Buch der Woche: „Opus 80“ zu Ungers´ Haus in der Belvederestraße

Katarakt von Formen

Im Laufe der Jahre hat der Verleger Axel Menges mit seiner gleichnamigen Edition ein beachtliches Konvolut an Büchern zusammengestellt. Besonders bemerkenswert dabei sind regelmäßig jene, fast quadratischen, Publikationen der Reihe „Opus“. Opus 80 ist nun Anfang des Jahres erschienen und widmet sich einem der bekanntesten Einfamilienhäuser der deutschen Nachkriegsgeschichte: dem Wohnhaus von Oswald Mathias Ungers in der Kölner Belvederestraße 60, gebaut in den Jahren 1958/59. Auf 64 Seiten wird dieses erste von drei Häusern, das Ungers für sich und seine Familie entwarf und ausführte, umfassend dargestellt.

Eingeleitet wird die Publikation von einem ausführlichen Essay von Wolfgang Pehnt. Pehnt (siehe auch der architekt 2/16, S. 18-23) brilliert hier einmal mehr als Meister der Vermittlung architekturhistorischer Zusammenhänge. Mühelos bringt er den Ungersschen „Kosmos Architektur“ in die entsprechenden zeitlichen und baugeschichtlichen Kontexte und legt dabei sowohl die Genese des Baus wie die seines Architekten dar. Ungers, Träger des Großen BDA-Preises 1987, sagte 1962 in seiner Rede zur Eröffnung der Finsterlin-Ausstellung in Berlin: „Bauen ist etwas anderes als Mauern – Bauen ist Ausdruck einer geistigen Weltvorstellung.“ Wolfgang Pehnt erläutert nicht nur diese Weltvorstellung, sondern ordnet sie in Ungers‘ eigene, ganz konkrete Lebenswelt aus Kunst, Möbeln, Büchern und eben der Architektur selber ein.

Dabei beeindruckt nicht nur der Text an sich, sondern auch der Entwurf dieses Hauses, das zunächst Büroräume, zwei Einliegerwohnungen sowie die Wohnung der Familie Ungers beherbergte. Dazu kamen umfriedende Gärten und ein Dachgarten, Garage und Garageneinfahrt. Nach einem Amerikaaufenthalt von Oswald Mathias Ungers stellten der Architekt und sein Entwurf die Wandlungsfähigkeit beider unter Beweis: Das Architekturbüro wurde vergrößert, Zwischenwände herausgenommen, Garage und Einfahrt an der Belvederestraße fielen weg. Die untere Einliegerwohnung wurde dem Büro zugeschlagen, die obere als Bibliothek den Privatgemächern.

In den Jahren 1989/90 kam – nach dem Bau des zweiten eigenen Wohnhauses in Glashütte in der Eifel (1986–1988) – schließlich der Bau der Bibliothek auf jenem Teil des Grundstücks hinzu, das an eine Seitenstraße der Belvederestraße angrenzt und hier Quadratherstraße heißt. Obschon nicht nach jener geometrischen Figur benannt, die Ungers für sein Spätwerk so schätzte, sondern nach dem in der Nähe Kölns gelegenen Ort Quadrath, passt dieser Straßennamen doch bestens zu jener Gebäudekubatur, die der Architekt an die Stelle des größten der ummauerten Gärten stellte. Der Bau, quadratisch in Grundriss und Schnitt – jedoch mit dem unteren Drittel als Kellergeschoss im Boden versenkt – treibt das Quadratraster auf die Spitze und vervollständigt mit den durch ihn notwendig gewordenen Um- und Ausbauten gleichsam Ungers Idee vom Haus als Stadt im Kleinen.

Das Buch versammelt erste Ideenskizzen beider Bauprojekte, sowie Grundrisse der Ausführungsplanung aus dem Jahr 1959, Planungszeichnungen der Neu- und Umbauten der Jahre 1989/90 und solche, die in farblichen Abstufungen die baulichen Veränderungen nachvollziehbar machen. Hinzu kommen herrliche Schwarz/weiß-Fotos aus den 1960er Jahren von Walter Ehmann, die das Haus von außen, wie auch sein genutztes Inneres zeigen und kombiniert werden mit Farbaufnahmen von Dieter Leistner und Stefan Müller aus den Jahren 1991 und 2007.

„Opus 80. Oswald Mathias Ungers. Haus Belvederestraße 60. Köln-Müngersdorf“ macht durch diese Fülle den vielschichtigen Bau, dessen Nutzfläche nach allen Umbauten inzwischen über 700 Quadratmeter umfasst, in Gänze nachvollziehbar und bettet ihn ein in den Kontext des umfänglichen Werkverzeichnisses Ungers´. Durch diese fast schon pädagogische Grundhaltung wird das Buch nicht nur zur Pflichtlektüre von Ungers-Fans, sondern zur dringlichen Empfehlung für jeden, der von der Notwendigkeit gut durchdachten Entwerfens überzeugt ist.

David Kasparek

Opus 80, Oswald Mathias Ungers, Haus Belvederestraße 60, Köln-Müngersdorf. Mit einem Essay von Wolfgang Pehnt und Fotografien von Walter Ehmann, Bernd Grimm, Dieter Leistner und Stefan Müller. 64 S. mit ca. 70 Abb., deutsch/englisch, Edition Axel Menges, Stuttgart 2016, 36,Euro, ISBN 978-3-932565-80-9

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