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papiertiger im denkmalschutz?

Die Neubewertung der Bausubstanz in unseren Städten und Gemeinden ist ein dringendes Anliegen des BDA-Papiers zum „Haus der Erde“ von 2019. Dabei spielt die klassifizierende und bewertende Baudenkmalpflege eine entscheidende Rolle. In Nordrhein-Westfalen mehren sich die Anzeichen, dass politischer Pragmatismus die fachliche Autorität der Oberen Denkmalpflegebehörden zurückzudrängen versucht.

Derzeit liegt in NRW eine Novelle des Denkmalschutzgesetzes zur Beratung vor, die einerseits Verbesserungen im praktischen Denkmalschutz vorsieht. Andererseits beabsichtigt die Neufassung einen Verzicht auf die bisher notwendige Herstellung eines „Benehmens zwischen Unteren Denkmalämtern und den Fachleuten der Oberen Denkmalpflege“, die in Nordrhein-Westfalen den Landschaftsverbänden zugeordnet sind. Stattdessen soll es nur noch zu einer Anhörung kommen. So würden vordergründig die Denkmalbehörden in den Städten und Gemeinden gestärkt. Andererseits entfiele dafür das „Backing“ kommunaler Denkmalpflege durch die fachliche Kompetenz und die politische Wirkmächtigkeit der übergeordneten Behörde.

Andrea Pufke, Leiterin des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland, formuliert es so: „Die Stellung der Denkmalfachämter für Baudenkmalpflege wird in vielen Punkten entscheidend geschwächt.“ Besonders negativ sei es, dass die Baudenkmalpflege künftig nicht mehr das Recht haben soll, die Eintragung eines Gebäudes in die Denkmalliste zu beantragen, Denkmäler zu erfassen und ihren Denkmalwert in Gutachten zu beurteilen. „Wie und ob dieses Fachwissen in Zukunft eingesetzt werden soll, ist völlig unklar“, denn „die Fachleute der Denkmal­ämter (…) sollen an Entscheidungen nicht weiter beteiligt werden, selbst wenn ein Denkmal abgebrochen oder stark verändert werden soll.“

Im Klartext: Es geht hier nicht um den Kölner Dom, Schloss Benrath oder den Erbdrostenhof. Es geht vielmehr um den reichen Bestand der Nachkriegsmoderne, der bisher nur in einem Mindermaß erfasst und nur mit wenigen Beispielen unter Schutz gestellt worden ist. Tatsächlich tut sich die amtliche Denkmalpflege immer noch schwer mit diesem sperrigen Erbe. Noch schwerer tun sich allerdings viele Städte und Gemeinden, deren vielzitierte „Filetgrundstücke“ in den Zentren häufig mit Nachkriegsbauten bestanden sind. Allzu gerne wird hier die Abrissbirne geordert, weil es einen Investor gibt oder weil Kosten für Erhalt oder energetische Sanierung zur Diskussion stehen. Hier fehlt den kommunalen Denkmalbehörden oftmals die Durchsetzungskraft gegen den politischen Willen, gegen lokale Machtverhältnisse und den Einfluss der Wirtschaftsförderung. Die fachliche Intervention der Landesdenkmalämter hat hier häufig schon – nicht immer – Missgriffe verhindert, die man später bitter bereut hätte. In Köln deutet sich bereits eine erste Reaktion auf die Gesetzesnovelle an: Dort will man das bisher dem Kulturdezernat zugeordnete Amt des Stadtkonservators kurzerhand dem Baudezernat eingliedern. Hier soll wohl ein einfacherer Dienstweg vorbereitet werden, der so mancherlei Schwierigkeiten bei der Baueingabe beseitigen soll. Ob man der Stadt und ihren Bürgern damit einen Gefallen tut, bleibt anzuzweifeln.

Foto: Andreas Denk

Foto: Andreas Denk

Der BDA hat im „Haus der Erde“ über die „Achtung des Bestands“ nachgedacht, dem im Rahmen einer ökologischen Orientierung eine andere Bedeutung zukommen muss als bisher. Die richtige Prämisse dieses Paragraphen heißt schlicht und einfach: „Bauen muss vermehrt ohne Neubau auskommen.“ Das heißt, dass dem Erhalt und dem Weiterbauen des Bestehenden Priorität einzuräumen ist. Es geht aber nicht nur um den Erhalt von Material und energetischem Aufwand. Das hat das Manifest „Bestand braucht Haltung“ herausgestellt, das der BDA Nordrhein-Westfalen 2015 verabschiedet hat. Hier wird der Bestand insbesondere der Nachkriegsbauten auch als kultureller Kontinuitätsträger definiert: „Gut gestaltete und ortstypische Bauten schaffen seit jeher Vertrautheit und Identifikation mit unseren Lebensumwelten. In Zeiten immer schnellerer gesellschaftlicher Veränderungsprozesse erreicht das Phänomen Konsumgesellschaft auch die Architektur, wird Vorgefundenes vorschnell als unbrauchbar oder unpassend eingestuft und entsprechend eilig beseitigt. Gebäude werden in Abschreibungszyklen zum Konsumgut mit Verfallsdatum.“

Diese Erkenntnis, die gewissermaßen ein Recht auf eine vertraute Umgebung reklamiert, ist dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung offenbar nur bedingt zuteil geworden: Ministerin Ina Scharrenbach schwebt offensichtlich eine liberalisierte Denkmalpflege vor, die Architektur als Aufgabe von Investoren und Denkmalschutz als Formsache begreift. Zweifelsfrei verlangt der fast komplett erhaltene Baubestand der letzten sechzig Jahre einen anderen, selektiveren Umgang mit den Bauten, die funktional, energetisch und optisch nicht im besten Zustand sind. Dennoch sollte es dem ausgebildeten Fachurteil – und nicht dem vordergründigen Kapitalinteresse – vorbehalten bleiben, was zu erhalten, was umzubauen oder umzunutzen und was verzichtbar ist. Dass sich die mitunter rigide argumentierenden Fachleute der Denkmalpflege um der besten Lösung willen öfter in ein besseres „Benehmen“ mit denjenigen Architekten setzen sollten, die sich mit Kreativität und Erfindungsgeist der Neunutzung des Bestands widmen, steht auf einem anderen Blatt.
Andreas Denk

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