neu im club

Konzepte statt Delfine

Andreas Reeg und Marc Dufour-Feronce, rundzwei Architekten BDA, Berlin

Ruckelnd kommt der Lastenaufzug im obersten Geschoss zum Stehen. Nicht einfach war es, zwischen den vielen Eingängen des ehemaligen Charlottenburger Postamts die Büroräume der Berliner Architekten rundzwei ausfindig zu machen. Nun betrete ich durch eine Stahltür die Räumlichkeiten des ausgebauten Industriekomplexes, in dem früher unter anderem Rohrpost innerhalb Westberlins versendet wurde. Große Räume fließen auf der minimalistisch gestalteten Büroebene ineinander, die sich rundzwei Architekten und ihre dreizehn Mitarbeiter mit anderen Teams von Webdesignern, Gestaltern und einem Materialberatungsbüro teilen. Alle Fenster sind an diesem Tag angesichts der Berliner Juni-Hitze sperrangelweit offen, aus dem efeubewachsenen Hof erschallt Vogelgezwitscher. Junge, gut gekleidete Menschen laufen umher, die Struktur ist offen und lädt zum Austausch ein – insgesamt ein Berlin-Klischee im besten Sinne.

rundzwei Architekten BDA, Ein modernes Baumhaus, Berlin-Nikolassee 2013 – 2014, Foto: Harry Weber

Eigentlich hätten sie sich durch den Sport, beim Volleyball, kennengelernt, erinnert sich Marc Dufour-Feronce, einer der beiden Gründer von rundzwei, im großen Besprechungssaal, in den wir uns für das Interview zurückgezogen haben. Dann seien sie zufällig beide an der TU Berlin angenommen worden und hätten sich angefreundet, fügt der zweite im Bunde, Andreas Reeg, hinzu und berichtet von dem hochkreativen Ansatz, der ihnen dort durch ihren Professor Lutz Kandel und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter vermittelt wurde: „Entgegen der Erwartung, dass das Technische an der Universität im Vordergrund steht, hatten wir das Glück, dass wir vor allem mit Materialien und Raum experimentieren konnten“. Auch für Marc Dufour-Feronce war die Ausrichtung des Studiums prägend: „Ich fand es unheimlich gut, dass wir uns anfangs vor allem mit uns selbst beschäftigt und keine Gebäude entworfen haben. Ich glaube, die Universität muss der Ort für kreative Entfaltung sein, wo man unterschiedliche Methoden erproben kann, um Kreativität zu erzeugen.“

rundzwei Architekten BDA, Ein modernes Baumhaus, Berlin-Nikolassee 2013 – 2014, Foto: Harry Weber

Beide trieb es dann für ihre erste kreative Entfaltung im Berufsleben hinaus in die Welt: Reeg ging nach London zu ACME, dann zu Herzog & de Meuron nach Basel, Dufour-Feronce verschlug es zunächst nach Dubai, von wo aus er schließlich auch nach London zu ACME wechselte. Der Kontrast zwischen den unterschiedlichen architektonischen Herangehensweisen in der Küstenstadt in den Vereinigten Arabischen Emiraten einerseits und der britischen Metropole andererseits war für Dufour-Feronce gewissermaßen ein Augenöffner: „In Dubai musste unheimlich schnell ein riesiger Output geliefert werden. Und für die Entwürfe musste man erst einmal die Grundstücksform von Delfinen und Palmen aus dem Kopf bekommen.“ In den Ansätzen, die die beiden Berliner in London kennenlernten, fanden sie sich eher wieder. „Hier ging es dann darum, nach einer gründlichen Untersuchung auch einen lokalen, historischen und materiellen Bezug herzustellen“, so Dufour-Feronce. „Architektur ist am Ende natürlich immer Technik, Kosten, Termine – aber das Wichtigste ist das Konzept“, fasst Andreas Reeg seine Erfahrungen in unterschiedlichen Büros zusammen.

rundzwei Architekten BDA, Korkenzieherhaus, Berlin-Staaken 2015 – 2018, Fotos: Gui Rebelo

Wie oft bei Büroneugründungen kam das erste Projekt aus dem privaten Umfeld – in diesem Fall aus der Familie von Andreas Reeg, die schon lange den Dachausbau einer Berliner GründerzeitviIla plante. Eine unabhängige, großzügige Wohneinheit wurde auf das bestehende Dach aufgesetzt, die zu den Giebelseiten hin ausgerichteten Räume haben dabei die doppelte Raumhöhe, während der dazwischenliegende Bereich zweigeschossig ist. Die Raumbelichtung wird teils durch fixverglaste Fenster innerhalb der Wohnung unterstützt. Die durch den Umbau entstandenen, ungewöhnlichen Grundrisse werden gestalterisch durch den hellen Holzton von Fenstern und Böden verklammert. Highlight des Umbaus ist jedoch die enorme, durch vertikale und horizontale Holzsprossen gegliederte Fensterfläche zur Gartenseite, wo das ausgebaute Dach sich in Gänze zur Krone eines hundertjährigen Baums hin öffnet.

rundzwei Architekten BDA, Korkenzieherhaus, Berlin-Staaken 2015 – 2018, Fotos: Gui Rebelo

