Buch der Woche: Holzbau mit System

Bauforschung

Der Weltklimarat IPCC hat bereits 2014 in einer Studie dargelegt, dass rund 40 Prozent der Treibhausgase der Industrieländer durch Gebäude und Gebäudetechnik emittiert werden – demnach verursacht allein die Betonherstellung rund acht Prozent der jährlichen CO2-Emissionen weltweit. Architektur muss nachhaltiger werden. Immer noch. Und zwar nachhaltig aus sich heraus und nicht bloß durch nachträgliche Applikationen technischer Infrastrukturen, die dem herkömmlich entwickelten Haus ein entsprechendes Siegel und damit das vermarktungsfähige Greenwashing bescheren. Will Architektur jedoch tatsächlich zukunftsfähig sein, muss Nachhaltigkeit von Beginn an Teil des entwerferischen Prozesses sein.

Hans Drexler hat das erkannt und fordert genau das in seiner nun vorliegenden Dissertationsschrift „Open Architecture – Nachhaltiger Holzbau mit System“. Der Untertitel verrät es: Drexler hat sich nicht nur mit der Frage beschäftigt, wie Architektur nachhaltig wird, sondern auch damit, wie eine solche Architektur aussehen könnte. Leider, muss man hier konstatieren, denn architektonisch kommt er mit seinem System recht rasch an Grenzen.

Fallstudie: Greenhouse, Modell des Bausystems im Maßstab 1/100, Abb.: Hans Drexler

Fallstudie: Greenhouse, Modell des Bausystems im Maßstab 1/100, Abb.: Hans Drexler

Auf einer anderen Ebene aber ist das Buch bemerkenswert. Es ist ein Beispiel für die Frage, die derzeit viele Architektur-Lehrstühle und Fakultäten umtreibt: Wie und wo ist Architektur wissenschaftlich. Drexlers Arbeit ist im Rahmen des Programms entwurfsbasierter Promotion (PEP) an der TU Berlin entstanden. Und in der Systematik liegt die Stärke der Arbeit. Drexler beleuchtet historische Referenzen nachhaltiger Architektur ebenso wie theoretische Schriften, fragt nach Nutzerinnen und Nutzern und ihrer Einbindung in den Prozess der Architekturproduktion wie nach der Autorenschaft, spricht Partizipation an und den Wohnraummangel in den meisten westeuropäischen Metropolregionen.

Fallstudie: Seesport und Erlebniszentrum, Visualisierung, Abb.: Hans Drexler

Fallstudie: Seesport und Erlebniszentrum, Visualisierung, Abb.: Hans Drexler

Das Herzstück der Arbeit bilden dann acht Fallstudien, in denen Drexler, der Prämisse der Aufgabe folgend, den eigenen Entwurf an unterschiedlichen Orten projektbasiert zur Anwendung bringt. Und auch dabei sind die dargestellten Teilhabe-Prozesse oder die detaillierte Zusammenschau von bautechnischen und -physikalischen Fakten hervorzuheben. Der Autor agiert hier am Zahn der Zeit. Doch auch wenn notwendige Prozesse Teil von Drexlers Architekturauffassung und -produktion sind, bleibt architektonisch, um die von ihm selbst angeführte Divergenz zwischen Baukultur und Nachhaltigkeit aufzunehmen, merklich Luft nach oben.
David Kasparek

3D-Diagramme der Fallstudien, ohne Maßstab, Abb.: Hans Drexler

3D-Diagramme der Fallstudien, ohne Maßstab, Abb.: Hans Drexler

Hans Drexler: Open Architecture – Nachhaltiger Holzbau mit System, 352 S., zahlr. Abb., 38,– Euro, Jovis, Berlin 2021, ISBN 978-3-86859-681-6

Titelbild: Fallstudie: Arrival City 4.0, Modell des Bausystems im Maßstab 1/50, Abb.: Hans Drexler

Artikel teilen:

Ein Gedanke zu “Bauforschung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert