editorial

rechte räume und linker populismus

Die belgische Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe spricht sich seit längerem dafür aus, dass die politische Linke ihre Ziele mit einer anderen Rhetorik deutlich machen müsse. Gegen den Populismus von rechts, aber auch gegen eine konservative Oligarchie, die demokratische und ökologische Weiterentwicklungen blockiere, müssten linke Positionen konfrontativ vorgebracht werden. Ob Mouffes Idee, Gleiches mit Gleichem zu beantworten, im politischen Diskurs Deutschlands Aufnahme gefunden hat, lässt sich angesichts des „alternativlosen“ Diskussionsniveaus kaum beurteilen. Insofern ist es überraschend, dass sich gerade auf dem mitunter behäbigen Feld der Architektur eine ideologische Auseinandersetzung abspielt, die Mouffes Vorstellung eines linken Populismus nahekommen dürfte. Wesentlicher Auslöser ist der Stuttgarter Architekturtheoretiker Stephan Trüby gewesen, der sich seit einiger Zeit in Vorträgen und Aufsätzen mit „rechten Räumen“ beschäftigt. Gemeint sind vor allem Stadträume, deren Gestaltung in enger Verbindung mit rechtem Gedankengut entstanden ist. Skandalisiert wurde in diesem Sinne zunächst die Neuerrichtung des Römer / Dom-Areals in Frankfurt, deren ideologische Ausrichtung durch die Mitwirkung eines AfD-Stadtrats beim Baubeschluss deutlich geworden sein soll.

Besonders hart hat es jetzt Hans Kollhoff getroffen. In der von Trüby und Stuttgarter Mitstreitern mitherausgegebenen Ausgabe 235 der Architekturzeitschrift „Arch+“ geraten in einem Beitrag der Stuttgarter Architekturhistorikerin Verena Hartbaum die von Kollhoff entworfenen Leibniz-Kolonnaden, deren Adresse inzwischen Walter-Benjamin-Platz lautet, wieder einmal in Verdacht – und damit auch ihr Architekt. Kollhoff wird unterstellt, er habe eine Tafel mit einem Zitat des amerikanischen Dichters Ezra Pound, der Mussolini und dem italienischen Faschismus nahestand, gezielt provokativ am Platz anbringen lassen. Pounds Sentenz konfrontiere das Gedenken an den verfolgten Benjamin, der 1940 in verzweifelter Situation Selbstmord beging, bewusst oder unbewusst mit antisemitischem Gedankengut. Kollhoff hingegen ging es nach eigenen Aussagen allein um die Auswirkungen des Wuchers auf die Baukultur – und damit um seine Erfahrungen beim Bau der Kolonnaden, die mehrfach während der Bauzeit aus spekulativen Gründen den Besitzer wechselten. Damit könnte man das Ganze auch sofort wieder vergessen: Alles schon mal dagewesen, vor dreißig Jahren, als man über Stimmanns Berlin als „Neu-Teutonia“ sprach, vor zwanzig Jahren, als sich besorgte Architekturkritiker durch die Kolonnaden an faschistische Architektur erinnert fühlten.

Foto: Lili Denk

Ein alter Hut also, wenn nicht die Strategie der Argumentation neu wäre, die über die Kontaminierung der verhandelten Personen und ihrer Werke mit rechten, mit faschistischen und antisemitischen Inhalten zugleich deren gründliche und weitreichende Diffamierung bewirken wollte und würde. „Hans Kollhoffs CasaPound“ ist Hartbaums Beitrag in „Arch+“ untertitelt, womit der Architekt unmittelbar in Verbindung mit einer italienischen neofaschistischen Organisation namens „CasaPound“ gebracht wird. „Natürlich“ gebe es keine Kausalverbindung zwischen Kollhoff und den römischen Neofaschisten, schreibt Hartbaum, aber die „ideelle Nähe“ sei eben kein Zufall. Kollhoffs Kapitalismuskritik sei genauso vordergründig wie die, die auch die „CasaPound“ in Rom äußere. Mit diesem unsachgemäßen Vergleich jedoch ist der entscheidende Schritt aus der geisteswissenschaftlichen Analyse in den Populismus getan: Etwas bleibt ja immer hängen. Und so geht es auch anderen: In der besagten „Arch+“-Ausgabe bekommen auch das Dortmunder Institut für Stadtbaukunst, also Christoph Mäckler und Wolfgang Sonne, als „Hort der reaktionärsten Kräfte des deutschen Architektur- und Stadtdiskurses“, Hans Stimmann und Harald Bodenschatz und sogar die „Stiftung Baukultur“ ihr Fett weg – letztere, weil der Begriff „Baukultur“ per se eine identitätspolitische Strategie impliziere. Es überrasche nicht, schreibt Hartbaum, dass es derzeit in erster Linie Rekonstruktionsarchitektur sei, die Anschluss für rechtes und nationalistisches Gedankengut biete, könne sie doch zuallererst für eine „interventionistische und identitäre Geschichtspolitik“ vereinnahmt werden. Ob sie das tatsächlich tut, oder ob den Rechten im Lande Architektur im allgemeinen piepegal ist, bleibt indes unerörtert. Solche Verallgemeinerungen und argumentativen Unschärfen sind es, die den „Diskurs“ um „rechte Räume“ zur bloßen Polemik machen. Ohne Frage ist deren Thematisierung möglich und notwendig: Aber „rechte Räume“ kommen zumeist ohne die Mitwirkung von Architekten und Architektur zustande, wie die Bemühungen der NPD und anderer rechtsradikaler Organisationen um sogenannte „national befreite Zonen“ in Deutschland belegen. Sie sind allerdings nach einer Definition von Burkhard Schröder „kein fest umrissener und geografisch festgelegter Ort“, sondern „ein bestimmtes Milieu, ein Netz von Verhaltensmustern, das Einstellungen und Ideen nur innerhalb bestimmter Grenzen als ‚normal’ vorschreibt.“ Solche Gebiete, die sich von den Einrichtungen des Staates abgekoppelt haben und eigene völkisch-totalitäre Rechtsvorstellungen entwickeln, gibt es in mehreren Bundesländern: Es sind Viertel, Kleinstädte, ländliche Orte, die dann im allgemeinen behördlichen Sprachgebrauch verharmlosend als „No-Go-Areas“ für Ausländer, Farbige und Kippa tragende Juden bezeichnet werden. Gegen diese Entwicklung hilft allerdings wohl kein linker Populismus, so gut er gemeint sein möge, sondern nur konkrete politische Aktion. Ob das allerdings immer noch und vor allem eine Aufgabe der Zivilgesellschaft sein kann, wie der Verfassungsschutz Brandenburgs noch 2001 etwas naiv glaubte, ist heute die Frage. Insofern trägt der gegenwärtige Disput um „rechte Räume“ mehr zur Verunklärung der Situation bei als den Initiatoren lieb sein kann.
Andreas Denk

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2 Gedanken zu “rechte räume und linker populismus

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