„Es ist ja wie bei allem, ob man nun Architekt, Designer oder Künstler ist, oder ein Start-up macht: Es ist Glück, wenn man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist“, meint Andreas Reeg auf die Frage hin, wie schwierig es ist, in einer Großstadt wie Berlin ein Büro aufzubauen. Glück hatten die beiden beispielsweise, als sie eine Bauherrin auf einer Bahnfahrt kennenlernten, woraus schließlich der Auftrag für ein Wohnhaus in Berlin Staaken entstand. Das „Korkenzieherhaus“ fällt zunächst durch seine interessante bauliche Figur mit Kreuzdach auf, ist aber auch in der raffinierten inneren Raumstruktur bemerkenswert: Ein Teil des Wohnbereichs befindet sich unterhalb des Geländeniveaus, und führt dabei direkt zu einem außenliegenden, blickgeschützen Pool. Die für den Namen des Projekts verantwortliche, spiralförmige Holztreppe im Kern des Bauwerks verbindet die auf Splitlevels angeordneten Teilgeschosse miteinander – insgesamt konnte auf diese Weise die Wohnfläche, die eigentlich nur ein Vollgeschoss umfassen durfte, maximiert werden.

rundzwei Architekten BDA, Korkenzieherhaus, Berlin-Staaken 2015 – 2018, Fotos: Gui Rebelo

Neben der Spiraltreppe war zudem die Korkfassade namensgebend für das Projekt – ein Material, das auf den Wunsch der Bauherrin zurückgeht. Dass die Korkplatten eigens aus Portugal importiert werden mussten, hatte die Architekten zunächst skeptisch gemacht. Doch die Abbauweise, bei der die Korkbäume nicht gefällt, sondern geschält werden, überzeugte schließlich zusammen mit den hervorragenden natürlichen Eigenschaften, die das Material ohne Beimischung von Zusatzstoffen besitzt. Ob die beiden noch einmal damit arbeiten werden, wissen sie jedoch noch nicht: „Wir haben das Gefühl, Kork verstanden zu haben, aber es gibt noch tausend andere tolle Materialien, die es auch Wert sind, damit zu experimentieren“, erläutert Andreas Reeg. Etwas wie eine architektonische Handschrift ist den Architekten eher fremd: „Wir wollen uns den Projekten mit einem weißen Blatt nähern, uns nicht wiederholen. Wir haben keinen Stereotyp eines Gebäudes, den wir immer wieder verkaufen“, so Dufour-Feronce. Wie ein roter Faden zieht sich dennoch das Thema Nachhaltigkeit durch ihr Werk. Das heißt für sie neben der Vermeidung aufwendiger Haustechnik, dass möglichst regional erzeugte, klimaneutrale Materialien Verwendung finden, die beim Bauprozess ohne Kleber und Bauschäume zusammengefügt werden. Auch in den zahlreichen Wettbewerben, an denen rundzwei mit ihrem Team teilnehmen, bringen sie diese Grundsätze ein.

rundzwei Architekten BDA, Der Eisberg, Berlin-Moabit 2015 – 2019, Fotos: rundzwei

„Wir sehen uns als junges Büro in der Verantwortung, nachhaltig zu bauen. Ich denke gar nicht, dass das eine freie Wahl ist“, erklärt Marc Dufour-Feronce. „Wir wollen zeigen, wie gutes Design und Nachhaltigkeit zusammengeht. Da gibt es noch große Vorurteile“, ergänzt Andreas Reeg. Dabei setzen rundzwei vor allem auf Kommunikation und versuchen, den Mehrwert einer nachhaltigen Bauweise gestalterisch und baupraktisch herauszuarbeiten – so kann beispielsweise eine Holzkonstruktion nicht nur schnell gebaut werden, sondern ermöglicht auch schmalere Wände. Kommunikation, betonen beide, sei auch zentral beim Entwurf. „Wenn man gut und klar kommuniziert, sind alle glücklich“, so Andreas Reeg. Wie sein Büropartner erklärt, versuchen sie, die Bauherren in einem offenen Prozess so weit wie möglich mitzunehmen: „Wir arbeiten viel über Optionen in einer Art Workshop-Prozess. Wir wollen dabei die gewünschte Nutzung verstehen, aber auch hinterfragen und neu interpretieren.“

rundzwei Architekten BDA, Der Eisberg, Berlin-Moabit 2015 – 2019, Fotos: rundzwei

rundzwei Architekten BDA, Der Eisberg, Berlin-Moabit 2015 – 2019, Fotos: rundzwei

Die Baustelle ihrer jüngsten Realisierung, den Lückenschluss einer Blockrandbebauung in Berlin-Moabit, besichtige ich zusammen mit den Architekten zum Abschluss des Gesprächs. Während das Treppenhaus für eine Laubengangerschließung auf die Rückseite versetzt wurde, die sich teilweise mit den Balkonen verbindet, wölbt sich die Fassade in den Straßenraum, um möglichst viel Wohnfläche zu gewinnen. Die Verkleidung des Baus wurde straßenseitig aus weißem Aluminiumwellblech gefertigt – eine Entscheidung, die aus der Historie des Ortes, an dem durch Siemens die Metallverarbeitung eine große Rolle gespielt hatte, entwickelt wurde und die zudem Kosten einsparen konnte. Über den Fenstern ist das Wellblech perforiert und als Klappläden zu öffnen. Die Offenheit gegenüber Geschichte und Umfeld diente hierbei als kreativer Nährboden für eine originelle Material- und Formlösung, die innen wie außen überzeugt – gerade angesichts der architektonischen Banalität, die derzeit durch die Wohnungsnot in Großstädten um sich greift, stimmt die Arbeit von Architekten wie rundzwei wieder hoffnungsvoll.
Elina Potratz

www.rundzwei.de

neu im club im DAZ-Glashaus
Talk mit Andreas Reeg und
Marc Dufour-Feronce
16. Oktober 2019, 19.00 Uhr
Werkschauprojektion:
17. Oktober bis 12. November

www.daz.de
www.neuimclub.de
Medienpartner: www.marlowes.de

neu im club wird unterstützt von
dormakaba, Erfurt und Heinze sowie
den BDA-Partnern.

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