neu im club

Sichtbeton im Schweinestall

Marc Flick, Architekt BDA, Mainz

Es ist ein spätsommerlicher Nachmittag im Mainzer Stadtteil Gonsenheim. Zwischen dicht stehenden Eichen und eingebettet in hohes Gras sind hier ein weißes und ein schwarzes Haus quer zueinander auf einem langgezogenen Grundstück platziert. Wie zwei aus dem Boden geschossene Pilze muten die präzise in die umgebende Natur eingefügten Bauten an. Ich treffe mich hier mit Marc Flick, der das Wohnhausensemble von 2017 bis 2019 in Arbeitsgemeinschaft mit Henning Grahn und Christian Stock errichtet hat. Durch den berufsbedingten Wegzug einer der Bauherrenfamilien ist das „weiße Haus“ mittlerweile auch der Bürositz des Architekten, der sichtlich froh ist, in seinem eigenen Werk arbeiten zu können. Wer die Arbeitsräume betritt, erkennt auch sofort warum: Der großzügige Bereich im Erdgeschoss mit Kochinsel und Panoramafenstern, die einen beeindruckenden Blick auf den Garten eröffnen, ist ungewöhnlich luxuriös für ein Architekturbüro.

Marc Flick Architekt BDA, Weißes Haus, Mainz 2017 – 2019, Foto: David Schreyer

Während die drei Mitarbeiter an einer Schreibtischinsel sitzen, stellt sich unwillkürlich die Frage, wo sich der vierte Arbeitsplatz für den Bürogründer selbst eigentlich befindet. „Auf dem Sofa da hinten“, sagt Flick und alle lachen. „Das stimmt tatsächlich“, beteuert dann einer der Mitarbeiter und nach einem ungläubigen Blick erklärt Marc Flick: „Ich arbeite selten vom Schreibtisch aus. Meinen letzten Entwurf habe ich in Griechenland am Strand mit dem Laptop auf dem Schoß gemacht. Ich kann so am besten arbeiten“.

Marc Flick, Architekt BDA, Schwarzes Haus, Mainz 2016 – 2018, Foto: David Schreyer

Die Flexibilität der Arbeitsweise ist eine wichtige Voraussetzung für Marc Flick: „Ich möchte selber entscheiden, wann und wie ich arbeite.“ So entwerfe er sowohl an unorthodoxen Orten als auch zu unüblichen Zeiten, je nach persönlicher Produktivität. Bereits im Studium an der TU Darmstadt sei die Erkenntnis gekommen, wie entscheidend dies für sein Schaffen ist: „Es war genial, weil es so frei war und erst dadurch bin ich aufgeblüht.“ So sei ihm auch schnell klargeworden, dass sein Ziel die Selbständigkeit ist. Davor jedoch verschlug es ihn erst einmal in eine Werbeagentur sowie in ein Büro für Messedesign, was auch hilfreich für seine ersten Aufträge war. Er gestaltete mehrere Ladeneinrichtungen, etwa ein Streetwear-Geschäft in Rüsselsheim und einen Shop für selbstgemachte Designobjekte in Wiesbaden.

Marc Flick, Architekt BDA, Schwarzes Haus, Mainz 2016 – 2018, Foto: David Schreyer

Wie für viele junge Architekten bot sich der Einstieg in die Selbständigkeit durch persönliche Kontakte und Umbauprojekte. Darunter auch die Umgestaltung der Werbeagentur Mezzanin in Wiesbaden zu einer lichten Bürofläche mit knalligen Farbakzenten. Die überdimensionierten Stützen des Raums wurden zu einem Einbauschrank zusammengefasst, der als Raumtrenner sowie als Projektionsfläche dient. Den ersten großen Auftrag stellten jedoch das „weiße und das schwarze Haus“ dar, für das sich Marc Flick mit seinem Studienfreund Henning Grahn zusammentat. „Das war das erste Neubauprojekt, da konnte man endlich auch kreativer werden. Wir haben uns wahnsinnig reingehängt“, erzählt Flick. Zentrales Anliegen war hierbei die Klarheit und Einfachheit der zwei Volumen: „um Kosten zu sparen, aber vor allem, weil es zeitlos und unaufgeregt ist“, so Flick. Die innere Organisation der beiden langgezogenen Grundrisse ist dabei jeweils die Trennung in einen „dienenden“ Riegel mit Nebenräumen und Erschließung sowie einen offenen Bereich für die Wohnfunktionen. Während letzterer sich nach Süden und Westen zu Sonne und Garten hin ausgerichtet, bildet die andere Seite eine Art Pufferzone zur Straßenseite.

