Buch der Woche: Wohnungsbau von Stefan Forster Architekten

Anschlussfähig

Im Jahr 2008 konnte ich im Nachgang des 11. Berliner Gesprächs des BDA ein Interview mit dem Frankfurter Architekten Stefan Forster führen. „Ich sehe mich in einem Kontinuum“, bekannte der Architekt damals, „ …und versuche, auf positive Dinge, die wir einmal hatten, auf die wir zurückschauen können, die unsere Geschichte ausmachen, zurückzukommen und den Anschluss daran wieder herzustellen.“ Mit Blick auf den Wohnbau sagte Forster damals: „Da gibt es für mich nichts neu zu erfinden.“ Heute, zwölf Jahre später, besteht das Büro Stefan Forster Architekten seit 31 Jahren. 2019 jährte sich die Bürogründung zum 30. Mal. Wie bei runden Jubiläen in Architekturkreisen fast üblich, haben sich auch Stefan Forster Architekten mit einem Buch beschenkt, das nun genau das zeigt, was den Hauptteil des Werks ausmacht: Wohnbau.

Wohnanlage Voltastrasse. Fassadenansicht an der Ecke Galvanistrasse / Voltastrasse, Foto: Jean-Luc Valentin

Wohnanlage Voltastrasse. Fassadenansicht an der Ecke Galvanistrasse / Voltastrasse, Foto: Jean-Luc Valentin

An der Einstellung Forsters zum Thema hat sich seit 2008 nichts geändert. Die Architektur des Büros unterstreicht das. Der genauere Blick auf die Bauten, die seit 1989 entstanden sind, offenbart zudem, dass diese Hartnäckigkeit nicht schlecht ist. Auch wenn im Vorwort des Buchs – von Forster selbst – einmal mehr davon geschrieben wird, man zeige „qualitätsvolle Alltagsarchitektur“, kann man aber konstatieren, dass das, was er und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter seit dreißig Jahren machen, einfach gute Architektur und saubere Gestaltung ist: Häuser, die an bewährte Elemente der frühen Moderne und der Architektur der Jahrhundertwende anknüpfen, die Teil einer bestehenden Stadtstruktur sein wollen oder – dort, wo es solch eine bestehende Struktur nicht gibt – den Geist einer Stadt wieder aufleben lassen wollen; Wohnungen, die mit einfachen Mitteln den Bewohnerinnen und Bewohnern dienlich sein möchten und tradierte Grundrisstypen fortschreiben, dabei aber stets erstaunlich akkurat detailliert und eben nicht jener billig tönenden und öde aussehenden, immer gleichen, lieblos verputzten Hohlwandigkeit zeitgenössischer Wohnbauarchitektur zuzurechnen sind.

Gemeindezentrum. Blick auf die Westseite des Gebäudes mit Loggien (vom Wohnhaus «Westgarten 01»), Foto: Lisa Farkas

Gemeindezentrum. Blick auf die Westseite des Gebäudes mit Loggien (vom Wohnhaus «Westgarten 01»), Foto: Lisa Farkas

Neben dem Vorwort des Bürogründers macht ein Essay von Michael Mönninger das Buch auf, der die Architektur des Büros angemessen architekturhistorisch einordnet. Ebenso bemerkenswert wie der schöne Text Mönningers aber ist die Gliederung der vom Bureau Sandra Doeller gestalteten Publikation. Sie gliedert sich in die Kapitel „Städtischer Block“, „Haus in der Stadt“, „Siedlung“ und „Transformation“. Jeder dieser typologischen Abschnitte wird durch eine Sammlung von genordeten Schwarzplänen im Maßstab 1: 2000 eingeleitet. Es folgen für jedes Projekt eine große Klappseite, einem haptischen Buchzeiger gleich, der die Navigation durch das Buch erleichtert und mal umfangreiche Informationen über den Zustand vor dem Bau, mal bloß ein einzelnes Foto oder eine Entwurfszeichnung zeigt. Dazu kommen je ein kurzer Text von Benjamin Pfeifer, eine Schnittzeichnung und generös gesetzte, großformatige Fotografien von Lisa Farkas und Jean-Luc Valentin sowie je ein Grundriss eines Regelgeschosses.

Leinefelde Haus 03. Blick von Südosten auf Haus 02 (links) und Haus 04 (rechts), Foto: Jean-Luc Valentin

Leinefelde Haus 03. Blick von Südosten auf Haus 02 (links) und Haus 04 (rechts), Foto: Jean-Luc Valentin

Abgeschlossen wird das wuchtige Buch durch eine Sammlung von Grundrissen, die in einer Zusammenschau im Maßstab 1:200 je eine Wohnung aus jedem im Buch vertretenen Haus vergleichend gegenüberstellt. All das macht die positiven Qualitäten der unterschiedlich gelagerten Wohnbauprojekte vor dem Hintergrund der Haltung Forsters, es gelte nicht Neues zu erfinden, aber Bewährtes zu wiederholen, sehr nachvollziehbar. Es ist eine Architektur, die auf dem Wiederholen vertrauter und bekannter Motive, Materialien und Raumfolgen basiert. Dass dies zum einen eine erfolgreiche Haltung ist, zeigen die schiere Anzahl und Größe der Projekte. Dass es zum anderen stadträumlich gut funktioniert, beweist die Bildstrecke, die dem Buch vorangestellt ist. Lisa Farkas hat die Häuser von Stefan Forster Architekten hier wie beiläufig ins Bild gesetzt, nicht als hervorgehobenen Mittelpunkt eines Hochglanzprospekts, sondern als selbstverständlichen Teil eines stadträumlichen Gefüges.

David Kasparek

Stefan Forster (Hrsg.): Stefan Forster Architekten. Wohnungsbau 1989–2019, deutsch/englisch, gebunden, 342 S., 256 farb. und 108 s/w-Abb., Park Books, Zürich 2020, 48,– Euro, ISBN 978-3-03860-180-7

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