in der Arbeit des Büros. Die gebauten Ergebnisse machen deutlich, dass der eigene Unwille zur Festlegung und der Wille zur künstlerischen Offenheit zu einer ganz handfesten Sprache führen, die sich nicht mit bestimmten Gestaltungsparametern selbst beschränkt, sondern von Projekt zu Projekt zu eigenen Lösungen kommt.

David Kasparek

www.annabau.com

neu im club: im Glashaus des DAZ
Gespräch mit Moritz Schloten und Sofia Petersson: 27. Februar, 19.00 Uhr
Werkschauprojektion:
2. März
 – 17. April
Deutsches Architektur Zentrum DAZ
Köpenicker Straße 48
 / 49
10179 Berlin
www.daz.de

neu im club wird unterstützt von Republic of Fritz Hansen, Epson, den BDA-Partnern und den Unternehmen des DAZ-Freundeskreises.

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