Marc Flick, Architekt BDA, Schwarzes Haus, Mainz 2016 – 2018, Foto: David Schreyer

Auch im Inneren ist das Konzept ablesbar, im schwarzen Haus wird dies zusätzlich durch die farbliche Absetzung der Erschließungszone betont. Die strikte Grundrisskonzeption war für die Architekten dabei essenziell. „Es soll erlebbar sein, denn wenn ein Grundriss konsequent geplant ist, dann merkt man das auch, wenn man hindurchgeht“, so Marc Flick. Unkonventionell war zudem der Einbau eines Raumblocks im Erdgeschoss, der sowohl Herd und Spülbereich, sowie im Inneren eine Abstellkammer und die Garderobe aufnimmt. Ohne einen abgetrennten Vorraum zu errichten, wird hierdurch ein subtiler Schutz des Wohnzimmerbereichs geschaffen, der zugleich die Offenheit des Raumes wahrt. Flick betont: „Ein Haus besteht nicht nur aus Räumen, aus Quadratmetern, sondern aus Erlebnissen.“

Marc Flick Architekt BDA, Wendenius Hof, Hainau 2016 – 2018, Foto: David Schreyer

Das jüngste abgeschlossene Projekt ist der Umbau eines denkmalgeschützten Bauernhofes im Taunus. Ein Gebäudeteil wurde hierbei zum „Schlafhaus“ transformiert, das Fachwerk erneuert und das Innere neu organisiert. Wie als Kompensation dafür, dass hier relativ wenig kreativer Spielraum geboten wurde, offenbarten sich bei der Restaurierung der Innenwände aufwendige Wandmalereien, die aus der Erbauungszeit vor etwa 250 Jahren stammen müssen. Der Schweinestall dagegen zeigt sich in deutlich verändertem Aussehen: Der Putz über dem Fachwerk wurde entfernt und die Fassade mit einer Natursteinschlämme vollständig mit einem hellen Weiß-Grau überzogen, wodurch sich die Oberflächentexturen deutlicher abzeichnen sowie Alt und Neu verbunden werden.

Marc Flick Architekt BDA, Wendenius Hof, Hainau 2016 – 2018, Foto: David Schreyer

Im Innenraum wurde in einer Raumhälfte, in der die Küche untergebracht ist, die Decke herausgenommen, wodurch das verbleibende Obergeschoss als Galerie ausformuliert ist. Die hiermit notwendig gewordene Aussteifung des Baus wurde durch das Einsetzen einer umlaufenden Betonwand gelöst, die zugleich die von der Nutzung als Schweinestall verseuchten Wände absperrt. Innerhalb des Betonrahmens befindet sich zudem eine hohle Treppe, die die Haustechnik beherbergt und zum oberen Loungebereich führt. Über ein fixverglastes Fenster im Giebel wird die Küche zusätzlich belichtet. Weder eine pittoreske Rekonstruktion noch eine gestalterisch aufdringliche Transformation ist somit entstanden – eine „zeitgemäße Interpretation“, wie Marc Flick es ausdrückt. Auf die Frage hin, was ihn am Umbau reizt, hebt er den Aspekt des „vorher – nachher“ hervor: „Je größer der Schock am Anfang ist, desto interessanter wird es eigentlich.“

Arge Franzen & Heckmann & Flick, Kita Hirschberg, 2017, Abb.: Ombra Studio Barcelona – Giuseppe Giordano

Eines der neuesten Bauprojekte ist Flicks eigenes Haus in Bad Kreuznach, das er zusammen mit seiner Schwester geerbt hat. Das gründerzeitliche Untergeschoss des Baus mit langformatigen Fenstern war in den 1960er Jahren durch ein weiteres Stockwerk ergänzt worden, wobei keinerlei Bemühung um ästhetische Angleichung unternommen wurde – der Eingriff soll die beiden Zeitschichten nun miteinander harmonisieren. Der Bau sticht mit seiner grauen, ruhigen Fassade nun aus der unstrukturierten und verbauten Umgebungsbebauung hervor, was „der Ecke jedoch ganz guttut“, so Flick, – „das Viertel brauchte mal einen Ruhepol“. Im Inneren sind die Räume offener und sinnvoller zur Straßenseite ausgerichtet worden, um möglichst viel Licht ins Innere zu bekommen. „Es macht total Spaß, daran herumzuprobieren: Was kann man mit der Substanz machen? Wie kann man das aufwerten und Wohnqualität in das Haus hineinbekommen?“, meint der Architekt auch hier.

Marc Flick
Architekt BDA, Graues Haus, Bad Kreuznach 2018 – 2019, Foto: Francois Flammang

Für die Zukunft erhoffen sich Marc Flick und seine Mitarbeiter unter anderem mehr Zeit für Wettbewerbe: „Das wollen wir definitiv mehr machen, wir sind da eigentlich ganz heiß drauf.“ Zeit und Budget erlaubten dies im Moment nur viel zu selten, hin und wieder schließe sich das Büro mit anderen Architekten zusammen, um Wettbewerbe stemmen zu können. Flick lacht und meint: „Das wirkt alles so etabliert hier wegen unserer Räumlichkeiten, aber eigentlich sind wir noch im Wachsen.“
Elina Potratz

www.marcflick.de

neu im club im DAZ-Glashaus
Talk mit Marc Flick: 20. November 2019, 19.00 Uhr
Werkschauprojektion:
21. November 2019 – 13. Januar 2020

www.daz.de
www.neuimclub.de

Medienpartner: www.marlowes.de

neu im club wird unterstützt von
Erfurt und den BDA-Partnern.

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